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Ex-FPÖ-Politiker in iranische Milliardengeschäfte verwickelt

EXKLUSIV. Der ehemalige FPÖ-Nationalratsabgeordnete und jetzige steirische Landesbedienstete Walter Rauch ist Teil einer Affäre rund um Milliarden aus iranischen Erdölgeschäften und gefälschte Nationalbank-Dokumente. Sein indirekter Auftraggeber im Hintergrund war ein internationaler mutmaßlicher Milliardenbetrüger.
Bernadette Krassay  •  18. März 2025 CvD    Sterne  422
Ex-Walter Rauch: Bei einem Sommerurlaub in Kroatien lernte er einen iranisch-Österreichischen Mittelsmann kennen und willigte ein, bei der „Ausfolgung“ von „Zahlungsmitteln“ in Höhe von 27,9 Milliarden Euro behilflich zu sein. (Foto: Michael Indra / SEPA.Media)
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Im Jahr 2021 war der damalige Abgeordnete zum Nationalrat, Walter Rauch, auf der Suche nach 27,9 Milliarden Euro in bar. Das Geld sollte auf insgesamt 279 Paletten zu je 100 Millionen Euro liegen. 

Was zunächst zu absurd klingt, um wahr zu sein, ist gut belegt. Rauch wurde bei der Firma Loomis vorstellig, die auf Geldtransporte vor allem für Banken spezialisiert ist. Er stellte sich als Bevollmächtigter eines iranischen Finanzunternehmers namens Farzin Koroorian Motlagh vor und legte der Geschäftsführerin der Loomis Österreich GmbH, Regina Mittermayer-Knopf, entsprechende Dokumente vor. Er fragte an, ob Loomis das Geld eingelagert habe und verlangte diesfalls dessen Herausgabe. 

27,9 Milliarden Euro würden bei einer Stückelung je zur Hälfte in 500- und 200-Euro-Scheinen rund 100 Tonnen wiegen. Rauch hätte also mit mindestens fünf Sattelschleppern vorfahren müssen, um das Geld mitzunehmen.

Der iranische Finanzunternehmer Farzin Koroorian Motlagh war bereits in der Vergangenheit aufgefallen, als dubiose Figur, als jemand, der tatsächlich Paletten voller Bargeld durch die Welt schickt.

Was hat Rauch, im Hauptberuf Bediensteter des Landes Steiermark mit Zuständigkeit für Straßenbau und Brückenerhaltung, mit dem iranischen Finanzunternehmer Motlagh zu tun? Wie geriet er in eine Affäre rund um gefälschte Nationalbank-Dokumente, Strohfirmen, iranische Erdölgeschäfte, Geheimdienste und Milliarden in bar auf Geldpaletten? campus a hat die Causa in monatelangen Recherchen auf Basis eines Dossiers mit einschlägigen Unterlagen, internen E-Mail-Korrespondenzen und Aussagen handelnder Personen dokumentiert.

Begegnung am Strand

Für Walter Rauch begann alles bei einem Sommerurlaub auf der kroatischen Halbinsel Istrien. In der Nähe des Badeortes Medulin lernte er den in Österreich lebenden Iraner Kiam Zainab (Name von der Redaktion geändert) kennen. Man verstand sich auf Anhieb. Rauch wuchs in Bad Gleichenberg auf. Zainab lebt in Graz und ist mit der Politik einigermaßen vertraut. Er ist als Berater vorwiegend im steirischen Polit-Umfeld tätig. 

Nachdem bei einem Abendessen das Vertrauen hergestellt war, kam Zainab auf einen Auftrag zu sprechen, den er jüngst angenommen hatte und bei dem er sich Unterstützung durch einen in Wien gut vernetzten Politiker erhoffte: bei der Beschaffung von Milliarden im Auftrag eines geheimnisvollen iranischen Geschäftsmannes.

