
Social-Media-Mogule wie Mark Zuckerberg oder Elon Musk wirken wie exklusive Phänomene unseres digitalen Zeitalters. Allein durch die schiere Reichweite ihrer Plattformen dominieren sie den globalen Fluss von Informationen. Ihre sozialen Netzwerke verzeichnen täglich hunderte Millionen aktive Nutzer. Derartige Macht und Einfluss blieben in der Menschheitsgeschichte bisher unerreicht. Das Prinzip, das hinter ihnen wirkt, ist jedoch so alt wie die Zivilisation selbst.
Wer das Narrativ kontrolliert, das uns die Welt erzählt, übt unweigerlich Macht aus. Ein Grundsatz, der sich seit dem Altertum nicht verändert hat. Die Erfindung des Buchdrucks 1440 versetzte diesem Jahrtausende altem Prinzip eine neue, bis dahin ungekannte Dynamik. In der Wucht seiner gesellschaftlichen Umwälzung war der Buchdruck mit der Digitalisierung vergleichbar.
Innerhalb weniger Jahrhunderte entwickelte sich ein eigener Wirtschaftszweig, der Informationen zur Massenware machte. Begrenzten sich die ersten Vorläufer der Tageszeitungen noch auf einige Dutzend bis hunderte Exemplare pro Ausgabe, so trieben die Errungenschaften der industriellen Revolution die Auflagenzahlen im 19. Jahrhundert in Millionenhöhe.
Einer der ersten Unternehmer, die diesen Hebel erkannten und bedienten, war der US-amerikanische Zeitungsverleger William Randolph Hearst. Am Höhepunkt seiner Macht umfasste sein Medienimperium 28 Zeitungen, 18 Zeitschriften, mehrere Radiosender sowie das Cosmopolitan Filmstudio. Seine Methoden waren radikal und sein Einfluss auf das öffentliche Meinungsbild enorm.
Zu einer Zeit, in der die Presse die primäre Quelle für Nachrichten war, lasen zwischen 10 Prozent und einem Drittel der Amerikanerinnen und Amerikaner Zeitungen aus dem Hause Hearst. Der „Chief“, wie ihn seine Angestellten nannten, verstand es, Nachrichten nicht nur als Gut, sondern auch als Waffe zu verwenden. Seine Blätter zeichneten sich durch eine Mischung aus Sensationsjournalismus, politischen Kampagnen und gezielter Meinungsmache aus.
Der 1941 von Orson Welles gedrehte Kinoklassiker Citizen Kane, war stark vom Werdegang Hearsts inspiriert und trug bereits zu dessen Lebzeiten zur Legendenbildung bei. (Foto: APA-PictureDesk, Everett Collection.)
Bereits zu Lebzeiten wuchs die öffentliche Figur Hearsts zu mythischen Größen heran, deren wahrer gesellschaftlicher Einfluss bis heute umstritten ist. Im Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 spielte Hearsts Medienimperium eine zentrale Rolle. Durch reißerische Berichterstattung ohne Rücksicht auf Fakten heizte er die Stimmung in den USA an und war mitverantwortlich für deren Kriegseintritt. „You furnish the pictures. I’ll furnish the war“ („Du lieferst die Bilder. Ich liefere den Krieg“), ist eine vielfach zitierte Antwort, die Hearst einem seiner Korrespondenten angeblich telegrafierte. Der Krieg steigerte die Absatzzahlen seiner Zeitungen in die Millionen.
Ähnlich wie gegenwärtige Social-Media-Tycoons verstand auch Hearst es, sich öffentlich zu inszenieren und sich selbst zum Teil des Nachrichtengeschehens zu machen. Die Parallelen zwischen ihm und Charakteren wie Mark Zuckerberg oder Elon Musk sind unübersehbar.
