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Warum die Rechten bald neue Feindbilder brauchen

Bloß die Grünen sind noch vorsichtig. Alle anderen Parteien treten inzwischen unverblümt für Abschottung und Abschiebung ein. Wenn das so weiter geht, braucht die FPÖ neue Konzepte, um sich abzugrenzen. Wie die aussehen, zeichnet sich bereits ab.
Katharina Bittner  •  20. Juni 2025 Volontärin    Sterne  40
Politiker aller Parteien inszenieren sich wie Peter Doskozil (SPÖ) in Sachen Migrationspolitik als die besseren Blauen. Die FPÖ muss sich deshalb in Sachen Feindbilder verbreitern. (Foto: HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com.)
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„Keine Asylanträge mehr auf europäischem Boden.“ Was wie ein Zitat von Herbert Kickl klingt, stammt tatsächlich von Hans Peter Doskozil, roter Landeshauptmann im Burgenland.

Wer dabei zusammenzuckt, hat den Trend erkannt. Positionen, die vor wenigen Jahren noch als rechtspopulistisch galten, sind salonfähig geworden.

Die Stimmung im Land hat sich verändert, in Österreich wie in vielen anderen Ländern Europas. Die Wähler wollen weniger Zuwanderung. Über Parteigrenzen hinweg. Parteien, die das ignorieren, verlieren Wahlen. Also reagieren Politiker aller Lager auf die veränderte gesellschaftliche Stimmungen und greifen migrationskritische Positionen auf. Doch wenn alle gegen Ausländer sind, was bleibt dann noch der FPÖ?

Klartext statt Komplexität

Feindbilder funktionieren. Sie bündeln Emotionen, schaffen ein klares Wir-Gefühl und geben Orientierung in unsicheren Zeiten. Rechtspopulismus lebt nicht von komplexen Konzepten, sondern von klaren Gegenspielern. Das Feindbild ersetzt oft die inhaltliche Tiefe. In Krisensituationen wie Krieg, Pandemie oder Inflation steigt die Attraktivität solcher Deutungsangebote. Sie bieten einfache Antworten auf schwer greifbare Ängste. Schuldzuweisungen ersetzen Selbstreflexion. Das hilft Parteien wie der FPÖ.

Alle gegen Ausländer. Und jetzt?

Wenn SPÖ und ÖVP migrationskritische Forderungen übernehmen, bestätigt das zunächst die FPÖ in ihrer Linie. Sie präsentiert sich weiter als das konsequente Original. Andere Parteien wirken wie verzögerte Kopien.

Als jüngstes Beispiel forderte Bundeskanzler Christian Stocker mehr Spielraum für Abschiebungen straffällig gewordener Ausländer. Die FPÖ unterstützte den Vorschlag, allerdings mit Seitenhieb. Die Europaabgeordnete Petra Steger warf der ÖVP vor, ihre Verantwortung auf die Gerichte abzuschieben, weil sie „selbst zu feige sei, eine klare politische Haltung zu beziehen“.

Zudem zeigen die gemäßigten Parteien bei dem Thema interne Bruchlinien. So etwa ist die SPÖ ist in der Migrationspolitik nicht mehr einheitlich. Hans Peter Doskozil sprach sich offen für Koalitionen mit der FPÖ aus. Aber auch der „Masterplan zu Asyl, Migration und Integration“ von Parteichef Andreas Babler setzt auf Verfahren an den EU-Außengrenzen, Rückführungsabkommen und eine Reduktion unrechtmäßiger Aufenthalte.

Doch je mehr die Mitte nachzieht, desto schwerer fällt es der FPÖ, sich abzugrenzen. Sie verliert Kontur, weil andere ihre zentralen Forderungen übernehmen. Das Erfolgsmodell wird zum Mainstream.

Neue, alte Feindbilder

Rechtspopulisten verpacken deshalb alte Feindbilder neu, emotionalisieren sie und passen sie aktuellen Debatten an. „Feindbilder sind im Prinzip austauschbar“, sagt Sabine Haring-Mosbacher, Soziologin an der Universität Graz. Entscheidend sei, dass sie emotional anschlussfähig sind und bestehende Unsicherheiten oder Ressentiments verstärken.

 Haring-Mosbacher hat beobachtet, dass rechtspopulistische Akteure bei schwindender Abgrenzung zu anderen Parteien neue Konfliktlinien suchen. „Die FPÖ entwickelt keine originären Themen. Sie greift vorhandene Spannungen auf und emotionalisiert sie.“

Kulturkampf statt Inhalt

Die neuen Feindbilder der Rechten sind neben den Medien ganz allgemein die „Eliten“ sowie Genderpolitik, Frauenförderung und trans Menschen als Symbolen eines angeblichen Werteverfalls. Wer sich gegen den „Genderwahn“ stellt, spricht für das „normale Volk“. Damit trifft die FPÖ einen Nerv. Denn eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung lehnt den sogenannten Gender-Hype ab.

 Antisemitische Codes in neuer Verpackung

Gefährlich wird auch das Wiedererstarken antisemitischer Erzählungen. In der aktuellen Weltlage verschwimmen die Grenzen zwischen berechtigter Kritik an Israels Politik und klassischen antisemitischen Stereotypen. Begriffe wie „globalistische Eliten“ oder „internationale Finanzmacht“ knüpfen dabei an tradierte antisemitische Bilder an, auch wenn sie nicht offen benannt werden. Diese Muster reichen weit über rechtsextreme Milieus hinaus. Auch junge Menschen übernehmen diese Erzählungen. Oft informell über soziale Medien wie TikTok oder Instagram, wo Rechtspopulisten besonders präsent sind.

Der rechtspopulistische Werkzeugkasten bleibt offen

Alle rechten Parteien weiten derzeit ihre Feindbilder aus. Auch die deutsche AfD ist da keine Ausnahme. Das hat einen guten Grund: Wo klassische Feindbilder zur Massenware werden, müssen neue Reizthemen her oder die alten müssen noch schriller verpackt werden.

 In Deutschland zeigt gerade Kanzler Friedrich Merz, wie das funktionieren kann. Er fordert, Asylverfahren komplett in Drittstaaten auszulagern. Diese Position vertrat bislang vor allem die AfD. Doch als Kanzler erhält Merz mehr Aufmerksamkeit als die AfD für ihre deutlich giftigeren Kommentare.

Rechtspopulisten setzen auf emotionale Aufladung statt auf politische Konzepte. Solange es gesellschaftliche Spannungen gibt, wird es Akteure geben, die diese zuspitzen und personalisieren. Und solange die politische Mitte keine glaubwürdigen Gegenentwürfe bietet, bleibt dieses Feld offen.


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