Wien | Gesundheit | Meinung | Chronik | Kultur | Umwelt | Wirtschaft | Politik | Panorama
WirtschaftÖsterreichFakten

Wie „Die ganze Woche“ der Printkrise trotzt

Es duftet nach Kaffee, daneben ein frisches Kipferl und Die ganze Woche. So sieht die Frühstücksroutine bei vielen Österreichern 50 plus aus. Die Ilustrierte behauptet sich seit mehr als vierzig Jahren in der schrumpfenden Printlandschaft. Ohne Presseförderung, mit nur 180 Followern auf Instagram und letztem Post im Jahr 2014, erreicht sie dennoch mehr als über eine halbe Million Leser. Was ist ihr Erfolgsrezept?
Julia Ehrensberger  •  27. April 2025 Redakteurin    Sterne  174
Die ganze Woche lehnt seit 2020 Presseförderungen aus Prinzip ab. (Foto: privat)
X / Twitter Facebook WhatsApp LinkedIn Kopieren

Die ganze Woche erscheint seit 1985 und ist mit wöchentlich 300.000 verkauften Exemplaren die auflagenstärkste Wochenzeitung Österreichs. Mit 650.000 Lesern pro Ausgabe ist sie fast so reichweitenstark wie News, Profil und Falter zusammen. Chefredakteur Burkhard Trummer, der ein Interview mit campus a ablehnte, lenkt das Blatt seit Jahren und macht dabei offenbar einiges richtig. „Das Erfolgsgeheimnis liegt in der klaren Positionierung als unterhaltendes, serviceorientiertes und leicht konsumierbares Wochenmagazin für eine breite Zielgruppe“, meint der Medienmanager und -berater Markus Posset.

Interne Quellen bestätigen: „Burkhard Trummer ist Vollblutjournalist, kommt aus der Steiermark und hat ein sehr gutes Gefühl für Geschichten. Er hat Rückgrat und ist unbestechlich, das ist wirklich selten im Journalismus. Er ist ein Mensch mit Hausverstand.“ Ebenfalls greife Die ganze Woche Themen für die breite Masse auf und „sie wollen, dass die Leute wissen, was im Land schiefläuft. Sie legen den Finger dorthin, wo es Probleme gibt.“

Markus Posset erklärt: „Die Mischung aus People-Storys, Service, Alltagstipps und Geschichten aus dem echten Leben spricht vor allem ältere Leser an, die Wert auf Kontinuität und Vertrautheit legen.“ Die ganze Woche habe eine Art Lagerfeuerfunktion im österreichischen Familienalltag, sie werde oft gemeinsam gelesen, weitergegeben und bleibe mehrere Tage präsent. Das Blatt trifft anscheinend seit Jahrzehnten das österreichische Lebensgefühl abseits urbaner Medienblasen.

Gründer war Kurt Falk, zuvor Hälfteeigentümer der Kronen Zeitung, der nach einem Zerwürfnis mit seinem Partner Hans Dichand seine Anteile verkaufte und damit über üppiges Startkapital für sein eigenes Wochenblatt verfügte. Nach Falks Tod 2005 übernahm sein Sohn Noah Falk die Leitung. Die Firmenzentrale liegt im 19. Wiener Bezirk, in der Heiligenstädterstraße 121 und laut internen Quellen „in einem wunderschönen, alten Haus mit Privatparkplatz, dass der Familie Falk gehört. Drinnen ist eine moderne Redaktion, die mit wenigen fixen und viel mit freien Journalisten arbeitet, deswegen haben sie auch geringe Personalkosten.“

Wer blättert?

Die Leserschaft der ganzen Woche ist klar definiert, denn besonders beliebt ist sie bei älteren, bildungsferneren Menschen mit niedrigerem Einkommen. Überraschend dabei: Es gibt weder ein Stadt-Land-Gefälle noch eine Wien-Zentrierung und die Zeitung ist in allen Bundesländern nahezu gleich stark vertreten. 2024 lasen durchschnittlich 10,4 Prozent der Frauen und fünf Prozent der Männer in Österreich das Blatt.

