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Omni-Biotic: Erfolgsprodukt oder überteuerter Hype?

Ein steirisches Pharmaunternehmen nutzt den Boom probiotischer Produkte und schreibt mit geschicktem Marketing für gefriergetrocknete Bakterien eine Erfolgsgeschichte. Geht es um Verstopfung oder Reizdarm, scheint Apothekern nur noch Omni-Biotic einzufallen. Wer steckt hinter der Marke, und sind die Produkte ihren stolzen Preis wirklich wert?
Bernadette Krassay  •  20. Januar 2025 CvD      276
Omni-Biotic-Flagshipstore auf der Wiener Mariahilfer Straße: clevere Expansionsstrategien eines steirischen Vorzeigeunternehmens.

Verstopfung, Blähungen, Reizdarm oder Dysbiose. Rund 18 Prozent der Österreicher leiden an Darmbeschwerden. Die Ursachen reichen von falscher Ernährung über Stress und Bewegungsmangel bis zu Unverträglichkeiten, Medikamenteneinnahme oder genetischen Prädispositionen.

Diese Zielgruppe, rund 1,6 Millionen Menschen, bedient ein steirisches Unternehmen mit einem cleveren Produktmix und geschickten Marketingstrategien, die ihm in den vergangenen Jahren beachtlichen Erfolg beschert haben. Gefragt nach einer Lösung für Darmprobleme, verweisen Österreichs Apotheker mittlerweile fast nur noch auf Omni-Biotic.

Aufwind im Gesundheits-Boom

Die Marke, erkennbar an ihrem gedeckten Rot, gehört zur Firma Allergosan, die ihren Umsatz zwischen 2013 und 2022 von 60 auf 101,5 Millionen Euro steigern konnte. Dies laut eigenen Angaben insbesondere dank Exports in Länder wie Deutschland, die Schweiz, Italien, Kroatien, Bulgarien, die USA und Taiwan.

Den Erfolg von Allergosan begünstigt auch der wachsende und zunehmend von Trends und Hypes geprägte Gesundheitsmarkt. Seit dem Bestseller „Darm mit Charme“ von Giulia Enders, der das Thema populär machte, gehört Darmgesundheit neben Longevity und Gewichtsreduktion zu den Top-Themen der Branche.

2025 wagte Allergosan einen ungewöhnlichen Schritt für ein Pharmaunternehmen und eröffnete seinen ersten Flagshipstore, die Omni-Biotic World, in bester Lage auf der Wiener Mariahilfer Straße. Das Geschäft befindet sich direkt neben einer Filiale der ebenfalls expansiven Apothekenkette Essenz, mit der Allergosan kooperiert.

Wissenschaftlicher Anstrich

Wie viele Gründungsgeschichten erfolgreicher Unternehmen ist auch die von Allergosan voller überraschender Wendungen und emotionaler Momente. So brachte Firmenchefin Anita Frauwallner gar keine pharmazeutische oder medizinische Ausbildung mit. Sie studierte vielmehr Linguistik sowie alte und neue Literatur, sammelte jedoch durch einen persönlichen Schicksalsschlag Erfahrungen: Ihr erster Mann, ein Arzt, starb an einer chronischen Darmerkrankung.

Heute bezeichnet Frauwallner ihre Firma als „Institut“, was auf eine medizinische Forschungseinrichtung hinweisen könnte. Tatsächlich handelt es sich um eine ganz normale Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eingetragen allerdings als Institut Allergosan Holding GmbH.

Laut Firmenwebseite waren bei der Gründung des Unternehmens Ärzte und Apotheker involviert, um medizinische Standards zu gewährleisten. Außerdem kooperiert Allergosan demnach mit renommierten Einrichtungen wie der Universität Graz, der Charité Berlin oder der Universität Maastricht. Man führe gemeinsam Studien durch, heißt es dort, was für Pharmaunternehmen per se noch nicht ungewöhnlich ist.