Anlässlich des Besuches einer iranischen Wirtschaftsdelegation in der Steiermark habe ihn einer der Delegierten beiseite genommen, erzählte Zainab Rauch. Der Mann gehörte nach Zainabs Einschätzung dem iranischen Geheimdienst an. Es lägen hohe Vermögenswerte eines gewissen Farzin Koroorian Motlagh in Österreich und anderen Ländern. In bar auf Paletten sowie auf Bankkonten, so der Delegierte. Gesucht sei jemand mit guten Kontakten, der anhand vorliegender Dokumente über Motlaghs rechtmäßige Eigentümerschaft des Geldes bei Banken und Geld-Transporteuren dessen Ausfolgung betreiben könne. 

Ob Zainab und Rauch in Kroatien besprachen, aus welchen Geschäften dieses Vermögen stammen könnte, ist unklar. Vermutlich handelte es sich zumindest zum Teil um Gelder aus Erdöl-Deals, die der Iran vorbei an den amerikanischen Sanktionen gegen das Land abgewickelt hatte oder abwickeln wollte. Auch Gelder, die Schah Reza Pahlavi bei seiner Flucht aus dem damaligen Persien im Jahr 1979 außer Landes gebracht hatte, könnten eine Rolle spielen. Ebenso Gelder des ehemaligen irakischen Langzeitdiktators Saddam Hussein. 

Er habe eingewilligt, beim Auffinden von Motlaghs Vermögen behilflich zu sein, erzählte Zainab Rauch jedenfalls. Dabei habe er sich ausbedungen, Dritte an Bord holen zu dürfen. Womit Rauch im Spiel war. 

Reales Vermögen

So absurd, wie es zunächst scheinen mag, ist die Sache bei näherem Hinsehen nicht. Denn Motlagh war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgefallen, zwar als dubiose Figur, allerdings auch als jemand, der tatsächlich Paletten voller Bargeld durch die Welt schickt.

Zum ersten Mal von sich reden machte er, als im Jahr 2007 am Moskauer Flughafen eine Ladung mit 20 Milliarden Dollar auf insgesamt 200 Holzpaletten zu je 100 Millionen Dollar strandete. Die amerikanische Firma Brink’s, die weltweit Sicherheitsdienstleistungen wie Geld- und Werttransporte anbietet, hatte sie laut den britischen Tageszeitungen Independent und Daily Mail von Frankfurt nach Moskau geliefert. Motlagh schien als Absender des Geldes auf, mysteriöserweise fehlte aber ein Empfänger. 

Mehrere russische Geheimdienste übernahmen die Kontrolle über die Milliarden und verwahrten sie in schwer gesicherten Lagerhallen des Moskauer Flughafens. Armenier, Türken, Kurden, Japaner und auch Mitglieder des Terrornetzwerkes Al-Qaida sollen den britischen Medienberichten zufolge Ansprüche darauf erhoben haben. Auch kriminelle Organisationen, tschetschenische Gruppierungen und ukrainische Gangster sowie einige Geheimdienste reklamierten demnach das Geld für sich. 

Eine von russischen Geheimdienstmitarbeitern geführte Organisation namens „Welt der freundlichen Menschen“ soll Anwälten ein Honorar in Höhe von zwei Milliarden Dollar geboten haben, sollten sie den Fall gegen die Behörden gewinnen und das Geld freibekommen. Allerdings wollte kein russischer Anwalt das Angebot annehmen, so die Daily Mail unter Berufung auf einen Informanten mit dem Decknamen „Iwan“.

Nicht nur dieser Fall weist darauf hin, dass Motlagh tatsächlich ein Milliardenjongleur ist. Rauch lag ein notariell beglaubigtes Dokument vor, das weitere Hinweise auf die tatsächliche Existenz des Geldes in Österreich lieferte. Demzufolge hatte Brink’s derartige Paletten auch nach London geliefert. Immer wieder taucht Motlaghs Name bei solchen dokumentierten Geldlieferungen auf. Und immer wieder in Zusammenhang mit Frankfurt und der Deutschen Bank. Einmal ist von 68 Paletten Feingold die Rede, die im Auftrag Motlaghs von ihr an ein Lagerhaus in Abu Dhabi gingen. Angesichts von Motlaghs Vorgeschichte könnten diese Dokumente gefälscht sein. Zumindest die Geldpaletten in Moskau waren aber sehr real. Warum sollten es also nicht auch die in Österreich gewesen sein? 

