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Luxushotels und Content-Druck: Traumjob Reiseinfluencerin?

Die Füße im Sand, das Handy in der Hand und ein sorgfältig geplanter Content-Kalender im Kopf. So sieht der Alltag von Verena-Katrien Gamlich aus, einer erfolgreichen österreichischen Reiseinfluencerin. Mit Hunderttausenden Followern teilt sie ihre Erlebnisse aus Luxushotels, exotischen Destinationen und unvergesslichen Markenreisen. Doch was steckt wirklich hinter dem scheinbar perfekten Reiseleben? Und vor allem, wie lukrativ ist dieser Beruf tatsächlich?
Anna-Katharina Patsch  •  5. März 2025 Redakteurin      72
Reiseinfluencerin Verena-Katrien Gamlich: Digitales Nomadentum an Traum-Destinationen (Foto: Privat)

Der Weg zu einer perfekten Kooperation beginnt für Verena lange, bevor sie den ersten Koffer packt. Während andere noch im Weihnachtsstress sind, plant sie bereits das nächste Jahr: Inselparadiese, elegante Bergresorts, pulsierende Metropolen – jede Destination wählt sie mit Bedacht aus. Kooperationen entstehen meist durch Anfragen von Hotels oder Tourismusverbänden, doch auch sie selbst hat ihre Wunschpartner. Jedes Jahr im Dezember setzt sie sich mit einer Tasse Kaffee an ihren Laptop und versendet Anfragen mit ihrem Media-Kit an potenzielle Partner. Darin listet Verena auf, mit welchen Marken sie bereits gearbeitet hat, welche Reichweite sie besitzt und welche zusätzlichen Leistungen sie anbietet.

Luxus hat für sie oberste Priorität: „Unter fünf Sternen mache ich nichts, maximal vier Sterne Superior.“ Ihr Team filtert die Anfragen, doch die Entscheidung trifft sie selbst. Ein Hotel muss zu ihrem Stil passen. Ein Großteil der Kooperationen basiert auf sogenannten Barter-Deals: Unterkunft und Verpflegung im Austausch gegen hochwertigen Social-Media-Content. Die Anreise zu den Hotels muss Verena zumeist selbst organisieren. „Bezahlte Kooperationen sind seltener“, sagt sie. Wenn ein Hotel ein Budget für Social-Media-Werbung hat, erstellt sie individuelle Pakete, bestehend aus Storys, Reels und Gewinnspielen. Besonders Letztere seien immer bezahlt, da sie Hotels enorme Reichweite bringen.

Was verdient eine Reiseinfluencerin?

Viele stellen sich die Frage: Wie viel verdient eine Reiseinfluencerin wirklich? Die Antwort dürfte überraschen: „Wenn ein Hotel mich bezahlt, bewegen wir uns im Bereich von 2.000 bis 5.000 Euro pro Kampagne – je nach Aufwand.“ Doch das ist nicht die einzige Einnahmequelle. Tourismusverbände oder ganze Länder investieren oft größere Summen, um ihre Regionen zu bewerben. „Solche Kampagnen sind fast immer vergütet“, erzählt sie.

Langfristige Markenpartnerschaften seien jedoch am lukrativsten. Über das Jahr verteilt bringen Verträge mit globalen Unternehmen wie Coca-Cola fünfstellige Summen für regelmäßigen Content ein. Große Marken wie der Getränkehersteller oder die niederländische Kleidermarke NIKKIE laden sie zudem auf exklusive Reisen ein, um Produkte in luxuriöser Kulisse zu inszenieren. In Dublin etwa nahm sie an einer Gin-Markenpräsentation teil. Dabei ging es nicht nur um den Geschmack des Gins, sondern um das komplette Erlebnis – beginnend bei der Ernte der Kräuter, der Herstellung und Destillation bis zur finalen Verkostung.

Mehr als nur schöne Bilder

Hinter jeder Reise steckt minutiöse Planung. Kaum in einem Hotel angekommen, beginnt Verena ihre Arbeit: Lichtverhältnisse prüfen, die besten Foto-Locations scouten, ein Konzept für den Content entwickeln. Einfach ankommen und genießen? Fehlanzeige. Jeder Post erfordert Strategie. „Manchmal fühlt es sich an, als wäre ich getrieben – immer auf der Suche nach dem perfekten Moment für meine Community.“ Ihre Reisen sind durchgetaktet mit Checklisten und Drehplänen. Sie achtet auf perfekte Lichtstimmungen, analysiert Kameraperspektiven und stellt sicher, dass jedes Detail stimmt.