Am Kiosk ist Die ganze Woche für 1,90 zu haben. Im Print- plus Digital-Halbjahresabo kostet sie 69 Euro monatlich, da ist dann einmalig ein Backformen-Set aus Silikon dabei. Ohne das Backset kostet das Abo 49 Euro. Vergleichsweise günstig liest, wer gleich ein ganzes Jahr abonniert. Dafür fallen 104 Euro an und eine praktische Einkaufstasche gibt es noch dazu. Das Digital-Abo kostet sieben Euro monatlich.

Unterschätzter politischer Einfluss

Die ganze Woche erreicht rund 12,9 Prozent der sechzig- bis 69-jährigen, die insgesamt etwa 2,3 Millionen Menschen in Österreich ausmachen und damit rund einem Drittel der wahlberechtigten Bevölkerung entsprechen. In der Zielgruppe der über Siebzigjährigen kommt sie sogar auf 24 Prozent. Auch die Inserate zeichnen das Bild einer klar umrissenen Zielgruppe. Gelenkstabletten, Probiotika und andere Gesundheitsprodukte dominieren die Anzeigen und weisen klar auf eine ältere Leserschaft hin.

Laut Medienprofi Markus Posset ist der politische Einfluss der ganzen Woche zwar subtil, aber besonders in ländlichen, konservativen Milieus nicht zu unterschätzen: „Gerade bei älteren Lesern hat Die ganze Woche durch Reichweite und Alltagsthemen eine unterschätzte Agenda-Setting-Funktion. Sie prägt, worüber diese Zielgruppe spricht, wie sie Politik wahrnimmt und welche Themen als wichtig empfindet. Explizite Wahlempfehlungen sind selten, aber die Auswahl der Geschichten und die zugrundeliegende Wertevermittlung beeinflussen Stimmungen und Stimmungsbilder in einer für Wahlausgänge relevanten Gruppe.“

Politische Themen behandelt Die ganze Woche wöchentlich mit Pro- und Kontra-Standpunkten, etwa beim umstrittenen Bau des Lobautunnels in Wien, den Leonore Gewessler (Grüne) 2021 stoppte. Hier diskutieren Klimaexpertin Jasmin Duregger (Greenpeace) und Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien, ihre Argumente im direkten Vergleich. Auch ausführliche Interviews mit Politikern sind enthalten, wie beispielsweise mit Heinz Christian Strache angesichts der bevorstehenden Gemeinderatswahlen in Wien.

Von Rätseln bis Haushaltstipps

Dabei setzt das Blatt inhaltlich auf eine vertraute Mischung. Promis, menschliche Schicksale, Tierschutz, Gesundheitstipps und Rezepte. Vier Doppelseiten mit Rätseln in der Heftmitte gehören auch in jeder Ausgabe zum festen Bestandteil und die Astrologin Elizabeth Teissier verfasst die wöchentlichen Horoskope. Zusätzlich erhalten die Leser das Fernsehprogrammheft “TV Dabei” mit Informationen zu 63 Sendern.

Je nach Saison kommen Beilagen wie Rezept-Sammelhefte hinzu und auch die Seite mit Tipps übers Kochen, Putzen und Schönheit, von der optimalen Nagelfeile bis zur Fettfleckenentfernung, wirkt wie ein Überbleibsel eines überholten Frauenbildes, das längst nicht mehr in die heutige Zeit passt.

Laut Posset unterschätzen urbane Medienleute und die politische Klasse, die ihre Zielgruppe nicht mehr erreichen kann, die Zeitung oft. Die ganze Woche präge Lebensrealitäten abseits der Städte und habe eine hohe Glaubwürdigkeit bei ihren Lesern. Gleichzeitig würde ihr Einfluss überschätzt werden, wenn es um kurzfristige politische Kampagnen geht, hier wäre sie kein „Kingmaker“ und würde als meinungsbildende Kraft überschätzt werden.

Unterhaltung mit Haltung

Trotz ihrer volkstümlichen Verpackung scheut sich die Redaktion nicht vor Haltung. So mischen sich in die weichgezeichnete Wochenrealität immer wieder kritische Zeilen zur EU und gleichzeitig ein überraschendes klares Ja zum Klimaschutz. 