Zeugenaussagen und Bankbestätigungen

Bei seiner Suche nach den auf Banken liegenden Motlagh-Milliarden motivierte Rauch wohl auch ein Bericht der österreichischen Nachrichtensendung ZIB 2 aus dem Jahr 2016. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Rechtsabteilung der iranischen Botschaft in Wien erklärte darin, er sei jahrelang mit der Suche nach iranischen Milliarden betraut gewesen. Vor laufender Kamera sagte er wörtlich: „Ein Teil (des Geldes, Anmerkung) liegt bei der Unicredit, der Bank Austria, (…), der andere Teil bei der Raiffeisenbank.“ Beide Banken erklären auf campus a-Anfrage sinngemäß, zu konkreten Fällen keine Aussage treffen zu können aber selbstverständlich mit allen zuständigen Behörden, zu denen auch die Österreichische Nationalbank (OeNB) gehört, transparent zusammenzuarbeiten. Auch die Deutsche Bank erklärt auf campus a-Anfrage: „Wir können aus rechtlichen Gründen tatsächliche oder potenzielle Kundenbeziehungen nicht kommentieren. Die Deutsche Bank setzt geltende Sanktionen entsprechend um.“

Zudem lagen Rauch Dokumente der OeNB, unterzeichnet von deren früherem Präsident Claus Raidl, sowie der Europäischen Zentralbank (EZB), unterzeichnet von niemand geringerem als deren früherem Präsidenten Mario Draghi, vor. Beide Dokumente bestätigten, dass der Iraner Motlagh Eigentümer von „Vermögenswerten, Geldern und Besitztümern“ sei, die „transparent“ und „rechtmäßig erworben“ seien. 

Warum also nicht Zainab etwas zur Hand gehen? Schließlich waren die Honoraraussichten gelinde gesagt verlockend. Laut einem campus a vorliegenden Papier dazu planten Motlagh und Zainab die Gründung einer Privatstiftung, in die alle „freiwerdenden Zahlungsmittel“ fließen sollten. Stiftungszweck: „Förderung und Unterstützung der österreichischen und deutschen Wirtschaft“ sowie Finanzierungen in sozialen Bereichen wie Altenbetreuung. 

Zainab sollte als Entgelt für seine Dienste lediglich eine nicht näher bezifferte „Versorgung“ seiner Familie erhalten. Anders Rauch und ein oberösterreichisches Finanzunternehmen, das er zur Unterstützung dazuholte. Gemeinsam sollten sie laut dem Papier von der „ausgefolgten Gesamtsumme“ nicht weniger als „12 Prozent zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer“ für sich behalten dürfen. Bei Beschaffung der von ihnen allein in Österreich vermuteten 27,9 Milliarden Euro hätte das Honorar Rauchs und seiner Mitstreiter somit rund 3,3 Milliarden Euro plus Umsatzsteuer ausgemacht. 

Iranisches Erdöl: Nach den amerikanischen Sanktionen versuchte das Regime, Geschäfte über Strohmänner und -firmen abzuwickeln. Insider vermuten, dass es bei Milliardenbeträgen in bar, die in Moskau, London und möglicherweise auch in Wien ankamen, um Gelder aus solchen Geschäften handelt. (Foto: shutterstock)

Zwar wären hiervon noch Provisionen und Honorare für weitere Mittelsmänner abzuziehen gewesen, sollten solche benötigt werden. Doch die Entschädigung für die erbrachten Leistungen wären enorm geblieben. Allein die Umsatzsteuer darauf hätte rund ein Zehntel des aktuellen Finanzloches in der österreichischen Budgetplanung geschlossen.

