
Laut Global Web Index gibt es weltweit bereits mehr als fünf Milliarden aktive Social-Media-Nutzer. Allein bei Facebook waren es vergangenen Februar 3,07 Milliarden. Traditionelle Medien können von solchen Reichweiten nur träumen. Bloß unterliegen die Algorithmen der sozialen Medien keinen redaktionellen, sondern bloß wirtschaftlichen Regeln. Dementsprechend dominieren die Interaktionsraten wegen Emotionalisierung und Polarisierung den digitalen Diskurs. Differenzierte, sachliche Beiträge sind strukturell benachteiligt. Inhalte und Perspektiven, die Nutzer als unangenehm empfinden, filtert der Algorithmus konsequent aus.
Was kurzfristig als angenehme Personalisierung erscheint, ist zutiefst antidemokratisch. Denn Demokratie lebt von Vielfalt, Debatte und Kompromiss. Wenn digitale Kommunikationsstrukturen Menschen nur in ihren eigenen Weltbildern bestärken und isolieren, zerfällt die Grundlage für einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs.
Was bleibt, ist ein ideologischer Konflikt, der aus den Kommentarspalten schrittweise in die echte Welt überschwappt. Sichtbar geworden bei der gesellschaftlichen Spaltung der Vereinigten Staaten im Zuge ihrer vergangenen drei Präsidentschaftswahlen.
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Der Grundgedanke hinter sozialen Medien, Menschen zu verbinden, ist per se keine schlechte Sache. Es ist ihre derzeitige Funktionsweise, die demokratische Prozesse untergräbt.
Es fehlt eine Alternative, eine digitale Plattform, die nicht dem Diktat der Gewinnmaximierung unterliegt. Statt bloß Engagement zu fördern, könnte sie inhaltliche Qualität und einen respektvollen Diskurs begünstigen.
Wäre diese Plattform in gemeinschaftlichem Besitz, wäre eine Einflussnahme durch private Akteure erschwert. Ein Staat allein könnte ein solches Projekt kaum stemmen. Hier liegt die Chance der EU. Das Staatenbündnis hat sowohl die Ressourcen als auch die Marktmacht, um ein demokratisches Gegengewicht zu schaffen. Wer sagt, dass soziale Netzwerke zwingend privatwirtschaftlich sein müssen?
Langfristig gibt es keine andere Möglichkeit, unsere Demokratie zu bewahren, als die Prozesse digitaler Kommunikation zu demokratisieren. Derzeit befinden wir uns noch in einer fatalen Abhängigkeit von einigen wenigen Internet-Konzernen. Solange der Großteil unserer kommunikativen Infrastruktur in ihren Händen liegt, sind wir ihren Interessen schutzlos ausgeliefert.
Die Zeit drängt also. Immer offener nehmen Betreiber sozialer Medien Einfluss auf politische Prozesse. Multimilliardäre wie Elon Musk, Eigentümer von X (ehemals Twitter), haben mehrfach bewiesen, wie wenig ihnen an demokratischen Werten oder der Integrität anderer Staaten liegt. Mit seiner Reichweite greift der US-Oligarch regelmäßig in politische Debatten zugunsten rechtspopulistischer Parteien ein.
Will Europa seine demokratische Souveränität bewahren, muss es die Kontrolle über die eigene digitale Infrastruktur zurückgewinnen. Ein europäisches, öffentlich-rechtliches soziales Netzwerk wäre ein entscheidender Schritt. Überlässt die EU das digitale Spielfeld weiterhin fremden Mächten, könnte sie daran letztlich zerbrechen.