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Orbán unter Druck: Ungarns System beginnt zu wanken

Ein Oppositionspolitiker mobilisiert Zehntausende, in Brüssel wankt das ungarische Vetorecht, und selbst treue Anhänger stellen unbequeme Fragen. Während Orbán jahrelang das System auf seine Macht zugeschnitten hat, formiert sich nun Widerstand – entschlossen, laut und überraschend stark. Steht das politische Modell des Dauerpremiers vor einem Wendepunkt?
Lilien Márton  •  4. April 2025 Volontärin    Sterne  10
Viktor Orbán: (Foto: APA picturedesk)
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Seit Jahren treibt Viktor Orbán den Umbau Ungarns nach seinem politischen Modell voran. Seine Regierung schwächte kritische Medien, reformierte die Justiz und veränderte die Wahlsysteme zugunsten der eigenen Partei. Im Jahr 2025 erstarkt der Widerstand – sowohl innerhalb Ungarns als auch in der Europäischen Union. Peter Magyar, ein ehemaliger Fidesz-Insider, tritt als ernstzunehmender Oppositionspolitiker auf und stellt das bisherige System offen infrage. Gleichzeitig diskutieren europäische Institutionen über Wege, um Ungarns Blockadepolitik einzudämmen. Während rechte Parteien in Europa weiterhin Orbáns Kurs feiern, mehren sich die Anzeichen, dass sein politisches Modell unter Druck gerät.

Widerstand in Ungarn: Ein Herausforderer formiert sich

Orbán und seine Partei Fidesz haben das politische System Ungarns in den vergangenen Jahren systematisch umgestaltet. Regierungstreue Investoren übernahmen kritische Medien oder setzten sie wirtschaftlich unter Druck. Fidesz verschaffte sich durch gezielte Änderungen im Wahlsystem strukturelle Vorteile. Die Opposition blieb gespalten und kämpfte mit ungleichen Bedingungen.

Doch 2025 betritt mit Peter Magyar eine neue Figur die politische Bühne. Der Jurist und ehemalige Fidesz-Funktionär prangert Korruption, wirtschaftliche Missstände und die zunehmende Entfremdung von der Europäischen Union an. Mit seinen Auftritten füllt er Plätze in ungarischen Städten. Bilder von zehntausenden Menschen auf den Straßen wecken Erinnerungen an frühere politische Umbrüche.

Ob Magyar langfristig zur ernsthaften Bedrohung für Orbán wird, bleibt offen. Frühere Oppositionsbündnisse konnten dem Regierungsapparat wenig entgegensetzen. Doch Magyars rasanter Aufstieg zeigt deutlich: Viele Bürgerinnen und Bürger sind unzufrieden. Die Regierung muss diesen Unmut ernst nehmen.

Die EU erhöht den Druck auf Orbán

Auch auf internationaler Ebene verstärken europäische Partner den Druck auf die ungarische Regierung. Die Europäische Union setzte bereits in den vergangenen Jahren mehrere Maßnahmen gegen Verstöße im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Demokratie um. Seit 2022 fließen Milliarden an Fördergeldern nicht mehr nach Budapest, weil Orbáns Regierung zentrale Vorgaben zur Korruptionsbekämpfung nur unzureichend umsetzt.

Im Jahr 2025 rückt nun das ungarische Vetorecht stärker in den Fokus. Orbán blockierte mehrfach wichtige Entscheidungen, insbesondere in der gemeinsamen Außenpolitik. Mehrere Mitgliedstaaten drängen auf eine Reform der Einstimmigkeitsregel. Sie wollen künftig Beschlüsse auch gegen den Willen einzelner Regierungen durchsetzen, insbesondere bei Sanktionen und Haushaltsentscheidungen. Sollte die EU dieses Vorhaben umsetzen, verliert Ungarn einen Teil seines Einflusses innerhalb der Union.

Internationale Strahlkraft auf rechte Parteien

Trotz der innen- und außenpolitischen Herausforderungen bleibt Viktor Orbán ein Vorbild für viele rechte Parteien in Europa. Die österreichische FPÖ unter Herbert Kickl übernimmt zentrale Elemente seines Kurses, etwa in der Migrations- und Medienpolitik. Auch Geert Wilders in den Niederlanden und Teile der deutschen AfD äußern sich regelmäßig wohlwollend über Ungarns Regierungsstil.

Im Jahr 2024 gründeten Fidesz, die FPÖ und weitere rechtskonservative Parteien die Allianz „Patrioten für Europa“. Diese neue Gruppe im Europäischen Parlament verfolgt das Ziel, politischen Einfluss auszubauen und europäische Entscheidungsprozesse nach nationalkonservativen Vorstellungen zu prägen. Unklar bleibt, ob Orbán diese Führungsrolle weiterhin ausfüllen kann, wenn er im eigenen Land an Rückhalt verliert.

Ein Wendepunkt für Ungarns politische Zukunft?

Viktor Orbán hat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass er politische Krisen überstehen kann. Doch 2025 konfrontieren ihn gleich zwei zentrale Herausforderungen. Im eigenen Land gewinnt mit Peter Magyar ein neuer Gegenspieler an Einfluss, während die Europäische Union über Regeländerungen berät, die Orbáns Einfluss spürbar einschränken würden.

Ob diese Entwicklungen eine politische Wende einleiten oder ob Orbán seine Macht erneut festigen kann, entscheidet sich in den kommenden Monaten. Klar ist jedoch: Sein Modell einer „illiberalen Demokratie“ gerät zunehmend ins Wanken – in Ungarn ebenso wie in der EU.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projektes „Die Paris-Lodron-Universität Salzburg macht Journalismus“.
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