Dubiose Herkunft des Geldes

Das Geldsucherteam war nun zu fünft. Es bestand aus Zainab, Rauch und drei oberösterreichischen Finanzern. Angesichts dieser blendenden Aussichten auf Reichtum und der scheinbaren Bestätigungen von OeNB und EZB dürfte man sich nicht viele Gedanken über die Herkunft von Motlaghs gesuchtem Vermögen gemacht haben. Der Name Motlagh tauchte laut deutschen Finanzkreisen immer wieder in Zusammenhang mit Dokumentenfälschung auf. 2010 liefen gegen ihn in Dubai Ermittlungen wegen Milliardenbetrugs. Beides dürften die Glücksritter mit Rauch nicht gewusst haben.

Anhaltspunkte für die Existenz der österreichischen Milliarden gibt allerdings der Moskauer Vergleichsfall. Motlagh stand laut den britischen Berichten in Verbindung mit iranischen Ölgeschäften. Die sind seit vielen Jahren nur noch schwierig abzuwickeln.

Die USA hatten bereits 1979 Sanktionen gegen den Iran verhängt. Dies nach der Islamischen Revolution und später wegen des iranischen Atomprogramms. 2012 untersagte die Obama-Regierung ausländischen Banken, mit der iranischen Zentralbank Geschäfte zu machen. Seit 2018 bestehen neue Sanktionen, insbesondere aufgrund des Ausstiegs des Iran aus dem Atomabkommen. Die USA bestrafen ausländische Unternehmen, die iranisches Erdöl kaufen oder mit iranischen Banken Geschäfte machen. Dadurch ist der offizielle internationale Handel mit iranischem Öl drastisch eingeschränkt.

Der Iran soll deshalb seit Jahren versuchen, seine milliardenschweren Erdölgeschäfte über Strohmänner und Strohfirmen abzuwickeln. Das amerikanische FBI beobachtet diese Bestrebungen und friert Gelder ein, wenn es sie erkennt. Motlagh könnte einer dieser Strohmänner sein. Der Mann gründete in England reihenweise Briefkastenfirmen, um sie wieder zu schließen und andere zu eröffnen.

Der Iran soll seit Jahren versuchen, seine milliardenschweren Erdölgeschäfte über Strohmänner abzuwickeln. Das amerikanische FBI beobachtet diese Bestrebungen und friert Gelder ein, wenn es sie erkennt. (Foto: picturedesk)

Das passt auch zu dem, was ein mit der Causa sehr gut vertrauter Informant campus a sagt. Motlagh sei wahrscheinlich gemeinsam mit dem iranischen Geheimdienst in die Versuche des Iran, bei Erdölgeschäften Sanktionen zu umgehen, involviert gewesen. „Motlagh versucht nun in vielen Ländern, solche Gelder freizubekommen, indem er über Vermittler vor Ort eine private Eigentümerschaft nachweist“, so der Informant weiter. „Dabei ist er bereit, mit den jeweiligen Staaten verdeckte Deals einzugehen, was in Diktaturen leichter ist als in Demokratien wie Österreich.“ Dass dabei Geldpaletten mit Absender aber ohne Adressaten in Städten wie Moskau und vielleicht auch in Wien auftauchten, könnte laut den britischen Medienberichten Folge einer gründlich missglückten Geldwäscheaktion mit Beteiligung Motlaghs gewesen sein.

Dass ein Teil der Gelder aus einem Vermögen stammen könnte, das Schah Reza Pahlavi bei seiner Flucht aus dem damaligen Persien ins Ausland brachte, stellte der ehemalige Mitarbeiter der iranischen Botschaft in seinem bereits zitierten Interview mit der ZIB 2 in den Raum. Vor allem die bei der Bank Austria und bei der Raiffeisenbank liegenden Gelder würden aus dieser Quelle kommen, sagte er vor laufender Kamera. Der Mann arbeitet inzwischen als Spezialist für diplomatische Vertretungen bei einem Versicherungsunternehmen, auf dessen Homepage auch seine Handynummer steht. Als campus a ihn nach den iranischen Geldern fragt, legt er wortlos auf.

