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Innenpolitik Österreich Fakten

Christian Kneil (APA): „Die Gefahren bestehen weiterhin“

Christian Kneil, stellvertretender Chefredakteur der Austria Presse Agentur, im Gespräch mit Bernadette Krassay und Valentina Kuen über die österreichische Medienlandschaft im Vergleich zur deutschen, die Nähe zwischen Politik und Medien und die neue Nachrichtenmüdigkeit.
Valentina Kuen  •  19. Februar 2025 Volontärin      12
Christian Kneil ist stellvertretender Chefredakteur der APA in Wien (Foto: APA)

campus a. Wie nehmen Sie die österreichische Medienlandschaft im Vergleich zur deutschen wahr? Welche Unterschiede sehen Sie zwischen der APA und der Deutschen Presseagentur, der dpa?

Christian Kneil. Der größte Unterschied ist, dass die deutsche Medienlandschaft einen viel größeren Markt hat. Wir haben in Österreich nur mehr rund ein Dutzend Tageszeitungen großer Medienhäuser, während es in Deutschland deutlich mehr sind. Deshalb hat die dpa auch mehr Kunden. Es gibt aber auch viele Gemeinsamkeiten, was die Lage der Medienbranche und der Agenturen betrifft.

campus a. Welche?

Christian Kneil. Alle klassischen Qualitätsmedien in Europa stehen derzeit vor Herausforderungen. Einerseits fließen viele Werbegelder zu den großen Plattformen ab, durch klassische Werbung kommt also nicht mehr so viel Umsatz herein. Auch das veränderte Mediennutzungsverhalten der jungen Generation stellt eine Herausforderung dar. Das alte Produkt „Print“ ist eigentlich ein Auslaufmodell, das sich bald nicht mehr rechnen wird.

campus a. Keine Chance mehr, junge Menschen zu erreichen?

Christian Kneil. Junge Menschen konsumieren Nachrichten vor allem über soziale Medien, was per se nicht schlecht ist. Es gibt auch auf TikTok oder auf Youtube gute Nachrichtenangebote. Mit Nachrichten auf sozialen Medien verdienen wir aber kein Geld und dieser fehlende Umsatz lässt sich auch durch digitale Abos nicht kompensieren. Zusätzlich tragen das steigende Misstrauen gegenüber klassischen Medien und die sogenannte „News Avoidance“ (die Tendenz, Nachrichten zu vermeiden oder ihren Konsum zu reduzieren, Anmerkung) zu einer geringeren Zahlungsbereitschaft beim Publikum bei.

campus a. Welche Veränderungen in der österreichischen Medienlandschaft erwarten Sie bei einer neuen Regierung?

Christian Kneil. Die bei den Regierungsverhandlungen gescheiterte blau-türkise Regierung hatte ihre Pläne recht klar formuliert. Kürzung der Presseförderung, die Abschaffung der Haushaltsabgabe und Kürzung des ORF-Budgets um 15 Prozent. Die Medien haben gegen diese Maßnahmen protestiert und die Gefahr für die Pressefreiheit und in weiterer Folge für die Demokratie aufgezeigt. Durchgeklungen ist in der Diskussion immer die Befürchtung, die Politik könne diverse Medienförderungen „nach Gutdünken“ vergeben, sozusagen als Instrument der Belohnung oder Bestrafung.

campus a. Die Proteste erfolgten zu Recht?

Christian Kneil. Die Politik sollte im Sinne einer starken Demokratie ein Interesse an einer funktionierenden und vielfältigen Medienlandschaft haben. Menschen müssen durch faktenbasierten, unabhängigen Qualitätsjournalismus informiert werden, um unabhängige und selbstbewusste Entscheidungen treffen zu können. Diese Prinzipien waren durch die Vorhaben von Blau-Türkis in Gefahr. Der klassische Qualitätsjournalismus ist wie gesagt ohnehin unter Druck und hat zusätzlich Konkurrenz durch Influencer, Youtuber und Parteimedien, die nicht nach journalistischen Kriterien arbeiten. Die FPÖ hat sich ein eigenes Medienhaus und eigene Kanäle geschaffen, die sie mit Werbung und Parteipropaganda bespielt. Hier müssen wir der Öffentlichkeit den Unterschied zwischen Parteimedien und Qualitätsmedien klarmachen.

campus a. Sind nicht die klassischen Medien selbst am Erstarken der Parteimedien schuld? Haben sie sie es gegenüber der FPÖ am Prinzip der journalistischen Äquidistanz fehlen lassen?