Doch nicht überall entsteht authentischer Content. Sie berichtet von Hotels, die sich voll auf Instagram-Gäste konzentrieren. Perfekte Fotospots, aber keine Seele. „Dann stehen alle mit Stativen in einer Reihe und posieren. Das ist kein Urlaub mehr.“ Der ständige Druck, Inhalte zu liefern, kann auf Reisen überwältigend sein. „Ich versuche, wenigstens einen Tag nur für mich und meine Begleitung zu haben – ganz ohne Kamera und Werbeposts.“

Exklusive Reisen mit Airlines und Marken

Aber nicht nur das Marketing von Hotels baut zunehmend auf Influencer, auch Fluglinien springen auf den Trend auf. Verena reist in First-Class-Suiten, die eher an ein luxuriöses Hotelzimmer erinnern als an einen Flugzeugsitz. Eine persönliche Crew serviert feinste Speisen auf Porzellangeschirr, während flauschige Decken und Seidenkissen bereitliegen, um den Langstreckenflug in ein schwebendes Luxus-Erlebnis zu verwandeln. Fluglinien wie Emirates oder Singapore Airlines setzen auf solche Partnerschaften – oft auch als Teil groß angelegter Kampagnen für Destinationen wie Dubai oder Singapur.

Noch aufwendiger sind Markenreise-Events. Eine niederländische Modemarke veranstaltet jedes Jahr eine Influencer-Reise. Für sechzig ausgewählte Influencer geht es in die Alpen – inklusive Helikopteranreise, professionellen Shootings und einer rundum gebrandeten Location. Von den Bademänteln bis zum Klopapier trägt alles das Logo der Marke. „Die Fotos und Videos, die dort entstehen, werden monatelang auf den Social-Media-Kanälen der Marke ausgespielt. So erreicht das Event eine gewaltige Reichweite.“

Authentizität als höchste Währung

Vertrauen ist ihre wichtigste Währung. Ihre Community verlässt sich darauf, dass sie ehrlich berichtet. Ist neben dem Luxushotel eine Baustelle, verschweigt sie das nicht: „Das Vertrauen meiner Community ist mir heilig, denn wenn ich es einmal verspiele, ist es weg.“ Dieses Vertrauen zahlt sich aus: Als sie nach einer Reise über ihr Airbnb in Paris berichtete, war es wenig später Monate im Voraus ausgebucht.

Jedoch funktioniert ein erfolgreiches Social-Media-Profil nicht so einfach, wie man es annehmen könnte. Der Algorithmus bestimmt, welche Inhalte gesehen werden. „Ein schöner Post reicht nicht“, erklärt Verena. Sie muss analysieren, wann ihre Community online ist, welche Musik viral geht, welcher Trend sich gerade abzeichnet. „Bevor etwas viral geht, haben wir es oft schon Wochen zuvor gesehen. Wer nicht aktuell bleibt, fällt zurück.“ Ein 20-sekündiges Reel kann schnell einen ganzen Tag Arbeit bedeuten – von der Ideensuche bis zum finalen Schnitt.

Zusammenarbeit mit Meta

Auch hinter den Kulissen ist Verena eng mit der Plattform vernetzt. „Wir sind oft die Ersten, die neue Funktionen testen dürfen. Meta hat für uns eigene Ansprechpartner, die uns frühzeitig über geplante Änderungen informieren und unser Feedback einholen, bevor Updates global ausgerollt werden.“ Besonders größere Influencer hätten direkte Kontakte: „Bei mir sind es drei Ansprechpartner von Meta. Sie fragen uns, ob neue Features sinnvoll sind, bevor sie überhaupt programmiert werden. Es fühlt sich an, als hätten wir ein kleines Mitspracherecht.“ Dieses Privileg sei nicht nur spannend, sondern auch strategisch entscheidend: „Wir sind diejenigen, die die App aktiv nutzen und durch unsere Inhalte Werbekunden anziehen. Deshalb ist es auch in Metas Interesse, uns in Entwicklungen einzubinden.“

Die Schattenseiten des Influencer-Tourismus

Nicht alles glänzt. Neben dem Content-Druck gibt es eine ökologische Verantwortung. Der CO2-Fußabdruck einer Reiseinfluencerin ist gerne bis zu zehnmal höher als der eines durchschnittlichen Menschen. „Ich achte darauf, nachhaltige Hotels auszuwählen oder Orte, die in Umweltschutz investieren“, erklärt sie. Dennoch lassen sich Flüge oft nicht vermeiden, besonders bei kurzen Aufenthalten.

Reiseinfluencing im Wandel

Die Reisebranche verändert sich. Die Strandclubs von Mykonos und die blauen Dächer Santorins sind längst mit Touristen überfüllt. Die Authentizität der Orte liegt in weiter Ferne. Verena ist klar: Reisende wollen unentdeckte Orte, Geheimtipps und echte Erlebnisse von ihren Lieblingsinfluencern sehen.

Und wer erfolgreich sein will? Der muss nicht Millionen Follower haben. „Viel wichtiger ist eine Community, die sich wirklich interessiert. Qualität schlägt Quantität.“ Ihr Tipp an Nachwuchs-Influencer: Eine Nische finden und sie mit Leidenschaft bespielen.

Ob in der First-Class-Suite über den Wolken, in einer abgelegenen Berghütte oder auf einem High-Fashion-Event in den Alpen – Verena zeigt ihren Followern die scheinbar perfekte Welt. Doch hinter jedem Sehnsucht erzeugenden Bild steckt harte Arbeit, strategisches Denken und die ständige Herausforderung, den Spagat zwischen luxuriöser Scheinwelt und Realität zu meistern.

 

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