Akribische Suche

Die Existenz der österreichischen Milliarden scheint aufgrund all dieser Hinweise jedenfalls plausibel zu sein. Dementsprechend beschwingt machte sich das Team mit Rauch auf die Suche danach. Unter anderem erstellte man ein mit dem Hinweis „internes Dokument – vertraulich“ versehenes Organigramm mit dem Titel „Kapitallösung“. Es zeigt nicht nur sie selbst mit Foto und Kurzbeschreibung ihrer Rolle, sondern auch ein Netzwerk von teils prominenten Bankern und Beratern, die sie bereits „mandatiert“ hatten oder einbeziehen wollten. 

Die OeNB und ihre Spitzenleute sind darin besonders präsent. Ebenso der damalige Aufsichtsratspräsident der Deutschen Bank, Paul Achleitner. Schließlich hatten Zainab und Rauch von Motlagh auch die Aufgabe übernommen, in Deutschland, Großbritannien und Ungarn die Ausfolgung weiterer, offenbar ebenfalls sagenhaft hoher Geldbeträge zu betreiben.

Das Quintett heckte Strategien aus. Zum Beispiel darüber, wie an Achleitner heranzukommen wäre. Ein möglicher Vermittler namens Arnulf Berger (Name von der Redaktion geändert) ist rasch identifiziert. „Ich habe mich über Berger schlau gemacht“, heißt es in einer internen E-Mail. „Er ist extrem eng mit Paul Achleitner (…). Wir sollten eine Annäherungsstrategie besprechen.“ Heraus kommt dabei wenig. Achleitner zeigt sich dem Vernehmen nach zunächst interessiert, will von der Sache dann aber nichts mehr wissen.

Die Kontaktaufnahme mit der Nationalbank ist für Rauch einfach. Sein Parteifreund Eduard Schock ist Mitglied des OeNB-Direktoriums. Noch vor dem Termin bei Loomis kommt es zu einem Treffen zwischen Rauch, Zainab und Matthias Schroth. Schroth ist OeNB-Direktor der Abteilung für Bargeldmanagement, Beteiligungen und Interne Dienste. Rauch und Zainab legen die vom vormaligen OeNB-Präsidenten Raidl unterfertigte Vermögensbestätigung auf den Tisch. Sie unterstellen, dass auf Nationalbankkonten Motlagh-Gelder liegen und verlangen deren Auszahlung.

Firmengründung für Finanztransaktionen

Die Geldsucher sind auf ihren Erfolg gut vorbereitet. In der Unterschriftenleiste für den Entwurf der „Mandats- und Bevollmächtigungsvereinbarung“ stehen zwei Namen und ein Unternehmen. Farzin Koroorian Motlagh, der allerdings nicht selbst zeichnet, sondern durch Zainab vertreten ist. Zainab ein zweites Mal, diesmal „in eigener Sache handelnd“. Und eine RFKH GmbH. Das „R“ im Firmennamen steht für Rauch, die anderen drei Buchstaben für seine oberösterreichischen Partner. 

Dies geht aus dem Notariatsakt der eigens zur Abwicklung der erwarteten Milliardentransaktionen gegründeten Gesellschaft vom 9. Februar 2022 hervor. Rauch und das oberösterreichische Trio errichteten ein Geschäftskonto und zahlten das Stammkapital ein. Mit der Meldung der RFKH GmbH beim Firmenbuch wollen sie noch warten, bis das Erreichen des Geschäftsziels näher rückte.

Nationalbank winkt ab

Bei ihrem Termin bei der OenB blitzten Rauch und Zainab allerdings ab. Dies, obwohl sie sogar mit Klagen und dem Gang an die Öffentlichkeit drohten. „Tun Sie, was Sie wollen“, soll ihnen ihr Gesprächspartner Schroth recht entspannt bei einer Tasse Kaffee gesagt haben. „Es gibt keine derartigen Konten bei uns und wir können Ihnen nicht helfen.“

Nach dem Treffen ließ die OeNB die vorgelegten Dokumente ihres eigenen Hauses und der EZB überprüfen. Rasch stellten sie sich als Fälschung heraus. Obendrein als schlechte. Raidl hätte demnach seine Unterschrift zu einem Zeitpunkt geleistet, als er gar nicht mehr OeNB-Präsident war. 

