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Ausgerechnet Bill Gates: Der letzte Tech-Mogul mit Haltung

Der Reihe nach fielen sie vor Donald Trump auf die Knie. Nur einer steht noch und bleibt entspannt. Bill Gates, der lange als das Mensch gewordene Böse galt, zeigt bei seinen Medienauftritten im Zuge der Präsentation seiner Autobiografie Haltung.
Robert Gafgo  •  24. Februar 2025 Redakteur*in      164
War er einst als Monopolist gefürchtet, zeigt sich Bill Gates heute standhaft, während andere Milliardäre klein beigeben. (Foto: APA)

Fast kein Tag verging in den vergangenen Wochen, an dem Bill Gates nicht medial präsent war. Schließlich hat der 69-Jährige eben seine Autobiografie Source Code vorgelegt. Doch bei seinen Auftritten buhlt er nicht wie Mark Zuckerberg oder Jeff Bezos um Donald Trumps Gunst oder stellt sich wie Elon Musk überhaupt gleich an seine Seite. Vielmehr zeigt er Rückgrat und bleibt dabei ziemlich locker. Der spröde Nerd von einst taut dabei sichtlich auf und das scheint ihn in manchen Momenten selbst zu wundern.

Oligarchie vor Politik

Anfang Februar war Gates in der New Yorker Talkshow The View zu Gast. Der einstige Archetyp des Computer-Nerds zeigte sich bestens gelaunt und überraschend unterhaltsam im Interview mit Moderatorin Whoopi Goldberg. Dabei sparte er nicht mit Seitenhieben gegen andere Tech-Milliardäre.

Einige von ihnen hatten schon bei Trumps Angelobung ihre Position klargemacht – sehr zum Entsetzen vieler junger, ambitionierter und von der Vision einer besseren, freieren Welt getriebener Tech-Talente, die in ihnen eben noch Vorbilder gesehen hatten. In der ersten Reihe, noch vor Trumps eigenem Regierungskabinett, standen Großspender wie Facebook-Gründer und Meta-CEO Mark Zuckerberg, Amazon-Gründer Jeff Bezos samt Gattin sowie Google-CEO Sundar Pichai nebst Tesla-Chef Elon Musk. Als in der Goldberg-Show die Rede darauf kam, witzelte Gates, seine Kollegen seien wohl „einfach nur gekommen, um die Amtseinführung zu finanzieren und sie zu einem großartigen Ereignis zu machen, quasi zum Wohle des Landes“. Womit er darauf anspielte, dass das Engagement der Tech-Giganten für Trump mehr mit Geld und Eigeninteresse zu tun habe als mit echter politischer Überzeugung.

Kritik an Musk-Show für die AfD

Tatsächlich spendete die Industrie zu Trumps Angelobung insgesamt rund 170 Millionen Dollar. Eine Summe, die alle Geldspenden für bisherige Angelobungen übertraf. Gates hingegen zeigte sich von Trumps offensichtlichem Machtrausch und seinem Hang, es Widersachern und Andersdenkenden heimzuzahlen, unbeeindruckt. So bezeichnete er die politischen Auslandsabenteuer von Trumps Sonderberater Elon Musk, etwa dessen Auftritt beim Wahlkampfauftakt der AfD, als „wahnsinnige Scheiße“. Derlei sei völlig unangebracht und gefährlich, da es das politische Gleichgewicht in anderen Ländern destabilisieren könne.

Gates hatte seinerseits im Wahlkampf gespendet, allerdings nicht für Trump, sondern für die unterlegene demokratische Kandidatin Kamala Harris. Dennoch besuchte er am 27. Dezember Trump in dessen Anwesen in Florida zu einem dreistündigen Abendessen. Das Gespräch dauerte länger als jede Unterredung, die Gates je mit Joe Biden während dessen Amtszeit geführt hatte.

Der Tech-Mogul wird seit geraumer Zeit von schrägen Verschwörungstheorien begleitet. Er wollte Corona-Impflingen Mikrochips implantieren und mit Impf-Nebenwirkungen wie Unfruchtbarkeit die Weltbevölkerung schrumpfen. Er habe das Virus selbst in die Welt gesetzt, um davon zu profitieren, und sei gar kein Mensch, sondern ein Außerirdischer und Teil eines globalen Netzwerks von Eliten, das neben der Weltbevölkerung auch die Wirtschaft kontrollieren wolle.

Globalen Eliten und simulierte Pandemien

So bizarr diese Theorien auch sein mögen, gibt es doch Gründe für ihr Auftauchen. Im Oktober 2019, knapp zwei Monate vor Beginn der Corona-Pandemie, simulierte die amerikanische Johns Hopkins Universität in Kooperation mit dem Weltwirtschaftsforum und der Wohltätigkeitsstiftung von Bill Gates das globale Krisenszenario einer Pandemie anhand der fiktiven Coronavirus CAPS (Coronavirus Associated Pulmonary Syndrome). Die zeitliche Nähe zur realen Pandemie verunsicherte viele Menschen.