Wie sie kontrollierte er Plattformen, die täglich ein Massenpublikum erreichten. Ähnlich wie Zuckerberg oder Musk versuchte Hearst durch direkte als auch subversive Mittel das innenpolitische Klima im Land zu beeinflussen. Vergleichbar mit dem Boulevard-Journalismus fokussieren sich auch Social-Media-Plattformen verstärkt auf Unterhaltung, wodurch manipulierende Effekte wie Emotionalisierung und Polarisierung erschwert wahrnehmbar sind. Steuern heute die Algorithmen sozialer Medien die Reichweite und die Sichtbarkeit bestimmter Inhalte, so geschah dies zu Hearsts Zeiten noch auf analoge Weise.
Mit seinen Blättern bot der „Chief“ regelmäßig den Politikern seiner Zeit eine öffentliche Bühne, vergleichbar mit Elon Musks politischen Einmischungen in und außerhalb der USA. Zu Hearsts Gastkommentatoren zählten neben Winston Churchill auch Benito Mussolini, Adolf Hitler oder Hermann Göring. Das hauseigene Filmstudio produzierte zudem den Film Gabriel Over the White House, in dem der US-Präsident nach einem Nahtoderlebnis die Vereinigten Staaten zu einer de facto Diktatur umgestaltet.
Hearsts Liebäugelei mit dem Faschismus endete 1938, als er von den Novemberpogromen im Deutschen Reich 1938 erfuhr. Seine Zeitungen gehörten zu den ersten, die über den Holocaust berichteten. Dennoch verfestigte sich Hearsts konservativer Kurs über die Jahre. Der starke antisozialistische und antikommunistische Kurs, der später in der McCarthy-Ära seinen Höhepunkt fand, wurde nicht zuletzt durch Hearsts Wirken begründet.
Hearsts Macht war nicht nur ein Produkt seiner Zeit, sondern der Beginn eines Trends, der bis heute anhält. Sei es ein Rupert Murdoch, der einstige Inhaber des berüchtigten Boulevardblatts The Sun und Leiter der Fox Corporation oder ein Mark Zuckerberg, dem Gründer von Facebook. Hearst lieferte die Blaupause für alle nachfolgenden großen Medienmonopolisten.
Hearsts Privatschloss übertrifft sogar den Prunk von Donald Trump. Das opulente Anwesen, das teils aus Europa importierten Kloster- und Renaissancebauten besteht, beherbergt noch heute den weltweit größten Privatzoo. (Foto: Shutterstock.)
Dort wo Hearst letztlich scheiterte, sollte die neue Generation der US-amerikanischer Medienmogule Erfolg haben. Der Zeitungsverleger versuchte mehrmals für politische Ämter zu kandidieren, mit mäßigem Erfolg. Zwar schaffte er zweimal den Einzug ins US-Repräsentantenhaus als Mitglied der Demokraten, doch blieb ihm sein Wunsch, US-Präsident zu werden, verwehrt. Heute hat insbesondere Elon Musk einen Fuß in der Tür des Weißen Hauses. Als Sonderberater von US-Präsident Trump gestaltet der Inhaber von X (vormals Twitter) die Gesellschaft aktiv mit.
Eine wesentliche Weiterentwicklung in der medialen Machtausübung liegt in der digitalen Transformation und der fortschreitenden Globalisierung. Durch Plattformen wie Facebook, Instagram, YouTube oder X lassen sich Narrative schneller denn je verbreiten. Begrenzte sich Hearsts Macht größtenteils auf die USA, so nimmt der Einfluss einzelner Milliardäre zunehmend globale Ausmaße an. Mark Zuckerberg erreicht mit Facebook mehr als ein Drittel der Menschheit.
Zuckerberg scheint sich in der Rolle des Medienmoguls zu gefallen. In Anlehnung an das Cäsar-Zitat „Aut Caesar aut nihil“, zu deutsch, „Entweder Kaiser oder gar nichts“, präsentierte sich Zuckerberg zuletzt in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Aut Zuck aut nihil.“
Die Zeichen der Zeit sind klar. Als aufgeklärte Gesellschaft stehen wir mehr denn je in der Verantwortung die Medienmogule unserer Zeit und ihre globale Macht zu hinterfragen.
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