Da keine Transaktion stattgefunden hatte, sah die OeNB keine Notwendigkeit für eine Anzeige wegen möglicher Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung. Um Anzeige nach dem Strafgesetzbuch wegen Urkundenfälschung zu erstatten, dafür erschien ihr die Fälschung zu schlecht gemacht. Für Rauch hatte seine Intervention deshalb keine Folgen und für Zainab fielen sie glimpflich aus. Er musste zu einem Termin in einer Grazer Polizeidienststelle kommen, wo ihn Beamte zu dem vermeintlichen OeNB-Papier befragten. „Wenn es sich um eine Fälschung handelt, dann habe nicht ich sie hergestellt“, gibt er sinngemäß zu Protokoll. Womit sich die Sache auch für ihn erledigt hatte. 

Abfuhr bei Loomis

Rauch und Zainab ließen sich davon nicht abschrecken. Tatsächlich bedeuten die gefälschten OeNB– und EZB-Papiere nicht zwangsläufig, dass auch die Bargeldpaletten Hirngespinste sind. Die beiden Papiere könnten den Zweck gehabt haben, bei einem Vorstoß auf gut Glück etwas vorweisen zu können, um so ins Gespräch über einen möglichen Deal zu kommen. 

Ein solcher Vorstoß dürfte auch das Interview gewesen sein, das der ehemalige iranische Botschaftsmitarbeiter der ZIB 2 gab. Woher hätte ein kleiner Mitarbeiter eines diktatorischen Regimes wie des iranischen den Mut nehmen sollen, sich öffentlich zu einer derart heiklen Causa zu äußern? „Er hat offenbar im Auftrag der iranischen Regierung gehandelt, die auf diese Weise Dinge in Bewegung bringen wollte“, sagt ein OeNB-Insider zu campus a. Man habe darauf aber „nicht einmal nicht“ reagiert. Zwar gäbe es bei der OeNB tatsächlich ein Konto mit eingefrorenem iranischem Geld, darauf lägen aber nur wenige 100.000 Euro.

Doch während der OeNB-Insider das vermeintlich von Claus Raidl unterfertigte Papier und das EZB-Dokument als „so schlecht gefälscht, dass es ein Scherzartikel sein könnte“, bezeichnet, verhält es sich mit den österreichischen Frachtpapieren anders. Sie sind sehr konkret. Demnach handelte es sich um drei Geldlieferungen mit 238 beziehungsweise 35 und fünf Paletten zu je 100 Millionen Euro Bargeld. Als Transporteur einer der Paletten ist Brink‘s genannt. Als Eigentümer scheint Motlagh auf. 

Milliarden auf Paletten: Bei einer Stückelung je zur Hälfte in 500- und 200-Euro-Scheinen wiegen 29,7 Milliarden Euro rund 100 Tonnen. Rauch und sein Team hätten mit mindestens fünf Sattelschleppern vorfahren müssen, um das Geld mitzunehmen. (Foto: shutterstock)

Als belastbarer Nachweis für die Existenz der gesuchten 27,9 Milliarden Euro eignen sich die Frachtpapiere zwar auch nicht. Sie tragen weder Stempel noch Unterschriften und wären ohne Aufwand auf jedem Computer herzustellen. Doch wozu hätte sich Motlagh die Mühe machen sollen, solche Papiere für nicht existierende Gelder zu fälschen und dann auch noch Leute anzuheuern, die sie ausfindig machen sollen?

Es war dann OeNB-Direktor und Rauch-Parteifreund Schock, der Rauch auf die Idee mit Loomis brachte. Denn bei den Palettenlieferungen nach Moskau und London schien jeweils Brink‘s als Transporteur auf, ebenso wie auf einem der österreichischen Frachtpapiere. Brink‘s betreibt zwar in Deutschland eine Niederlassung, nicht aber in Österreich. Im Bedarfsfall kooperieren die Amerikaner mit Loomis Österreich. 

