„Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“ Nach einem Spaziergang über den Wiener Naschmarkt mache ich mich auf den Weg nach Hause und betrachte im Vorbeigehen, die üppig gefüllten Körbe in der Hand, die Secession. Die Eindrücke meines Marktbesuches müssen erst mal verarbeitet werden. Unendlich viele Produkte zieren die Marktstände, die dicht an dicht gedrängt nebeneinanderstehen. Zu meiner Linken duftet es nach frischen Falafeln und Oliven, während zu meiner Rechten die tollsten Zitrusfrüchte feilgeboten werden. „Der Horror eines jeden Minimalisten“, denke ich. Und plötzlich habe ich eine Erkenntnis: Ich bin keine Minimalistin. Trend hin oder her, ich kann nicht mit dem Mainstream gehen. „Der Kunst ihre Zeit, und mir die Freiheit“ ist mein neues Motto. Auch das Einrichten meiner eigenen vier Wände zähle ich zu Kunst. Es ist die Kunst des Alltags, die alles erträglicher und schöner macht.
Ich öffne Instagram: so viele Bilder werden mir vorgeschlagen, fast alle sind beige, weiß oder grau. Überall sind Wohnungen zu sehen, die reduziert eingerichtet sind – von allem nur das Nötigste. Fast fühlt man sich schlecht zuzugeben, dass man es mag, viele Dinge zu besitzen. Doch davon sollte man sich nicht einschüchtern lassen, denn es kommt immerhin noch auf das WIE an. Besitz wird nämlich viel zu oft mit Wörtern wie „Belastung“ oder „Überkonsum“ assoziiert, niemand denkt dabei an die achtsamen Maximalisten, zu denen ich mich selbst auch zähle. Es kann nämlich durchaus erfüllend sein, sich hin und wieder auf die Jagd nach ästhetischen Gegenständen zu machen. Der Spaß liegt darin, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz zu sein und das richtige Teil zu ergattern. Flohmärkte, Charity-Läden und Secondhand-Shops sind wahre Schatzkisten. Sorgfältig wird jedes Teil begutachtet und manchmal wieder zurückgestellt, um am Ende doch im Einkaufskorb zu landen. Es liegt mir fern, ohne nachzudenken, einfach meine Taschen vollzustopfen. Mittlerweile sieht man mich fast nur noch in Secondhand-Shops oder Charity-Läden stöbern. Denn das tut anderen Menschen und der Umwelt gut.
So zieren also viele, liebevoll ausgewählte Gegenstände unsere Wohnung. Der Gedanke, eine zweite Chance zu geben und etwas, was eine andere Person nicht mehr möchte, noch einmal Leben einzuhauchen, erfüllt mich. Von Belastung kann keine Rede sein. Wenn ich beim Mittagstisch sitze und die Vitrine mir gegenüber betrachte, dann fällt mein Blick auf eine Gedenktasse, anlässlich der Krönung Queen Elizabeths II. und lädt mich zum Träumen über vergangene Zeiten ein. Dann wandert mein Blick weiter auf das Porzellan auf dem Tisch, das beim letzten Flohmarkt mitgehen durfte und so wunderbar zu meiner Tischdecke passt. Viele schöne Erinnerungen hängen daran. Vor allem während der Corona-Lockdowns, als das eigene Zuhause wichtiger denn je wurde, merke ich, wie zufrieden ich bin und das ist schließlich das Wichtigste. Mein Zuhause sollte mich widerspiegeln und das tut es.
Das hier ist also das Geständnis einer Maximalistin in einer Welt, die ihr so minimalistisch erscheint.