Christian Kneil. Das glaube ich nicht. In der APA ist es uns wichtig, alle gleich zu behandeln. Wir haben Beschwerden von allen Parteien erhalten, weil ihnen die Berichterstattung zu kritisch war. Ich sehe das immer als Auszeichnung. Wenn sich alle bei uns beschweren, haben wir alles richtig gemacht, dann bevorzugen wir niemanden. Ich sehe aber auch bei anderen Medien nicht, dass sie die FPÖ besonders kritisch oder besonders schlecht behandelt hätten. Kritischer Journalismus ist kritischer Journalismus. Die FPÖ will aber nicht durch kritische Fragen gestört werden und ihr Parteiprogramm ungefiltert an die Wählerinnen und Wähler bringen. Sie waren die ersten, die das in diesem Ausmaß gemacht haben, mit diversen Kanälen, mit einem Web-TV-Sender sowie diversen Social Media-Kanälen. Wenn Presseförderung und Publikum diese Kanäle Qualitätsmedien gleichsetzen, obwohl sie unter anderen Bedingungen arbeiten, habe ich ein Problem damit. Sonst ist es halt Parteiwerbung, die gab es schon immer.

campus a. Gibt es denn überhaupt noch eine Zukunft für die unabhängige österreichische Medienlandschaft?

Christian Kneil. Ich sehe absolut eine Zukunft, aber wir müssen uns verändern und uns an die neuen Bedingungen anpassen. Wir müssen neue Kanäle nutzen, neue Formate finden. Mit digitaler Transformation müssen wir versuchen, neue Zielgruppen, vor allem junge Zielgruppen, zu erreichen und andere Kanäle zu bedienen. Wir müssen künstliche Intelligenz zu unserem Vorteil nutzen lernen. Also zeitsparender zu arbeiten, aber trotzdem die Qualität aufrechtzuerhalten. KI hilft uns in diversen Prozessen, aber KI macht nicht Journalismus, KI schreibt keine Geschichten. Ich sehe also eine Zukunft, die viele Herausforderungen für uns bereit hält und denen müssen wir uns jetzt sehr schnell stellen.

campus a. Wie nehmen Sie die Nähe zwischen Politik und Medien in Österreich wahr? Wie unabhängig ist die APA von politischer Einflussnahme?

Christian Kneil. Ich sehe die Nähe auf jeden Fall problematisch und es gab in der Vergangenheit immer wieder Fälle von Journalistinnen und Journalisten, die deshalb ihre Jobs verloren haben. Das ist tatsächlich eine österreichische Eigenart, die aus der Vergangenheit gewachsen ist. Hugo Portisch hat ja auch mit dem ersten Rundfunkvolksbegehren schon einmal versucht, den ORF zu entpolitisieren. Es gibt dieses Problem also natürlich, und da müssen wir wirklich aktiv dagegen wirken.

campus a. Über öffentlich gewordene Chats hat sich immer wieder gezeigt, wie groß diese Nähe wirklich ist.

Christian Kneil. Genau diese Fälle tragen auch dazu bei, dass alle noch mehr darauf achten, wirklich ein kritisches und distanziertes Verhältnis zu haben. Man kennt sich manchmal, das lässt sich in einem kleinen Land wie Österreich schlecht vermeiden. Trotzdem sollte man als Journalistin oder Journalist ganz klar eine Trennlinie ziehen und in der journalistischen Rolle kritisch bleiben. Das sollen auch Jungjournalistinnen und -journalisten gleich mitkriegen. Wir können also durchaus auch froh sein, dass nicht mehr nur in Hinterzimmern gemauschelt wird, sondern vieles über WhatsApp passiert, wo es gegebenenfalls sichtbar wird.

campus a. Wie groß ist das Problem in der APA?