Loomis TransporterGeldtransportunternehmen Loomis: Über Frachtpapiere für die Geldpaletten führt die Spur zu dem Unternehmen, das den Fall „ins Reich der Fabeln“ verweist. Man habe damit nichts zu tun gehabt. „Das ist Unfug.“ (Foto: Shutterstock)

Geldtransportunternehmen Loomis: Über Frachtpapiere für die Geldpaletten führt die Spur zu dem Unternehmen, das den Fall „ins Reich der Fabeln“ verweist. Man habe damit nichts zu tun gehabt. „Das ist Unfug.“ Doch auch dort blitzt Rauch ab. Nach dem eingangs erwähnten Meeting mit der Loomis Österreich-Geschäftsführerin Mittermayer-Knopf erhielt er von ihr am 1. September 2021 eine lange E-Mail, an deren Ende es heißt: „Abschließend möchte ich nochmals anmerken (…) dass diese Geschichte alles andere als seriös erscheint.“ 

Loomis schickte sogar noch ein an „NR Walter Rauch“ adressiertes Anwaltsschreiben hinterher. „Im Auftrag meiner Mandantin halte ich nochmals fest, dass meine Mandantin mit Transport oder/und Einlagerung von Werten des Herrn Motlagh niemals befasst war. Meiner Mandantin ist Herr Motlagh nicht bekannt, meine Mandantin stand mit Herrn Motlagh nie in einer geschäftlichen Beziehung.“

Auf eine campus a-Anfrage antwortet Mittermayer-Knopf ebenfalls per E-Mail und bezieht sich darin auf Rauchs Termin mit in der Nationalbank: „OeNB-Direktoriumsmitglied DDr. Eduard Schock hätte diese Story gleich ins Reich der Fabel verweisen können, wollte seinem Parteifreund offenbar aber nicht zu nahe treten und hat den Ball an uns weiter gespielt. (…) Unfug bleibt Unfug.“

Ähnlich reagiert Brink‘s Deutschland-Chefin Sabine Freund. „Ich weiß davon nichts“, teilte sie gegenüber campus a mit. „Wenn es einen Transport gegeben hätte, wüsste ich davon.“ Ihr Vorgänger im Job, der für den Transport zuständig gewesen wäre, hat das Unternehmen allerdings inzwischen verlassen.

Schweigsame Akteure

campus a erreicht Walter Rauch am Telefon. Der Steirer hatte im Oktober 2023 alle politischen Funktionen zurückgelegt. Aus freien Stücken, wie er damals Bekannten erzählte, und weil er wieder mehr Gestaltungsfreiräume für sein Leben haben wolle. Kurz nach seinem Polit-Ausstieg waren Gerüchte aufgekommen, Rauch habe FPÖ-Parteigelder verschwinden lassen. Eine entsprechende anonyme Anzeige führte zu einem Misstrauensantrag in Rauchs Bezirksparteileitung. So stand es unter anderem in den Tageszeitungen Der Standard und Kleine Zeitung. Erhärtet haben sich diese Gerüchte nie. Es gab weder ein Verfahren noch eine Verurteilung Rauchs. 

„Ich weiß von der Sache nichts und habe damit nichts zu tun“, sagt Rauch bei einem ersten Anruf. Konfrontiert mit einem E-Mailverkehr zwischen ihm und Loomis, in dem wesentliche Eckdaten seiner Bevollmächtigung zur Geldbeschaffung zur Sprache kommen, dementiert er weiter. Jemand habe seine E-Mail-Adresse gehackt. Wenige Wochen nach diesem ersten Telefonat ändert Rauch seine Strategie. Konfrontiert mit weiteren Rechercheergebnissen erklärt er, er werde dazu gar nichts sagen und sich mit seinem Anwalt beraten. Rauchs Partner in der RFKH GmbH dementieren, je von der Sache gehört zu haben. 

campus a fährt daraufhin nach Graz, um Rauchs iranisch-österreichischem Partner Zainab einen Überraschungsbesuch abzustatten. Der Mann wirkt nicht wie jemand, der mit Milliarden fragwürdiger Herkunft pokert. Er erweist sich vielmehr als freundlicher älterer Herr mit einem kleinen Ein-Mann-Büro, das den Charme der frühen 1980er-Jahre versprüht. Ein alter Radiorekorder in einem Regal, ein Schreibtisch, eine Sitzgruppe, die ihre Zeit hinter sich hat.