2021 hatte Allergosan wegen seines wissenschaftlichen Anstrichs Ärger mit dem Landgericht München. Der deutsche „Schutzverband gegen Unwesen in der Wirtschaft” hatte im Zusammenhang mit dem Produkt Omni-Biotic 10 unzulässige gesundheitsbezogene Werbung moniert. Die Verpackung habe „jedenfalls den Eindruck erweckt, das angepriesene Nahrungsergänzungsmittel habe Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit, nämlich der aufgrund der Antibiotikum-Einnahme zerstörten oder angegriffenen Darmflora”, befand das Gericht. Auch den Hinweis „wissenschaftlich geprüft” auf der Vorder- und der Rückseite der Verpackung des Produktes stufte es als „irreführend” ein.

Gefeiert von Politik und Wirtschaft

Für Nachfragen stand Frauwallner campus a nicht zur Verfügung. „Ich bekomme so viele E-Mails, ich kann gar nicht alle lesen”, ließ der Unternehmenssprecher auf telefonische Nachfrage wissen und verwies auf die fernere Zukunft. Ein Gefühl von „Message Control” kam auf, als er noch das hausintern vorgefertigte Interview anbot. Da sagt Frauwallner Dinge wie: „Mit der Omni-Biotic-World schaffen wir einen besonderen Ort für alle, die sich intensiv mit dem Thema Darmgesundheit auseinandersetzen möchten.”

Politik und Wirtschaft feiern Frauwallner jedenfalls, und das aus gutem Grund. Zwischen 2021 und 2024 wuchs die Mitarbeiterzahl von Allergosan von 250 auf 450. Die Wirtschaftskammer Steiermark zeichnete sie zweimal als „Entrepreneur of the Year“ aus. Allergosan erhielt mehrfach den jeweils im Rahmen der Gala der Österreichischen Wirtschaft in der Wiener Hofburg verliehenen „Hermes-Wirtschaftspreis“ in der Kategorie „Österreichs bestes von einer Frau geführtes Unternehmen“. Seit 2024 darf Frauwallner den Berufstitel „Professor“ führen.

Passt die Leistung zum Preis?

Trotz dieses Erfolgs bleiben Fragen offen. Sind die Probiotika von Allergosan ihren hohen Preis wert? Schließlich sind Omni-Biotic-Produkte unter den Nahrungsergänzungsmitteln und nicht unter den Medikamenten gereiht und deshalb von der Kostenübernahme durch Krankenkassen im Normalfall ausgeschlossen. Eine 60-Gramm-Packung Omni-Biotic 6 (die Ziffer am Ende der Produktbezeichnung steht jeweils für die Zahl der enthaltenen Bakterienstämme) beispielsweise kostet stolze 32,48 bis 44,50 Euro. Sind sie wirklich so gut und gibt es gleichwertige günstigere Alternativen?

Dr. Rainer Watzak, Gastroenterologe in Wien, lobt gegenüber campus a die Produkte, mahnt jedoch zur Vorsicht. „Omnibiotic ist prinzipiell gut. Auch ich setze es oft und gerne ein. Es gibt aber Rückmeldungen, wenn auch wenige, von Patienten, deren Beschwerden unter der Einnahme von Probiotika schlimmer wurden. Man sollte diese Produkte deshalb nicht unüberlegt einnehmen und bei Beschwerden ärztlichen Rat einholen.“ Allergosan selbst nennt unter den häufigen Nebenwirkungen Blähungen und Völlegefühle, die vorübergehend seien, weil sich der Körper erst an die neuen Bakterienstämme gewöhnen müsse. Auch Magenschmerzen könnten auftreten, vor allem bei Einnahme auf nüchternen Magen und bei Überdosierung.

Geheimtipps hinter vorgehaltener Hand

Wie sieht es mit günstigeren Alternative aus? Hier zeigt sich beim campus a-Mystery-Shopping ein interessantes Bild. Unsere Redakteurin stieß mit ihrer Frage danach in den Apotheken auf Schulterzucken und Kopfschütteln. Der geschäftstüchtigen Allergosan-Firmenchefin Frauwallner scheint es gelungen zu sein, zumindest in Österreich die Konkurrenz aus den Köpfen ihrer wichtigsten Vertriebspartner, der Apotheken, und damit aus dem Markt zu verdrängen. Da dürfte das laut Firmenseite von Anfang an beteiligtes Netzwerk von Ärzten und Apotheken neben der Imagebildung einen weiteren Nutzen entfaltet haben.

