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Der Kampf ums finanzielle Überleben im Profitennis

Das Rasen-Tournier Wimbledon begeistert auch heuer wieder sein Publikum auf der ganzen Welt. Doch der Eindruck, Talent und hartes Training würden reichen, um gut von dem Sport leben zu können, trügt. Wer sich die besten Trainer, das effizienteste Equipment und regelmäßige Physiotherapie leisten kann, hat die besseren Chancen.
Kiki Camilla Manig  •  27. Juni 2025 Redakteurin    Sterne  114
Jürgen Melzer und Aleyander Peya jubeln über ihren Sieg im Doppel gegen Andy und Jamie Murray im Rahmen der Olympischen Spiele 2012 in Wimbledon, London am Samstag, 28. Juli 2012 (Foto: APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER)
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Serena Williams, Novak Djokovic und Coco Gauff haben, neben ihrem Erfolg im Tennis, gemeinsam, dass ihre Karriere beinahe an fehlenden finanziellen Mitteln gescheitert wäre. Der Weg zum professionellen Tennis ist nicht günstig. Ein junges Talent ohne Namen oder einflussreich Bekannte, muss vorerst alles aus eigener Tasche zahlen. Viele Einsteiger müssen deshalb bereits im Kindesalter entscheiden, ob sie den riskanten Weg des Profisports weitergehen oder einen „sicheren“ Beruf wählen.

Finanzierung durch Sponsoren

Gemeinsam mit renommierten Akademien und Verbänden wie dem ÖTV(Österreichischer Tennisverband) oder dem DTB (Deutscher Tennis Bund)versuchen Sponsoren, frühzeitig Talente zu erkennen, um Kontakte zu Ausrüstern und Förderprogrammen zu vermitteln.

„Ich stamme nicht aus einem reichen Haus, darum haben meine Eltern viel geopfert für meine Karriere“, sagt Jürgen Melzer, österreichischer Ex-Profi-Tennisspieler. 

Seine Eltern mussten sparen und versuchten, Sponsoren aufzutreiben. Dafür sind einige Familienurlaube ausgefallen. 

Um die Aufmerksamkeit von Sponsoren zu gewinnen, gibt es verschiedene Strategien. Dabei spielen Turniererfolge, Medienpräsenz und Kontakte zu Verbänden eine Rolle. Marken wie Nike, Adidas, Wilson und Babolat haben Talentscouts, die Turniere besuchen oder mit Trainern zusammenarbeiten. Je besser die Performance, desto wahrscheinlicher ein Sponsorenvertrag. Ebenfalls möglich ist ein aktiver Instagram-, TikTok– oder YouTube-Account, der Trainings- und Matchinhalte zeigt. Das könnte das Interesse von Lifestyle- und Sportmarken auf sich ziehen und ist für viele die letzte Hoffnung. „Im besten Fall wird man vom Landesverband entdeckt aber ein gewisses Geld muss vorhanden sein, um auf den richtigen Weg zu kommen“, sagt Melzer.

Jene Talente, die nicht entdeckt werden und das Geld nicht auftreiben können, fallen durch den Rost.  

Wie viel kostet Profitennis?

Die Anreise zu den Turnieren stellt die erste Hürde dar. Während zahlungskräftige Athleten bequem mit dem Privatjet anreisen, um anschließend in luxuriösen 5-Sterne-Hotels einzuchecken und sich à la carte zu stärken, nehmen andere stundenlange Zugfahrten in Kauf. An Schlaf oder Komfort ist dabei kaum zu denken, bevor der nächste kräftezehrende Spieltag ansteht. Erholung ist essenziell, um konzentriert und fit auf dem Platz zu performen. Hier beginnt das Ungleichgewicht zwischen der unteren und der oberen Einkommensschicht. 

Auf dem Tennisplatz setzt sich das fort. Wer das nötige Budget mitbringt, spielt mit hochwertigen, individuell besaiteten Schlägern, trägt perfekt passende Schuhe mit optimalem Grip und lässt sich von einem persönlichen Trainer betreuen. Schweißbänder, Basecaps und atmungsaktive Kleidung sind kleine, essenzielle Details. 

Bevor die Spieler schließlich das Match antreten können, fällt eine Startgebühr an. Damit gehen sie bereits mit Minus aufs Spielfeld und bei einer Niederlage büßen sie Geld ein. Der Betrag, um in der LK (Leistungsklasse) mitzuspielen, ist relativ niedrig. Erwachsene zahlen 20 Euro pro Kalenderjahr, Jugendliche unter 18 nur zehn Euro. Tennisturniere der ITF (International Tennis Federation) in Österreich erfordern eine gültige IPIN-Mitgliedschaft (International Player Identification Number). Die Kosten dafür betragen 75 US-Dollar im Jahr. Für ITF-Jugendturniere Turniere können Kosten von 40 US-Dollar anfallen. Andere Turniere haben individuelle Regelungen und diese Beträge summieren sich. Wer Geld hat, kann mehr Turniere spielen, mehr Erfahrungen sammeln und in der Rangliste aufsteigen.