Zainabs Begrüßung fällt freundlich und neugierig aus. Erst als das Gespräch auf das gesuchte Geld kommt, verschließt sich sein Gesicht. „Ich weiß davon nichts“, erklärt er. Konfrontiert mit den campus a-Recherchen und Schriftstücken, die seinen Namen und seine Unterschrift tragen, scheint er den Tränen nahe zu sein und schüttelt den Kopf. „Ich kann und will dazu nichts sagen.“ Der Mann hat unübersehbar Angst. Auch Umfeld-Recherchen ergeben: Alle Beteiligten haben Angst. Ein Satz fällt immer wieder. „Lassen Sie die Finger davon. Das ist viel gefährlicher, als Sie denken.“

Ruhelose Geister

Zainab, Rauch und Rauchs oberösterreichische Partner haben die Suche nach dem Geld mangels neuer Anhaltspunkte inzwischen eingestellt. Ein Teil der Gruppe scheint aber weiterhin zu vermuten, dass Milliardenbeträge ungeklärten Ursprungs auf Paletten, in Lagerhallen und auf Konten der Nationalbank sowie anderer Banken liegen oder dass sie inzwischen andere unter sich aufgeteilt haben. 

Der ehemalige Abgeordnete zum Nationalrat Walter Rauch ist jetzt nur noch selten in Wien. In einem von ihm und Zainab unterzeichneten vierzeiligen Schriftstück vom 8. April 2024 heißt es: „Hiermit wird die abgeschlossene Mandatsvereinbarung und Bevollmächtigungsvereinbarung (…) mit sofortiger Wirkung gekündigt und storniert.“ Rauchs Milliardenträume scheinen geplatzt zu sein. Bei seinem Job als steirischer Landesbeamter verdient er monatlich geschätzte 2.400 Euro netto.

Doch während Loomis-Geschäftsführerin Mittermayer-Knopf und die OeNB die Causa leichthin als „Unfug“ abtun, bleibt doch ein weiteres Argument, das die Motlagh-Milliarden in Österreich real erscheinen lassen. Es ist die Angst, die alle Beteiligten verbindet. Wenn da nichts ist, woher kommt sie dann? 

Der Blick fällt noch einmal auf den Schattenmann Farzin Koroorian Motlagh, der in dem gefälschten OeNB-Dokument als „Sohn des Ali, Personalausweisnummer (…), ausgestellt in Shiraz, geboren 1967, wohnhaft in Teheran, Mirdamad (eine bekannte Hauptstraße in der Stadt, Anmerkung) Reisepass-Nummer (…)“ angegeben ist. Er taucht bei allen vergleichbaren Geldlieferungen und auf vielen Dokumenten in diesem Zusammenhang auf. Doch seine genaue Rolle bei alldem ist ungeklärt und die Informationen zu seinen Verbindungen mit dem iranischen Geheimdienst sind widersprüchlich. 

2013 gab es Mutmaßungen, Motlagh habe am Iran vorbei eigene Geschäfte gemacht. Er sei, hieß es in britischen Medienberichten, damals möglicherweise verstorben. An einem Herzinfarkt nach einem Verhör durch den Geheimdienst. Geht also die Gefahr wirklich von einem Mann namens Motlagh aus? Oder von Menschen, die seine Identität benützen? 

Ein Menschenleben ist wohl auch in Österreich weniger wert, wenn zweistellige Milliardenbeträge im Spiel sind, und zudem Geheimdienste von Ländern, die noch nie als zimperlich bekannt waren. 

Wenn die Milliardenpaletten aber tatsächlich real waren, bleibt die Frage, wo sie geblieben sind. Wenn, wie in Moskau und anderen Ländern auch, in Wien Geld mit dem Absender Farzin Koroorian Motlagh angekommen ist, womöglich tatsächlich 27,9 Milliarden Euro und ohne Adressat, wo ist es dann geblieben? Wer hat es sich geholt?

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