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Eine Scheidung als neue Chance nutzen?

Jede dritte Ehe wird in Österreich geschieden. Doch was bedeutet das für die Betroffenen? Welche Auswirkungen haben die kleinen, großen Streitigkeiten der Eltern auf die Kinder? Wie gehen die Kinder damit um und in welcher mentalen Verfassung befinden sich die Kinder? Und weshalb kann eine Scheidung zur Chance für die ganze Familie werden?
Anna Dissauer  •  4. Februar 2025 Schülerin      10
Eine Schülerin schreibt aus der Sicht eines Scheidungskindes. (Foto: Pexels)

Etwa 12.700 Ehen wurden 2023 geschieden – eine Zahl, die verdeutlicht, wie viele Familien mit den emotionalen sowie rechtlichen und finanziellen Folgen einer Trennung konfrontiert sind.

Eine Ehe zu beenden, bringt große Herausforderungen sowohl für die Erwachsenen als auch für die Kinder mit sich. Neben der einvernehmlichen Scheidung gibt es auch die strittige Scheidung, bei der ein Partner die Scheidung aufgrund eines Verschuldens beantragt. Dabei spielen Faktoren wie Ehebruch oder grobe Verletzung der ehelichen Pflichten eine Rolle. Eine der größten Herausforderungen ist dabei, die gerechte Aufteilung der Sorgepflicht der gemeinsamen Kinder.

In Österreich sieht das Familienrecht vor, dass nach einer Trennung beide Elternteile das gemeinsame Sorgerecht behalten. Um diese Aufgabe möglichst ohne Konflikte zu bewältigen, um sich selbst, dem Partner und den Kindern ein ruhiges und streitfreies Leben zu ermöglichen, erfordert dies eine hohe Kooperationsbereitschaft zwischen den Beteiligten.

Auswirkung auf Kinder

Kinder sind von Scheidungen in den meisten Fällen am meisten betroffen. Wenn eine Ehe zu Grunde geht, ist es zwar für das Paar schlimm, aber nach einer Zeit sind beide darüber hinweg und können normal weiterleben.

Anders sieht es aus, wenn die Partner gemeinsame Kinder haben, die alles miterleben müssen. Die Mutter oder der Vater zieht aus und auf einmal ist da ein zweiter Wohnort, an dem sie sich wohlfühlen sollten und wo sie ab jetzt jedes Wochenende oder jede zweite Woche wohnen.

Ein neuer Partner im Leben der Eltern, mit denen sich die Kinder verstehen müssen, um eventuell den Eltern einen Gefallen zu tun. Auf der anderen Seite können sie sich vielleicht auch noch Argumente des möglicherweise alleinstehenden Elternteils anhören, weil der Ex-Partner wieder einen neuen Partner im Leben hat und die Gefühle vielleicht doch noch nicht ganz verschwunden oder verarbeitet sind.

Studien zeigen, dass die Trennung der Eltern bei den Kindern oft mit Gefühlen der Unsicherheit, Trauer oder Schuld einhergeht. Entscheidend für das Wohl der Kinder ist allerdings wie die Eltern mit der Situation umgehen.

In Österreich setzen viele getrennte Eltern auf das Wechselmodell, bei dem die Kinder abwechselnd bei beiden Elternteilen leben. Dieses Modell hat den Vorteil, dass die Kinder weiterhin eine enge Bindung zu beiden Elternteilen aufrechterhalten können, und die Möglichkeit haben, Mutter und Vater gleich oft sehen können. Kritiker warnen jedoch, dass das ständige Pendeln für Kinder belastend sein kann, vor allem wenn die Eltern weit voneinander entfernt wohnen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass dieses Wechselmodell gewisse Vor- und Nachteile mit sich bringt. Einerseits bietet es wie erwähnt die Möglichkeit zu beiden Elternteilen eine enge Bindung aufrechtzuerhalten. In meinem Fall verstehe ich mich mit meiner Mutter genauso gut wie mit meinem Vater. Ich kann mit beiden über meine Probleme reden sowie auch meinen Spaß haben. Ich bin sehr dankbar, dass meine Geschwister und ich die Möglichkeit haben, eine Woche bei unserer Mama zu sein und in der anderen Woche bei unserem Papa, weil ich weiß, dass andere Kinder in dieser Situation diese Möglichkeit, beispielsweise aus finanziellen Gründen, nicht haben. Damit dieses Wechselmodell funktioniert, müssen die Eltern ihre Arbeitszeiten so einteilen, dass sie in der einen Woche, wo wir bei ihnen sind, so wenig wie möglich arbeiten, um mit uns Zeit zu verbringen und um ihre Aufsichtspflicht nicht zu verletzen. Das kann in manchen Familien Probleme mit sich bringen und daher ist dieses Modell nicht selbstverständlich.