Meinungsstark zeigen sich die regelmäßig erscheinenden Kolumnen. Die konservative Publizistin Gudula Walterskirchen, deren Positionen ebenfalls oft im Dunstkreis der FPÖ verortbar sind, steht hier Seite an Seite mit dem Verkehrsexperten und Autokritiker Hermann Knoflacher.

Wie guter Boulevard meistens, steht Die ganze Woche rechts der Mitte und schrammt mit ihren Themen gelegentlich an Verschwörungstheorien vorbei. Überschneidungen mit FPÖ-Narrativen sind erkennbar, auch wenn sie nicht parteipolitisch gewollt wirken. Sowohl bei den Blauen als auch in der Redaktion wissen die Spin-Doktoren, was beim Publikum ankommt.

Walterskirchen, ehemalige Herausgeberin der Niederösterreichischen Nachrichten, nutzt ihre Kolumne „Der ganz normale Wahnsinn“ etwa, um wiederholt Kritik an politischen Institutionen und internationalen Organisationen wie der WHO zu üben. Sie gilt als Kritikerin der Pandemiemaßnahmen und äußert sich mitunter aus einem elitenkritischen Blickwinkel, teils mit verschwörungsideologischen Narrativen.

Posset definiert Die ganze Woche als „Unterhaltung mit Haltung“, sie sei keine Kampfpresse, aber nehme doch sanften Einfluss durch Themensetzung und Tonalität: Die ganze Woche ist kein Meinungsmedium im klassischen Sinn. Sie mischt sich selten aktiv in politische Debatten ein und setzt kaum eigene politische Agenden. Gleichzeitig gibt es aber durchaus eine „Haltung“: soziale Wärme, Fairness, eine gewisse Österreich-zuerst-Attitüde, aber wenig Ideologie. Die politische Berichterstattung ist meist neutral bis konservativ, oft populistisch, aber ohne gezielte Parteinahme.“ Das redaktionelle Leitmotto lautet: „Kritisch gegenüber den Mächtigen. Hilfreich den Schwachen. Den Tatsachen verpflichtet“ und bringt auf den Punkt, wie die Redaktion der ganzen Woche tickt.

Eher Kuschelboulevard als Qualität

Doch beharrlicher Erfolg zieht auch Kritiker an. Medienexperten ordnen die ganze Woche zwar klar dem Boulevard zu, grenzen sie jedoch von extremeren Formaten wie Krone oder Heute ab. Denn Die ganze Woche setzt auf eine sehr österreichische, sanft-kuschlige Ansprache und behandelt Leser und Themen mit gewisser Wertschätzung. Der Ton bleibt zurückhaltend, die Berichterstattung vermeidet bewusst Skandalisierung. Enthüllungen spielen kaum eine Rolle, stattdessen prägen lebensnahe Geschichten und praktische Serviceinhalte das Bild. Politische Skandale greift die Redaktion selten auf, im Mittelpunkt stehen alltägliche Sorgen und persönliche Erlebnisse.

Die 85-jährige Tirolerin Anna Gmeiner (Name geändert) aus Tirol widerspricht: „Die ganze Woche bewegt sich zwischen Boulevard und Qualitätsmedium“, findet sie. Dennoch schätzen viele Leser gerade die Unaufgeregtheit der Berichterstattung. Für sie ist Die ganze Woche keine „Nachrichtenschleuder“, sondern eine Wochenlektüre zum Zurücklehnen mit einem klaren Fokus auf Unterhaltung. „Ich mag die Kochrezepte, die TV-Beilage, die Beiträge von Ärzten, Medikamentenwerbungen und die Schicksalsberichte besonders gern“, sagt Anna Gmeiner. „Das politische Für und Wider finde ich auch gut. Ich kaufe sie mir seit dreißig Jahren jede Woche. Ich sage immer: Die ganze Woche, die ganze Wahrheit.“

180 Follower auf Instagram

Der Niedergang der Printzeitungen macht auch vor der ganzen Woche nicht halt. Der Marktanteil ist zuletzt auf 8,5 Prozent gefallen, was ein historischer Tiefstand im Vergleich zu den 34,4 Prozent im Jahr 1990 ist. Doch dieser Trend betrifft die gesamte Branche, und dennoch bleibt Die ganze Woche die auflagen- und reichweitenstärkste Wochenzeitung des Landes. Das spricht weniger für ein Scheitern des Produkts, sondern vielmehr für die Stabilität und Loyalität ihrer Leser.