Die Bekanntschaft mit dem verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, der 2019 in seiner Gefängniszelle starb, warf ebenfalls einen Schatten über Bill Gates. Heute bereut er es, je mit Epstein in Kontakt gewesen zu sein. Er habe in dem bestens vernetzten Investmentbanker einen wertvollen Verbündeten in der globalen Entwicklungshilfe gesucht, sagte er. Gates nahm den Kontakt zu zu Epstein allerdings erst 2011, also drei Jahre nach dessen erster Verurteilung wegen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger auf. Dass ihn dessen kriminelle Vorgeschichte nicht gestört hat, ist fragwürdig.

Unbestrittenes soziales Engagement

Bill Gates´Leistungen für die Gesellschaft sind dennoch unbestritten. Gates kämpft mit seinem Geld und seinem Einfluss gegen HIV, Polio und Malaria. Damit begründete er auch seinen Besuch in Mar‑a‑Lago, Palm Beach. Trump sei der mächtigste Mensch der Welt. „Ihn für die richtigen Dinge zu begeistern, wäre Gottes Werk, wer auch immer das schafft”, sagte er. Trotz seines Optimismus zeigte seine Privataudienz wenig Wirkung, wie jüngste Kürzungen der US-Auslandshilfen belegen.

Zu sehen ist Bill Gates in der Talkshow The View gemeinsam mit Co-Moderatorin Sunny Hostin.Bill Gates, hier mit The View-Co-Moderatorin Sunny Hostin, sorgt sich besonders um die Behörde USAID, die für Auslandshilfen verantwortlich ist. Sollten Einsparungsmaßnahmen ihre Arbeit behindern, könne das den Tod von Millionen Menschen bedeuten, meint er. (Foto: Screenshot – The View, American Broadcasting Company, ABC)

Der Weg vom Monopolisten zum Hoffnungsträger

Bill Gates hat sich mit seiner Gates Foundation tatsächlich einen Namen als Philanthrop gemacht. 7,7 Milliarden Dollar investierte die Stiftung bereits in Projekte der globalen Entwicklungshilfe. Gates Vergangenheit steht jedoch in scharfem Kontrast dazu.

Als Pionier der Tech-Branche revolutionierte er die Verwendung des Personal Computers. Microsoft war einer der ersten Konzerne, die sich in ihrer Entwicklung speziell auf Software fokussierten. Während sich die Konkurrenz noch auf die gleichzeitige Entwicklung von Hardware beschränkte, wuchs Microsoft schnell zu einem Branchengiganten heran.

Veteran des Browserkriegs

In den 1990er Jahren galt Gates als skrupelloser Monopolist. Er dominierte den Markt nach Belieben und bootete seine Konkurrenz rücksichtslos aus. Microsofts aggressive Geschäftspraktiken führten 1998 zu einem der spektakulärsten Kartellverfahren der US-Geschichte.

Mitbewerber warfen Gates vor, seine Marktmacht zu missbrauchen, um Konkurrenten aus dem Internet-Browser-Geschäft zu verdrängen. Das Gericht verhängte zunächst eine Zerschlagung von Microsoft. Später schwächte es das Urteil ab. Microsoft musste Maßnahmen ergreifen, um den Wettbewerb im Browser-Markt nicht länger zu behindern und PC-Herstellern mehr Freiheiten bei der Vorinstallation von Software einräumen.

Gates Ruf war dennoch nachhaltig beschädigt. Im Technologiesektor war er weltweit verhasst. Doch er war nicht im eigentlichen Sinn böse, zumindest sieht er das selbst so und legt es in seiner Autobiografie schlüssig dar.

Demnach war er seit jeher ein Getriebener. Tatsächlich lässt sich damals wie heute in seinem Verhalten eine Menge Sendungsbewusstsein erkennen. Damals wollte er einen Computer in jedes Zuhause bringen, komme, was wolle. Heute will er die Menschheit von der Geißel schwerer Krankheiten befreien.

Nachspiel mit Wendung

Es scheint so, als wäre Gates allmählich in die Rolle des letzten großen Vorbildes unter den Tech-Milliardären hineingewachsen. Warum machen es nicht andere Milliardäre wie er und geben etwas von ihrem immensen Reichtum an die Gesellschaft zurück? Es ist höchste Zeit für sie, damit anzufangen. Denn andernfalls drängt sich die Frage auf, ob Multimilliardäre wie Musk, Zuckerberg oder Bezos in Anbetracht ihres enormen Einflusses nicht eine Gefahr für unsere Demokratien darstellen.

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