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Wie soziale Medien die Verabredungskultur beeinflussen

Sich immer alle Optionen offenhalten und nach dem Nächstbesseren Ausschau halten, um weiterhin dazuzugehören. Soziale Medien fördern die Unverbindlichkeit von Beziehungen und über allem steht FOMO, the fear of missing out.
Ivana Himmelreich  •  18. Mai 2025 Volontärin    Sterne  24
Nur nicht langweilig sein: Wenn das eigene Event scheinbar gewonnen ist, fängt der Stress erst richtig an. (Foto: Shutterstock)
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„Ich sag noch Bescheid wegen Freitag.“

„Da will ich mich noch nicht festlegen.“

„Mir ist leider etwas dazwischengekommen.“

Sich nicht festlegen wollen, sich den Abend freihalten, weil vielleicht doch etwas Spannenderes kommt, oder sogar ein Treffen absagen, weil ein anderes interessanter klingt: Das alles scheint ein Symptom einer Generation zu sein, die an dauerhafte Unterhaltung gewöhnt ist.

Langeweile gibt es nicht mehr. Zu jedem Zeitpunkt am Tag machen Netflix, YouTube, Instagram, diverse Nachrichtenseiten, Online-Magazine oder TikTok so viele Angebote, dass es mehrere Leben brauchen würde, um alles zu sichten. Ist eine Folge oder ein Reel langweilig, kann man einfach weiterswipen, oder das Ganze in doppelter Geschwindigkeit anschauen. Momente der vollkommenen Stille existieren kaum noch. Alle scheinen vor dieser Stille zu fliehen. Das Leuchten des Handys ist der letzte optische Eindruck vor dem Schlafengehen und der erste nach dem Aufstehen. Dieses Überangebot an Content beeinflusst auch unsere Art, uns zu verabreden. 

Lege dich nicht fest

Social Media lehrt: Lege dich nie fest, suche nach etwas Interessanterem, vielleicht liegt hinter dem nächsten Swipe ja das witzigste Video des Jahres. Social Media ist hektisch und unaufmerksam, immer darauf bedacht, so spannend, laut und bunt wie möglich zu sein. Das echte Leben kann da kaum mithalten. Besonders Pläne und Verabredungen scheinen unter diesem Phänomen zu leiden. Denn wer eine Verabredung fix zusagt, der kann später schlechter absagen, wenn doch etwas Spannenderes um die Ecke kommt.

So fallen im Vorfeld dann Sätze wie „Ich sage noch Bescheid“ oder „Ich komme spontan“, um ja nicht etwas zu verpassen. FOMO, also „the fear of missing out“ (die Angst, etwas zu verpassen), spielt da eine große Rolle. Wer mithalten will, wiegt Freundschaften und Verabredungen gegeneinander auf. Wer oder was ist interessanter, cooler, wo entstehen die besseren Fotos? 

Lieber seicht als fad

Wer selbst eine Verabredung initiiert, gerät so in eine Drucksituation. Für die anderen muss sie sich lohnen. Das Treffen muss also auch im Hinblick auf folgende Treffen durchgehend so unterhaltend und aufregend wie möglich sein. Der Konkurrenzkampf fängt also, wenn er schon gewonnen zu sein scheint, erst so richtig an. Genau wie auf TikTok: Ein virales Video bedeutet nicht, dass das nächste auch viral geht. Man darf nicht enttäuschen. 

Das Wichtigste geht verloren

Alltägliche Treffen ohne Ziel, einfach nur Zweisamkeit, tiefere und vielleicht sogar unangenehme Gespräche sind riskant. Wer will der Partygast sein, der andere, die lieber tanzen würden, mit einem Problem zulabert? Wer will dafür verantwortlich sein, dass andere FOMO haben? Die lustigste Story des Tages zu erzählen ist da sicherer als über diese eine tiefgehende Sache zu reden. 

Letztendlich kann den Kampf, nie langweilig zu sein und sich nie zu langweilen, niemand gewinnen. Denn etwas Spannenderes gibt es immer. Doch wer ständig danach sucht, verpasst vielleicht das Wichtigste.


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