Das Blatt zeigt jedoch kaum Onlinepräsenz, abgesehen von der Website, auf der die Printinhalte zwar abrufbar sind, das Layout jedoch aus der Zeit gefallen wirkt und an ein Relikt aus den Anfangstagen des Internets erinnert. Auf sozialen Medien ist sie mit 180 Followern auf Instagram und letztem Post im Jahr 2014 so gut wie gar nicht vertreten.

Wie kommt es, dass sich das eine Zeitung heute noch erlauben kann? Posset sagt dazu: „Solange die Kernzielgruppe – Menschen über 60, besonders auf dem Land – analog bleibt, funktioniert das Modell. Es gibt jedoch eine natürliche Schrumpfung: Die nachrückende Generation konsumiert anders, ist online unterwegs und nutzt keine Wochenmagazine mehr. Sobald die heutige Hauptzielgruppe wegbricht, droht ein rapider Reichweiten- und Umsatzverlust. Das Modell trägt sich noch circa fünf Jahre, dann braucht es eine grundlegende Strategieanpassung.“

Gießkanne aus Prinzip abgelehnt

Im Jahr 2019 erhielt die Zeitung noch 86.492 Euro reguläre Presseförderung und hätte mit der Coronakrisenhilfe danach mehr als 200.000 Euro bekommen, doch in einem Interview mit dem Standard positioniert sich Noah Falk klar. Er hat den Antrag zur Förderung im Jahr 2020 abgelehnt und kritisierte das sogenannte „Gießkannenprinzip“ der Förderungen. Aus seiner Sicht sollten wirtschaftlich stabile Medienunternehmen nicht mit Subventionen bedacht werden, nur weil sie lange existieren. Die ganze Woche solle unabhängig bleiben.

Er wehrte sich damals zudem gegen die Bewertung journalistischer Qualität durch externe Fachleute und stellte infrage, ob öffentlich geförderte Medien automatisch moralisch höher zu bewerten seien. Laut der aktuellen Auflistung der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) hat Die ganze Woche tatsächlich seit 2020 keine weiteren Presseförderungen mehr beantragt.

Wie schafft es also Die ganze Woche wirtschaftlich stabil zu bleiben? Sie finanziert sich überwiegend durch den Verkaufsumsatz der Zeitung und Anzeigeneinnahmen, was ein ungewöhnliches Modell in der österreichischen Medienlandschaft ist. Dank der hohen Reichweite und der treuen Leserschaft bleiben die Abozahlen konstant. Mit einer schlanken Redaktion und der klaren Fokussierung auf ein einziges Produkt arbeitet das Medium besonders effizient. Laut internen Quellen bezahlt Die ganze Woche freie Journalisten jedoch überdurchschnittlich gut und spart bei teuren Investigativrecherchen. Die Entscheidung, keine Presseförderung in Anspruch zu nehmen, stützt das Image der Unabhängigkeit und lässt sich sogar als Vorteil in der Eigenvermarktung nutzen.

Beständig statt trendig

Wer erfahren möchte, wie Playboy-Ikone Pamela Anderson zum bescheidenen „Hausmütterchen“ mit eigenem Kochbuch wurde oder weshalb Prostata-Probleme die Ehe ins Wanken bringen können und was Frauen dagegen tun sollten, der ist bei der ganzen Woche richtig. Und wenn am Ende der Woche der Gugelhupf mit Silikon-Backset gelingt, hatten die treuen Leser bestimmt ihre Freude daran.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projektes „Die Paris-Lodron-Universität Salzburg macht Journalismus“.
Es ist ermöglicht mit freundlicher Unterstützung durch dm drogerie markt und Salzburg AG.

dm Salzburg AG
Das Ressort Wirtschaft ist ermöglicht mit freundlicher Unterstützung durch SPAR Österreich.
SPAR Österreich

campus a-Preis für Nachwuchsjournalismus

Werde Teil der campus a-Redaktion!

Verfasse auch du einen Beitrag auf campus a.

Empfehlungen für dich

Kommentar
0/1000 Zeichen
Advertisement