Andererseits darf man nicht vergessen, dass dieses Wechselmodell für die Kinder belastend ist. In meinem Fall wohnen meine Eltern zwar nur 15 Minuten voneinander entfernt. Allerdings der Wechsel von dem einen Elternteil zum anderen ist in den meisten Fällen eine Stresssituation für uns, weil sich immer die Frage stellt, ob man sicher nichts wichtiges liegen gelassen hat. Außerdem ist eine Woche meistens zu kurz um sich am anderen Wohnort einzuleben und sich an die anderen Umstände, wie beispielsweise das frühere Aufstehen, zu gewöhnen.

Scheidung als Chance?

Trotz der vielen und großen Herausforderungen bietet eine Scheidung oft auch die Möglichkeit eines Neuanfangs für Eltern sowie auch für Kinder. Viele Paare berichten, dass sie nach der Trennung eine bessere Basis für Kommunikation und Zusammenarbeit gefunden haben. Auch die Kinder können oftmals langfristig davon profitieren, wenn sie erleben, dass Konflikte respektvoll gelöst werden können und dass sich die Menschen, die ihre Vorbilder sind, trotz vieler Vorfälle noch in die Augen sehen können.

Beispielsweise berichten Anna und Thomas, die sich nach 15 scheiden ließen, dass die Trennung zwar schmerzhaft war, aber im Endeffekt das Richtige für alle. Sie würden sich heute besser verstehen als zuvor und die Kinder profitieren von klaren Regeln und stabilen Strukturen.

Natürlich gibt es Chancen sowohl für Kinder als auch für Erwachsene, dass eine Trennung positiv und erfolgreich sein kann. Darüber kann ich aus meiner eigenen Erfahrung sprechen. Vor allem das Verhältnis zwischen meinen Geschwistern und mir hat sich um einiges gebessert und wir können als Team sehr gut zusammenhalten. Früher haben wir uns oft gestritten, aber seitdem meine Eltern geschieden sind und wir jede Woche unseren Wohnort wechseln, sind die einzigen konstanten Menschen in meinem Leben meine Geschwister.

Auch die Bindung zwischen meinen Eltern und mir hat sich verbessert und wir können uns auf einer vertrauten und tiefen Ebene unterhalten. Da ich älter bin als meine Geschwister, sind meine Interessen dementsprechend anders und dies erfordert gute Kommunikation zwischen meinen Eltern und mir.

Ich hatte die Möglichkeit, meine Freunde, die in der Nähe des neuen Wohnorts meines Vaters leben, regelmäßig zu sehen, sowie auch weiterhin mich mit denen zu treffen, mit denen ich aufgewachsen bin. Ich konnte neue Kontakte knüpfen und neue Freundschaften, alleine durch meine Busfahrt, die sich ab dem Zeitpunkt der Scheidung geändert hatte, zu finden. 

Politische und gesellschaftliche Perspektiven

In Österreich haben wir das Glück, dass die Politik getrennte Eltern durch verschiedene Maßnahmen, wie durch Familienbeihilfen, steuerliche Erleichterung für Alleinerziehende und psychologische Beratungsangebote, unterstützt. Allerdings wird der Ruf nach mehr Mediation und flexibleren Betreuungsmodellen immer lauter. 

Nach einer Scheidung benötigen die meisten eine mentale und psychologische Unterstützung von Außenstehenden, um ihre Erfahrung zu verarbeiten. Auch hier kann ich aus eigener Erfahrung sprechen. Nach der Scheidung, gab es eine Zeit für mich, in der es mir nicht besonders gut ging. Die Schule hat gefordert, ich hatte einen neuen Wohnort, an den ich mich gewöhnen musste. Ich musste mich generell an die neue Gesamtsituation gewöhnen und meine Eltern haben über uns Geschwister ihren Konflikt ausgetragen.

Zusätzlich kamen auf mich als große Schwester noch Belastungen hinzu, wie zum Beispiel, dass meine Geschwister und ich auch viele Gespräche miteinander hatten, in denen Anliegen besprochen wurden und die ich versuchte, in die Realität umzusetzen. In dieser Zeit hatte ich mehrere Stunden bei einem Psychotherapeuten, der mir persönlich sehr gut aus der Situation geholfen hat, in dem ich meine Gedanken sortieren konnte und wieder mehr positive Sachen am Leben sehe.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen, dass Scheidungen in Österreich längst kein Tabuthema mehr sind, sondern eher ein Teil einer wandelnden Gesellschaft. Obwohl sie mit emotionalen und rechtlichen Herausforderungen verbunden sind, bieten sie auch eine Chance, Konflikte hinter sich zu lassen und neue Lebenswege zu beschreiten. Entscheidend dafür ist, dass alle Beteiligten, vor allem die Kinder, in den Prozess miteinbezogen werden und dass auf die Bedürfnisse aller Rücksicht genommen wird. Letztendlich geht es darum, eine familiäre Atmosphäre zu schaffen, die trotz einer schweren Trennung Stabilität und Sicherheit bietet.

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