In der Wiener Essenz-Apotheke, die mit Omni-Biotic kooperiert, ging unsere Redakteurin schließlich aufs Ganze. Sie brauche Probiotika wegen ihrer Darmprobleme dringend, sagte sie, ihr Haushaltsbudget sei aber bescheiden und sie könne sich Omni-Biotic auf Dauer nicht leisten. „Gibt es nicht auch etwas gleich gutes preisgünstigeres?”

Erst jetzt ließ sich die Apothekerin, die zuvor den angrenzenden Omni-Biotic-Laden als „Kompetenzzentrum für Darmgesundheit mit vielen Mediziner und anderer Wissenschaftlern” gelobt hatte, erweichen. Von Frau zu Frau und mit gesenkter Stimme nannte sie ein alternatives Produkt, das hier ungenannt bleiben soll. Es sei mit Omni-Biotic vergleichbar und habe sogar Vorteile. Unsere Redakteurin, die sich nicht als solche zu erkennen gab, fragte nach. „Was genau sind die Vorteile?”

„Das am breitesten gefächerte Omni-Biotic-Produkt enthält zehn Bakterienstämme”, sagt die Essenz-Apothekerin. „Dieses (alternative, Anmerkung der Redaktion) Produkt hat zwanzig. Je mehr Bakterienstämme Probiotika haben, desto besser.“ Nachsatz: „Im Endeffekt können diese Produkte alle was.”

Tatsächlich ist die Anzahl der in einem Probiotikum enthaltenen Bakterienstämme ein Qualitätskriterium. Sie ist aber nicht der einzige Faktor, der die Wirksamkeit oder Qualität bestimmt. So etwa kann je nach gesundheitlicher Ausgangslage ein Produkt mit weniger, aber gezielt gewählten Stämmen besser wirken als ein Produkt mit vielen Stämmen. Zum Beispiel könnten bei Antibiotika-assoziiertem Durchfall andere Stämme nötig sein als bei Reizdarmsyndrom.

Das von der Essenz-Apothekerin für die von unserer Redakteurin beschriebenen Probleme empfohlene Alternativprodukt kostet etwa ein Drittel des Omni-Biotic-Produktes. Aufmerksamkeit vor allem beim Online-Einkauf sei aber geboten, betont die Apothekerin. So etwa müsse die Verpackung das Produkt verlässlich trocken halten können. Denn Feuchtigkeit erweckt die Bakterien zum Leben. Sie sterben dann in der Verpackung und können im Darm keine Wirkung mehr entfalten.

Fazit

Allergosan bedient die Bedürfnisse einer wachsenden Zahl von Menschen, die wegen falscher Ernährung, Stress, Bewegungsmangel oder Unverträglichkeiten an Darmproblemen leiden und sie mit Nahrungsergänzungsmitteln lösen wollen. Die findige Firmenchefin Anita Frauwallner setzt auf den Nimbus von Wissenschaft und Forschung und bemüht sich, dass ihre Produkte die damit einhergehenden Versprechen so weit wie möglich halten. Wer es bei Darmproblemen mit Probiotika versuchen will, sollte dennoch einen Arzt beiziehen und ihn oder in der Apotheke beharrlich nach gleich guten aber günstigeren Produkten fragen.

Der neue Omni-Biotic-Flagshipstore in der Wiener Mariahilfer Straße muss sich indes erst bewähren. Bei fünf Besuchen durch unsere Redakteurin war er kaum besucht. Kein Wunder. Wer stellt sich schon gerne mit seinen Darmproblemen in die Auslage? Schließlich ist die steirische Erfolgsmarke Omni-Biotic auch in der angrenzenden Apotheke omnipräsent.

 

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