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Warum ich noch immer Fast Fashion kaufe

Ich weiß, dass Fast Fashion schlecht für die Umwelt ist. Ich weiß auch, dass viele Menschen unter der Produktion von Fast Fashion leiden. Das alles ist mir selbstverständlich nicht einfach egal. Fast Fashion ist wie ein toxischer Boyfriend, den ich einfach nicht loswerde.
Eva-Maria Ramsauer  •  24. Juli 2025 Volontärin    Sterne  58
Der Moderiese H&M bietet eine große Auswahl an günstiger Mode. Alle zwei Wochen landen neue Artikel in den Geschäften. Billig und schnell produzierte Mode die immer den aktuellsten Trends folgt. (Foto: Shutterstock)
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Fast Fashion. Ein Begriff, der bei vielen vermutlich immer noch Fragezeichen über dem Kopf erscheinen lässt. Und das, obwohl so gut wie jeder Fast Fashion trägt und einkauft. Gemeint ist damit jene Mode, die wir bei H&M, Zara, Bershka, Primark und anderen bekannten Modeketten kaufen können. Fast Fashion ist, wie der Name bereits verrät, schnelle Mode. Sie wird schnell und vor allem billig produziert. „Made in Austria“ findet sich hier also nicht, denn die Kleidung wird in Ländern mit niedrigen Produktionskosten und Arbeitsstandards produziert. Vorwiegend in Asien, also China, Bangladesch, Indien oder Vietnam. Dabei ist es Standard, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter, die unsere Kleidungsstücke zusammennähen, mit einem Stundenlohn von circa 1,30 Euro leben müssen. Unvorstellbar für uns im wohlstandgesegneten Österreich und trotzdem lieben wir die billige Mode.

Vergleich Slow Fashion versus Fast Fashion

Der Preis ist genau das, was Fast Fashion so populär macht und wieso auch ich sie kaufe, obwohl ich über ihre grauenvollen Hintergründe Bescheid weiß. Nehmen wir ein einfaches weißes Oversized T-Shirt für Frauen aus Baumwolle. Bei dem aus Österreich stammenden nachhaltigen Modelabel dariadéh werde ich mit diesem Wunsch durchaus fündig, jedoch kostet das T-Shirt hier 59 Euro. Suche ich beim Moderiesen H&M nach einem vergleichbaren Kleidungsstück, werde ich bereits für 7,99 Euro fündig. Welches würde ich dann wohl eher kaufen?

Dass das nachhaltig produzierte Shirt aus Bio-Baumwolle besteht, macht dabei vermutlich auch keinen Unterschied, denn die wenigsten wissen überhaupt, was Bio-Baumwolle von normaler Baumwolle unterscheidet. Ist doch eh alles Bio, kommt ja aus der Natur. Doch so einfach ist das leider nicht. Baumwolle wird vorwiegend in China, Indien, Pakistan und den USA angebaut. Doch der dauerhafte Anbau von Baumwolle laugt den Boden aus und lockt mit der Zeit immer mehr Schädlinge an, was wiederum den Einsatz von immer mehr Pestiziden erfordert. Besonders schlimm wird es dann, wenn die Schädlinge sich an den Pestizideinsatz gewöhnen, ungefähr so wie man es auch aus der Medizin kennt, wenn Bakterien gegen Antibiotika immun werden. Das führt dazu, dass immer aggressivere Pestizide zum Einsatz kommen und somit auch der Umwelt immer mehr schaden.

Anders ist das bei sogenannter Bio-Baumwolle. Dort verpflichten sich die Bauern zur Fruchtfolge, das bedeutet, dass sie abwechselnd Baumwolle und andere Pflanzenarten anbauen. Das trägt dazu bei, die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten und reduziert die Schädlingsanfälligkeit. Die Ernte erfolgt außerdem oft per Hand, um den Einsatz von Entlaubungsmitteln zu vermeiden. Die Blätter der Baumwollpflanze behindern nämlich bei konventionellem Anbau die Erntemaschine. Bio-Baumwolle ist also deutlich umweltfreundlicher, verbraucht weniger Wasser und bringt garantiert keine chemischen Rückstände irgendwelcher Schädlingsbekämpfungsmittel in unsere Kleiderschränke. Nur leider ist sie teurer als konventionelle Baumwolle und meist ist der Preis der entscheidende Faktor bei der Kaufentscheidung.

