Österreicher zahlen ihr Berufsleben lang monatlich in die Pensionskassen ein. Aber wie lange reicht eigentlich ihre Gesamtleistung, wenn sie die Pension antreten? Ein genauerer Blick auf das Verhältnis zwischen inflationsbereinigten Einzahlungen und der später erhaltenen jährliche Pensionshöhe, gibt die Antwort. Arbeitnehmer gehen mit 65 Jahren in Pension. Bereits nach zwölf Jahren haben sie die gesamte Summe zurückerhalten, die sie während ihres gesamten Erwerbslebens eingezahlt haben. Das heißt mit 77 Jahren haben sie ihr einbezahltes Kapital bereits vollständig verbraucht. Bei Selbstständigen ist das schon mit 73 Jahren der Fall. Durchschnittlich leben Österreicher 23 Jahre lang in Pension. Das heißt, durchschnittlich beziehen Angestellte elf Jahre lang staatliche Zuschüsse, Selbstständige sogar 15 Jahre.
Damit Pensionisten trotzdem finanziell lebensfähig bleiben, muss der Staat die Finanzierungslücke mit Steuergeldern füllen. Die öffentliche Hand hat die Zuschüsse zur Pension in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Im Jahr 2019 flossen noch 19,1 Milliarden Euro in das Pensionssystem. Bis 2024 stieg der Betrag auf 29,5 Milliarden Euro an. Das entspricht einem Anstieg von mehr als zehn Milliarden Euro innerhalb von fünf Jahren.
Staatliche Zuschüsse liegen in der Natur des österreichischen Pensionssystem, das nach dem sogenannten Umlagesystem funktioniert. Die Pensionskassen verwenden die eingezahlten Beträge sofort. Anstatt sie anzusparen und später auszuzahlen, finanziert das Geld die Pensionen der aktuellen Ruheständler. Das funktioniert allerdings nur dann reibungslos, wenn genügend Erwerbstätige vorhanden sind, um die Renten der Pensionisten zu decken.
Vor 25 Jahren war das System noch weitgehend stabil. Im Jahr 1999 kamen auf tausend Pensionsauszahlungen noch 617 Arbeitsverhältnisse, die die Renten finanzierten. Heute ist das Verhältnis deutlich niedriger, unter anderem weil die geburtenstarke Babyboomer-Generation (1946 bis 1964) nach und nach in den Ruhestand tritt. Demzufolge müssen auch künftig immer weniger Arbeitsverhältnisse für immer mehr Pensionsauszahlungen aufkommen.
Österreich bietet eines der großzügigsten Pensionssysteme weltweit. Das gesetzliche Pensionsalter liegt für Männer bei 65 Jahren, für Frauen bei 60 Jahren. Derzeit hebt die Regierung das Pensionsalter der Frauen bis 2033 schrittweise auf 65 Jahre an. Dennoch gehen Männer im Schnitt bereits mit 62 Jahren in Pension, während Frauen weiterhin mit 60 Jahren in den Ruhestand treten. Die Differenz zwischen dem gesetzlichen und tatsächlichen Pensionsantrittsalter trägt zum Pensionsloch bei.
Experten schlagen mehrere Maßnahmen vor, um das Pensionssystem langfristig zu stabilisieren. Eine Anhebung des Pensionsantrittsalters könnte die Belastung reduzieren. Viele Länder, darunter auch Deutschland, haben diesen Schritt bereits vollzogen. Österreich könnte das Regelpensionsalter auf 67 Jahre anheben, um die steigende Lebenserwartung zu berücksichtigen.
Ein weiterer Vorschlag sieht eine automatische Anpassung des Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung vor. In Schweden und den Niederlanden existieren bereits Modelle, die das Renteneintrittsalter an die durchschnittliche Lebenserwartung koppeln. Damit würde die Finanzierung des Systems stabiler, weil längere Lebenszeiten automatisch zu einer späteren Pensionierung führen.
Neben Einsparungen im Pensionssystem könnte eine flexiblere Arbeitsgestaltung für ältere Arbeitnehmer die Lösung sein. Menschen, die gesund und motiviert sind, könnten länger im Beruf bleiben, wenn der Staat entsprechende Anreize weiter ausbaut. Derzeit bekommen länger arbeitende Angestellte einen 5,1 Prozent höheren jährlichen Pensionsbonus.
Das österreichische Pensionssystem steht an einem Scheideweg. Immer weniger Erwerbstätige finanzieren immer mehr Pensionisten. Ohne Reformen wächst die Finanzierungslücke weiter, sodass der Staat die Differenz mit immer höheren Zuschüssen ausgleichen muss. Auf Dauer kann sich das nicht ausgehen, zumal die Lebenserwartung immer weiter steigt und die Babyboomer zunehmend in Pension gehen.
Eine öffentliche Diskussion über die Zukunft der Pensionen bleibt jedoch aus. Viele Politiker vermeiden unpopuläre Maßnahmen, obwohl sie die Notwendigkeit von Reformen erkennen. Sie schieben das Thema auf, anstatt sich frühzeitig mit den Problemen auseinanderzusetzen. Dabei geht es nicht um die Frage, ob sich das Pensionssystem verändern muss, sondern um den Zeitpunkt und die Umsetzung der notwendigen Anpassungen.
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