Christian Kneil. Ich sehe das Problem in der APA eigentlich nicht gegeben. Einerseits gibt uns das APA-Statut die Ausgewogenheit in der Berichterstattung vor. Andererseits sind Agenturjournalistinnen und -journalisten per se weniger gefährdet, da sie nicht so in der Öffentlichkeit stehen wie andere Kolleginnen und Kollegen.

campus a. Wieso stilisieren rechtspopulistische Parteien wie die FPÖ unabhängige Medien so gerne zu Feindbildern?

Christian Kneil. Eine kritische Haltung gegenüber den unabhängigen Medien ist ja okay und wenn jemand sich ungerecht behandelt fühlt, darf er oder sie das natürlich auch äußern. Aber Politikerinnen und Politiker stehen in der Öffentlichkeit und müssen sich der kritischen Befragung stellen. Es gibt dieses Spannungsverhältnis, und das ist auch gut so.

campus a. Bei der FPÖ hat sich da etwas verändert.

Christian Kneil. So ist es. Mit ihren eigenen Medien steigt sie aus dieser Beziehung zwischen Politik und Journalismus aus. Sie schließt Journalistinnen und Journalisten bei diversen Veranstaltungen aus, lässt keine Fragen zu und versucht der kritischen Befragung auszuweichen. Das sehe ich als großes Problem letztendlich für die Demokratie und für die Information der Bevölkerung.

campus a. Wie könnte Österreich eine unabhängigere Medienfinanzierung sicherstellen?

Christian Kneil. Das größte Problem in Österreich ist, dass der Großteil der Medienfinanzierung über Inserate passiert. Wir haben zwar diverse Medienförderungen wie die Qualitätsmedienförderung, die digitale Transformationsförderung und die klassische Presseförderung. Das ist aber alles nichts im Vergleich zu dem, was die öffentliche Hand an Inseraten vergibt. Wir müssen davon wegkommen, dass öffentliche Institutionen und Ministerien Inserate nach einem Belohnungs- und Bestrafungssystem vergeben. Bei der Qualitätsmedienförderung müssen wir uns ganz klar noch einmal anschauen, was Qualität eigentlich bedeutet. Welche Kriterien muss ein Medium erfüllen, damit es die Qualitätsmedienförderung bekommen kann? Was den ORF betrifft, müssen wir versuchen, ihn möglichst weit weg von der Politik zu halten. Es gibt ja schon lange die Forderungen, auch aus dem ORF, den Stiftungsrat zu entpolitisieren. Die Haushaltsabgabe ist meiner Meinung nach eine gute Möglichkeit, den ORF zu finanzieren, die Österreicher zahlen damit teilweise weniger als mit der GIS-Gebühr. Ich halte es auch für eine gute Idee, zusätzlich Projekte der digitalen Transformation zu fördern. Das ganze System gehört überarbeitet. Weniger Inserate und dafür mehr Qualitätsmedienförderung.

campus a. Jemand wie Herbert Kickl stünde einer solchen Strategie wahrscheinlich im Weg.

Christian Kneil. Davon können wir ausgehen. Prinzipiell ist es mir als Journalist ja egal, welche Regierung kommt. Aber wenn es um die Medienpolitik geht, die uns auch betrifft, dann müssen wir Stellung beziehen. Die FPÖ nimmt sich in diesem Punkt Ungarn und die Regierung Orbans als Vorbild. Da geht es ganz offensiv darum, die Qualitätsmedien zu schwächen und die Förderungen zurückzufahren. Auch in der Slowakei ist das der Fall. In Polen war es unter der letzten Regierung auch so, jetzt versucht die neue, die Medienlandschaft mühsam wieder zu beleben.

campus a. Wie geht es der ungarischen Nachrichtenagentur?

Christian Kneil. Die war zwar immer staatlich, hatte aber doch eine Phase, in der sie sehr unabhängig berichten konnte. Durch Orban ist sie nun wieder eng an den Staat gebunden. Da zeigt sich, wie wachsam wir sein müssen, wenn es darum geht, diese Qualitätsmedienlandschaft zu erhalten. Die beschriebenen Gefahren bestehen auch nach dem Platzen der blau-türkisen Koalitionsverhandlungen weiterhin. Wir werden sehen, welche Regierungskonstellation jetzt auf uns zukommt und was das für Österreichs Medien bedeuten wird.

 

 

 

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