Hat es in Wien Minusgrade, sind die Obdachlosenunterkünfte voll. Seit 15 Jahren stellt der Fußballverein SC Viktoria daher im Winter in den Umkleidekabinen Feldbetten auf. Sie bieten ein Minimum an Komfort, Decken spenden Wärme. Wer Glück hat, bekommt sogar eines von Tonis eigenen Betten. „Ich habe noch zwei Betten zu Hause, die können wir auch aufstellen“.
In den Duschkabinen können sich die Obdachlosen waschen. Für die Körperhygiene stehen Seife, Shampoo und Handtücher bereit. Ein Betreuer sorgt in der Nacht dafür, dass es zu keinem „Abseits“ in den Umkleidekabinen kommt. Morgens serviert der Verein seinen Gästen Weckerl, Butter, Marmelade und Eierspeis.
Dem Verein geht es schon lange nicht mehr nur um Fußball. Im sozialen Engagement ist er der Sieger der Herzen. „Wir tun alles erdenklich Mögliche, um diejenigen zu unterstützen, mit denen es das Leben nicht so gut gemeint hat“, sagt Obmann Roman Zeisel.
Vereinsmitglieder und Bedürftige stehen in einem freundschaftlichen Verhältnis zueinander. Dem Fußballclub ist es gelungen, eine eigene Identität aufzubauen. Eine Identität, ganz anders als jene der Größen Rapid und Austria Wien.
Das soziale Engagement des Clubs schließt neben Obdachlosen auch Menschen mit Behinderung ein. Beim SC Viktoria kickt jeder mit. Einmal die Woche steht das Champions-Team auf dem Spielfeld. Dort finden Menschen mit Handicap Spaß beim Fußball und schießen gemeinsam Tore. „Fußball soll ein Sport für alle sein. Wir wollen Menschen zusammenbringen und Freude schenken. Das ist der wahre Sieg“, sagt der Psychiater und Vereinsvorsitzende der VIK Sozial, Otto Lesch.
Im Fall von persönlichen Krisen bietet der Verein Sozialberatungen an. Die Sozialarbeiter reden mit den Leuten, helfen und verhindern Schlimmes. „Wir konnten zahlreiche Delogierungen abwenden, weil wir das Geld sammeln konnten“, so Zeisel.
Toni Polster kämpft mit dem Verein auch gegen Gewalt und Sucht. Der Fußball erweist sich hier als wichtige Größe. „Durch den Sport erleben die Jugendlichen ein Zugehörigkeitsgefühl. Sie freuen sich gemeinsam und trösten sich gegenseitig. Sie gewinnen und verlieren als Team“, sagt Lesch. Das stärkt das Selbstwertgefühl, das wichtigste Mittel gegen Suchtanfälligkeit.
„Hinschauen und nicht Wegschauen ist unsere Devise, frühes Erkennen von Problemen unser Credo.“ Der Sport hilft den Jugendlichen auch im Umgang mit Konfliktsituationen. „Fußball soll verbinden, eine runde Sache sein und vor allem bei den jungen Menschen etwas bewirken, nämlich Rivalität und Respekt auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen“, sagt Polster.
Der Verein geht immer wieder Kooperationen ein. Im Frühjahr macht er den Prater zur sozialen Zone. Eine Woche lang können Abenteuerlustige im eingezäunten Bereich Karussell fahren, Kaffee trinken und sich auch ein oder zwei Bier gönnen. Das Achterbahnfahren gibt es zum Pauschalpreis. Und bedürftige Menschen? Die kommen gratis rein.
Fußball kann weit mehr leisten als sportlichen Erfolg. Er kann Barrieren abbauen und Menschen verbinden. Toni Polster und sein Team zeigen, wie das geht. Sie machen die soziale Seite des Fußballs sichtbar.
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Sehr geehrte Frau Hassler, ihren Artikel fand ich sehr informativ und aufschlussreich, insbesondere weil mich Toni Polster sehr interessiert hat!
30 January 2025