Sobald der Profi-Status erreicht ist, fällt die Gebühr weg. Grand‑Slam‑Turniere, inklusive Wimbledon, verlangen keine Teilnahmegebühr. Das steht im ITF-Reglement. Das ist insoferne paradox, als Profis, die auf diesem Niveau spielen, Antritssgebühren locker zahlen könnten. Hochrangige Turniere decken ihre Einnahmen durch Streaming und Sponsoren.

Ist Tennis ein Sport der Reichen?

„Vor 50 Jahren war Tennis als Sport der Reichen noch ein Thema aber inzwischen ist es weniger elitär geworden“, meint Melzer. 

Das Klischee von Spielern, die mit dem Porsche vorfahren, in weißen Sneakern den Platz betreten und sich erst mal die Haare richten, bevor sie den Schläger aus der Louis-Vuitton-Tasche ziehen, ist veraltet aber noch präsent. Kann der Sport selbst, trotz allem, das Sprungbrett in einen besseren Lebensstil sein? 

„Spielerinnen und Spieler, die etwa auf Rang 225 der ATP- oder WTA-Weltrangliste stehen, können an Grand-Slam-Qualifikationsturnieren teilnehmen und in der Bundesliga aktiv sein, was gut zum Überleben reicht“, sagt Melzer. 

In den vergangenen zehn Jahren sind die Preisgelder bei klassischen Turnieren zwar deutlich gestiegen, doch wirklich luxuriös leben lässt es sich erst ab Rang 104 der Weltrangliste im Finale großer Turniere.

Das spezielle Förderprogramm Baseline sorgt dafür, dass Spieler auf den Rängen 250 bis 101 ein garantiertes Mindesteinkommen von 75.000 US-Dollar pro Jahr erhalten. Dieses Programm gilt allerdings nur für Herren. Inzwischen erhalten bei den Grand-Slam-Turnieren Männer und Frauen gleich hohe Preisgelder, was eine wichtige Veränderung in der Tenniswelt darstellt. 

Die Profi-Tennisspielerin und Gründerin der Top-Tennis-Vienna Akademie, Victoria Kan, spricht offen aus, was viele Profis denken: „Es ist ein Business. Wer sich den Sport leisten kann, bleibt dabei. Wer nicht, gibt auf.“

Während Tennisverbände Millionen in Prestigeprojekte und Showturniere investieren, bleibt die Basis oft sich selbst überlassen. Reformen werden von vielen Spielern gefordert, um den Sport für talentierte Spielerinnen und Spieler zugänglicher zu machen. Ohne finanzielle Rückendeckung bleibt der Tennistraum für viele unerreichbar. 

Das Gefühl nach dem Sieg

„Als ich anfing, Turniere zu gewinnen, wurde ich sehr hungrig. Ich wollte mehr und wurde in der Tenniswelt berühmt und fand meinen Namen in den Nachrichten“, erzählt Kan. 

Als sie in Scharm El-Scheich das größte Turnier ihrer Karriere mit 75.000 Dollar Preisgeld gewann, war sie 18 Jahre alt und schaffte den Sprung in die Top 170 der Welt.

Der erste große Sieg bleibt für immer in Erinnerung. Er markiert den Punkt, an dem all die harten Trainingsstunden, schmerzenden Verletzungen und strapazierten Nerven einen Sinn finden. Eine Euphorie, die viel zu schnell ausnüchtert. „Meine Freude hielt zwei Tage an, dann ging es direkt zum nächsten Turnier“, erzählt Melzer. 

Tennis ist nicht wie bei Olympia-Athleten, die ewig auf diesen einen entscheidenden Moment hinarbeiten und ihn anschließend genüsslich in Gedanken Revue passieren lassen. Im Tennis geht es von Turnier zu Turnier. Mal ein gutes Spiel, mal ein schlechtes. 

„Tennis ist ein Spiel. Es muss gespielt werden aber mit der nötigen Ernsthaftigkeit“, ist das Motto von Jürgen Melzer, das ihn bis zum Sieg im Doppel 2010 in Wimbledon und 2011 bei den US Open anspornte.

Der Ausbildungsplatz dieser Autorin in der campus a Akademie für Journalismus ist ermöglicht mit freundlicher Unterstützung durch Deichmann.
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