Fast Fashion ist schnell und günstig produzierte Mode, die weltweit beliebt ist. (Foto: Foto: Andrea Piacquadio, pexels)

Bequemlichkeit wiegt mehr als Moral

Rein moralisch betrachtet ist ein Einkauf bei dariadéh sicher besser. Dort gibt es sogar jede Menge Infos dazu, wo genau das T-Shirt hergestellt wurde, wie lange die Fabrik schon mit dem Label zusammenarbeitet und wie viele Angestellte sie hat. Zudem hat das Shirt ein ÖKO-TEX Zertifikat. Auch die Zusammensetzung des Preises von 59 Euro wird genauestens aufgeschlüsselt. Eine außergewöhnliche Transparenz, die sich bei Fast Fashion Marken nicht finden lässt. Doch neben dem Preis haben Fast Fashion Labels auch noch den Vorteil der Vielfalt. Bei H&M, Zara oder Bershka habe ich viel mehr Artikel zur Auswahl. Ich kann online shoppen oder in den Store gehen, denn die sind in ganz Europa verstreut. Das nachhaltige Modelabel dariadéh hingegen hat neben seinem Onlineshop nur einen einzigen Store und der ist in Wien. Auch Stores von anderen nachhaltigen Modemarken zu finden ist schwer. Die Vorteile von Fast Fashion liegen also in der Erreichbarkeit, dem Preis und der Vielfalt. Die Mode ist günstig, einfach zu bekommen und zudem noch stylisch. Was will ich mehr?

Fast Fashion tut nur dem Geldbeutel gut

Ursprünglich gab es in der Modewelt vier Saisonen, die sich an den Jahreszeiten orientierten. Einen Sommer- oder Winterschlussverkauf gibt es zwar auch heute noch, aber Fast Fashion Marken bekommen gut alle zwei Wochen neue Kollektionen in ihre Stores. Das heißt, Modeliebhaberinnen und -liebhaber finden alle zwei Wochen etwas Neues in den Geschäften. Oft werden die frisch gekauften Teile aber gar nie getragen. So liegen rund 72 Millionen ungetragene Kleidungsstücke in Österreichs Kleiderschränken und ja, dazu zählen bestimmt auch welche von mir. Chinesische Onlineriesen wie SHEIN oder TEMU treiben das Geschäft mit der schnellen Mode auf die Spitze. Sie verkaufen sogenannte Ultra Fast Fashion. Dabei landen täglich mehrere Tausend neue Artikel im Shop zu unschlagbar günstigen Preisen. Das alles führt unweigerlich zum Leid der Menschen, die an der Produktion beteiligt sind und der Qualität des Produktes, jedoch scheint das die wenigsten vom Kauf abzuhalten. Auch mich nicht, denn auch ich muss mich des ein oder anderen Einkaufs bei SHEIN schuldig sprechen. Jedoch achte ich beim Klamottenkauf immer darauf, Kleidung aus Chemiefasern wie Acryl oder Polyester zu vermeiden. Beim Waschen solcher Textilien lösen sich nämlich feinste Fasern, die dann als Mikroplastik im Wasser landen. Und ich muss der Umwelt ja nicht noch mehr Leid zufügen als ohnehin schon.

Fast Fashion ist wie ein toxischer Boyfriend, den ich einfach nicht loswerde. Ich weiß, dass es schlecht ist, und ich versuche es zumindest ein wenig besser zu machen, indem ich weniger oft Kleidung kaufe und auf das Material achte. Bei jedem Einkauf erinnere ich mich erneut daran, welch bittere Industrie ich damit unterstütze. Aber dennoch bleibe ich schlussendlich bei der schnellen, günstigen Mode. Auch wenn sie moralisch falsch und qualitativ schlechter ist als die teure, aber dafür nachhaltig produzierte Mode. Vermutlich verdränge ich diese grausamen Tatsachen bis zu einem gewissen Grad. Als Studentin ist die preiswerte Kleidung aber auch so ziemlich die einzige Möglichkeit, wenn man nicht von reichen Eltern verwöhnt wird. Aber ich versuche bereits, mich mit dem Secondhand-Markt anzufreunden. Doch Fast Fashion ist einfach überall. Sie lauert an jeder Ecke, wie der toxische Boyfriend, der mich nie alleine lässt. Und diesen Boyfriend haben viele, denn das Geschäft mit der schnellen Mode boomt trotz der steigenden Gewissheit über seine Hintergründe. Seien wir mal ehrlich, wer fühlt sich hier nicht auch ertappt? 

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projektes „Die Paris-Lodron-Universität Salzburg macht Journalismus“.
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