„Anfang des Jahres hatte es noch keiner. Als wir es vergangenen Frühling zum ersten Mal bekommen haben, war es noch eine Besonderheit. Mittlerweile hat es beinahe jeder Zweite“, erzählt ein anonymer Konsument der Droge Mephedron. Sie breitet sich derzeit in den Wiener Clubs rasant aus. Das Partypublikum schnupft die Droge zumeist, oder nimmt sie oral oder in seltenen Fällen intravenös ein.
Charakteristisch beim Schnupfen ist „der extrem brennende Schmerz in der Nase“, so der Konsument im Gespräch mit campus a.
Deutsche Suchtexperten haben bereits mehrmals Alarm geschlagen. Vor allem in Berlin erfreut sich Mephedron großer Beliebtheit. Mittlerweile fasst sie auch in Wien Fuß. „Innerhalb der Szene ist 4-MMC derzeit gefragt und jeder redet darüber. Dabei weiß niemand so recht, was wir da eigentlich konsumieren. Der Geruch ist stark chemisch, vergleichbar mit Katzenurin“, schildert der Konsument.
Meist ist Mephedron als weißes bis gelbliches, kristallines Pulver am Markt, gelegentlich auch in Tablettenform. Das Gramm kostet vergleichsweise günstige rund 15 Euro. Die Wirkung ist stark stimulierend und euphorisierend. In großen Mengen eingenommen wirkt die neue Partydroge ähnlich wie MDMA. Ein starkes Verbundenheitsgefühl mit den Mitmenschen tritt ein. In kleineren Dosen putscht Mephedron ähnlich wie Kokain oder Amphetamin auf. Nach dem Rausch fallen die Nachwirkungen dem Vernehmen nach erträglicher aus als bei anderen Drogen.
Das Suchtpotenzial ist groß. Das Wohlgefühl kann zur psychischen und körperlichen Abhängigkeit führen. „Eine der auffallendsten Nebenwirkungen ist besonders beim Schnupfen der extreme Drang, es immer wieder zu tun. Wenn du dir etwas davon kaufst, ist es am Ende des Abends weg. Da kannst du dir sicher sein“, so der Konsument.
Über die Nebenwirkungen weiß die Medizin noch zu wenig. Schlafprobleme, Aggressivität, Angstzustände, Wahnvorstellungen, Paranoia, ein trockener Mund und Durstempfinden sind möglich. „Besonders hohe Dosen können zu Krampfanfällen führen, wobei nicht jeder Organismus auf dieselbe Substanz in gleicher Weise reagiert“, sagt Harald Sitte von der Medizinischen Universität Wien. Mögliche Langzeitfolgen sind noch gänzlich unerforscht. Häufiger Konsum könnte aber zu einer Beeinträchtigung von Gedächtnis und Konzentration führen. Gerade dieses mangelnde Wissen verleiht der Droge in der Szene aber den Nimbus des Geheimnisvollen.
Mephedron ist Teil einer vielfältigen Gruppe von derzeit noch kaum erforschten und ähnlich wirkenden Amphetaminen, den synthetischen Cathinonen. Auf dem Drogenmarkt tragen sie die Bezeichnung „Research Chemicals“, zu deutsch Forschungs-Chemikalien.
Laut einem Bericht der European Union Drug Agency und Europol erschienen synthetische Cathinone erstmals 2004 auf dem europäischen Drogenmarkt. Als „Legal Highs“ waren sie zunächst als Ersatzprodukte für MDMA oder andere Amphetamine erhältlich. Schrittweise folgte ihr Verbot. In Österreich ist 4-MMC seit 2010 verboten.
Stammte der Großteil der in Europa sichergestellten Cathinone anfangs aus China, so verlagerte sich die Produktion über die Jahre insbesondere in die Niederlande und nach Polen. Die Behörden konnten inzwischen auch Produktionsstätten in Frankreich, der Slowakei und Österreich sicherstellen. Deren Größenordnung reicht von einfachen Küchenlabors einzelner Produzenten bis hin zu großen, semi-industriellen Arbeitsstätten, so Sitte.
Sitte sieht die Gründe für die steigende Verbreitung von Mephedron besonders in der einfachen, billigen Herstellung und der wachsenden Bekanntheit der Droge. „Die Menschen kennen Mephedron mittlerweile. Unter dem Strich ist es im Vergleich zu anderen Drogen ziemlich gut verträglich, solange die Konsumenten nicht überdosieren.“
Was als Mephedron auf den Markt kommt, muss aber nicht immer Mephedron sein. „Konsumenten können Substanzen erhalten, deren Wirkung nicht schon wie die von Mephedron nach einer halben Stunde eintritt. Dann nehmen sie oft noch mehr und haben unversehens eine Überdosis von etwas Unbekanntem im Körper.“
Zwecks Gefahrenprävention gibt die Stadt Wien durch checkit!, einem Kompetenzzentrum für Freizeitdrogen, Konsumenten die Möglichkeit zur Drogenanalyse. Interessenten können hier straf- und kostenfrei Drogen zur Analyse einschicken, um deren tatsächliche Zusammensetzung zu erfahren. checkit! stellt besonders bei Mephedron-Proben regelmäßig Verunreinigungen fest. Dealer verwenden als Streckstoffe gerne andere, mitunter stärkere Cathinone oder gänzlich andere Substanzen.