
Dank Werbeverboten, Schockbildern und Aufklärungskampagnen werden die Raucher in Österreich seit Jahren weniger. Dafür steigt die Zahl der Übergewichtigen, die ihre Gesundheitsrisiken oft unterschätzen. Die Wahrscheinlichkeit für Bluthochdruck, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Typ-2-Diabetes und Krebs steigt mit dem Body Mass Index (BMI). Beim Krebs sind vor allem Darm, Speiseröhre, Leber und Bauchspeicheldrüse betroffen. Laut WHO birgt Adipositas (Übergewicht ab einem BMI von 30) das größte vermeidbare Krebsrisiko nach Rauchen.
Weltweit sterben jährlich noch fast doppelt so viele Menschen an Zigaretten wie an Pommes, Burgern und Softdrinks. In den USA verschiebt sich das Verhältnis bereits. 480.000 Nikotin-Toten stehen 280.000 bis 325.000 Opfer von Übergewicht und Adipositas gegenüber. Der gleiche Trend zeigt sich in Europa. „Teilweise ist Adipositas sogar schlimmer als Rauchen“, sagt Endokrinologin Bianca-Karla Itariu von der Österreichischen Adipositas Gesellschaft. Dabei verweist sie auf eine Studie von PLOS Medicine aus dem Jahr 2014, der zufolge starkes Übergewicht die Lebensdauer stärker beeinflusst als Rauchen.
Menschen mit einem BMI von über vierzig verlieren zehn Lebensjahre. Bei Rauchern, die zwischen zehn und zwanzig Zigaretten am Tag konsumieren, sind es etwa acht Jahre. Wer besonders übergewichtig ist, verliert also mehr Lebensjahre als ein normalgewichtiger Langzeitraucher. Am schlimmsten ist aber die Kombination aus beidem. Ein fettleibiger Raucher lebt fünfzehn bis zwanzig Jahre weniger als ein normalgewichtiger Nichtraucher.
Bereits Menschen mit einem BMI von 30 bis 35, verlieren zwei bis vier Lebensjahre. Bei stark Übergewichtigen fallen auch mehr medizinische Behandlungen an. Das belastet das Gesundheitssystem und die Volkswirtschaft.
Übergewicht war in Österreich bis zu den 1990er Jahren kaum relevant. Inzwischen verursacht es fünf Prozent der nationalen Gesundheitsausgaben. Das sind 2,4 Milliarden Euro. Schwergewichtige senken das österreichische BIP also jährlich um 0,61 Prozent, Raucher um 0,7 Prozent. Angesichts der anrollenden Adipositas-Welle dürfte sich dieses Verhältnis bald umdrehen.
Rauchen erfuhr bis in die 1990er-Jahre breite gesellschaftliche Akzeptanz. Werbung und Popkultur inszenierten Zigaretten als „cool“, „männlich“ und „sexy“. Plakate und Werbespots hielten das Bild aufrecht. Die Industrie lobbyierte lange gegen die schädlichen Folgen.
Aufklärung setzte nur langsam ein. Ab den 1990er-Jahren gab es Werbeverbote, in den 2000er-Jahren startete die WHO mit internationaler Aufklärung, ab 2010 durften Trafiken Zigarettenschachteln nur noch mit Schockbildern verkaufen. Ein umfassendes Rauchverbot in der Gastronomie gibt es in Österreich erst seit 2019. Zwar hat die Regierung Maßnahmen nur schleppend gesetzt, sie zeigen aber Wirkung. Hat 1970 noch fast die Hälfte der Österreicher geraucht, war es 2023 nicht einmal mehr jeder Fünfte.
Um die Zahl der Übergewichtigen wie die der Raucher zu verringern, braucht es ähnlich restriktive politische Maßnahmen. Ein Anfang wären die Umsetzung der Zuckersteuer sowie eine transparente Kennzeichnung von Fertiggerichten oder Caramel-Frappuccinos mit Sahne. Die Österreichische Adipositasgesellschaft und die Wiener Ärztekammer nehmen das Bildungsministerium in die Pflicht. Sie fordern einen starken Ausbau von Ernährungs- und Bewegungsprogrammen zur Prävention.
Auch Endokrinologin Itariu sieht Bildung als einen Hebel. „Unwissenheit ist schädlicher als Adipositas und Rauchen zusammen“, sagt sie.
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