Er gilt als einer der prägendsten Journalisten Österreichs. Mit seinen scharfen Fragen und präzisen Analysen prägt er die öffentliche Debatte wie kaum ein anderer. Doch selbst er zweifelt oft an den eigenen Entscheidungen. Im Gespräch mit Jungjournalist:innen erzählt er von authentischen Desastern und Momenten, die ihn geprägt haben.
Ein Interview von Studierenden der FHWien der WKW, geschrieben von Ilić Emilija
Herr Wolf, Sie haben in Ihrer Karriere über 3.000 Interviews geführt. Häufig folgt die Kritik, dass Sie zu harsch mit Interviewpartner:innen umgehen würden. Denken Sie selbst manchmal im Nachhinein „das hätte ich mir sparen können“?
Das denke ich mir praktisch nach jedem Interview. Bis auf drei würde ich jedes davon anders machen, wenn ich es nochmal führen könnte. Manche nur zu fünf Prozent oder in einer Frage, manche zu 50 Prozent. Sie müssen in einem Live-Interview so viele Entscheidungen in so kurzer Zeit treffen, bei mir sind nie alle richtig.
Welche drei Interviews waren das, die perfekt gelaufen sind?
Perfekt würde ich keines meiner Interviews nennen. Aber diese drei, die würde ich auch heute nicht anders führen. Bei Wladimir Putin zum Beispiel war das Hauptziel, mich nicht zu blamieren. Putin hat eine unglaubliche Freude daran, seine Gesprächspartner bloßzustellen. Das ist mir glücklicherweise nicht passiert. Ein anderes Beispiel wäre mein erstes Interview mit Frank Stronach. Es war an sich ein Desaster, weil ich auf keine einzige Frage eine sinnvolle Antwort bekommen habe. Aber es zeigte Frank Stronach exakt so, wie er dann später in der Politik agierte. Im Nachhinein war das ein authentisches Porträt. Das einzige Interview, von dem ich sage, das könnte ich nicht besser, war mein Abschiedsinterview mit Erwin Pröll. Über das Herr Pröll sehr böse war und bis heute sehr böse ist. Ich glaube aber, dass das wirklich ein sehr gutes Interview war. Jedenfalls von meiner Seite.
War das das Interview, wo er Sie angeschrien hat?
Ja genau. (lacht)
Wie bereitet man sich auf ein so herausforderndes Interview wie mit Putin vor?
Das war der größte Aufwand, den ich je für ein Interview betrieben habe. Ich hatte fünf Tage Zeit und habe in diesen fünf Tagen wirklich nichts anderes gemacht. Ich wusste, dass Putin gezielt Gegenfragen stellt, die man nicht beantworten kann, nur um Interviewer bloßzustellen. Deshalb musste ich mich extrem gut vorbereiten. Ich habe vor diesem Interview mehr gestrebert als auf meine Matura.
In Live-Interviews müssen Sie oft schnell reagieren. Wie gelingt es Ihnen, dabei unbefangen und neutral zu bleiben?
Jede Kellnerin und jeder Kellner muss alle Gäste freundlich behandeln, obwohl nicht alle Gäste gleich freundlich sind und nicht alle gleich viel Trinkgeld geben. Jede Lehrperson muss alle Schülerinnen und Schüler gleich fair behandeln, obwohl nicht alle gleich fleißig und gleich sympathisch sind. Das muss man trennen können. Das gehört zum Job. Ich sitze stellvertretend für das Publikum da. Mein Ziel ist es, meinen Gästen kritische Fragen zu stellen, damit sie ihre Politik oder Entscheidungen auch erklären und begründen müssen.
In der Realität ist es öfter so, dass gewisse Kellner:innen dann eben doch nicht so freundlich zu jedem sind.
Ja, aber die sind dann nicht sehr professionell.
Warum sollten junge Menschen heute noch in den Journalismus gehen, wo doch Jobchancen und Verdienstmöglichkeiten nicht ideal sind?
Wir brauchen in einer Demokratie unabhängigen und seriösen Journalismus. Der Beruf ist nicht leicht, und man sollte nur dann in den Journalismus gehen, wenn man wirklich neugierig ist und sich keinen spannenderen Job vorstellen kann. Sie sollen nicht in den Journalismus gehen, weil Sie berühmt oder reich werden wollen. Das Erste ist relativ unwahrscheinlich, das Zweite ist noch unwahrscheinlicher.
Social Media bietet für angehende Journalist:innen eine Möglichkeit, sich als Journalist:in zu präsentieren. Wie stehen Sie dazu?
Social Media sind ein großartiges Werkzeug, wenn man es klug nutzt. Viele talentierte Journalist:innen sind über Plattformen wie Twitter sichtbar geworden, weil sie originell und kreativ waren. Und wer sich vor Kritik fürchtet, sollte den Journalismus ohnehin meiden. Es gehört zum Job, auch negative Reaktionen auszuhalten. Social Media haben auch viele Nachteile, aber sie bieten jungen Journalist:innen auch Chancen, wahrgenommen zu werden.
Wie sehen Sie die Zukunft des ORF in der aktuellen politischen Landschaft?
Ich mache mir Sorgen um den ORF, aber nicht wegen eines sinkenden Vertrauens – das ist nach wie vor hoch. Vielmehr sehe ich politischen Einfluss und wirtschaftlichen Druck als Gefahren. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist essenziell für eine Demokratie, und ich hoffe, dass wir auch in Zukunft eine stabile Finanzierung und politische Unabhängigkeit sichern können.
Abschließend: Nach so vielen Jahren im Journalismus – können Sie überhaupt noch abschalten?
Nein. Ich würde es aber gern tun.
Vielen Dank für das Interview!
Danke.
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