
Mit jeder Bewegung der Motorsense arbeitet sich Antonia ein Stück weiter hinauf zum Waldrand. Der Schweiß perlt ihr von der Stirn, während sie die Weidefläche mit Hanglage mäht. Die Arbeit und die Augustsonne zehren an ihren Kräften. Zeit für eine kurze Verschnaufpause. Der Anblick der Berglandschaft des Salzkammergutes und der nahe gelegene Wiestalstausee geben ihr ein Gefühl der Verbundenheit mit der Natur.
Von einem schattigen Plätzchen aus beobachtet sie die anderen Teilnehmer. Einige hantieren mit Hand- und Motorsensen, andere transportieren das abgemähte Gras ab oder genehmigen sich ebenfalls eine Pause, trinken Wasser und tragen eine weitere Schicht Sonnencreme auf. Sie alle sind Freiwillige, die ihren Sommerurlaub in das Projekt „Viel los im Moos“ des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) investieren. Es geht um die Erhaltung der Natur im Salzburger Wiestal.
Immer mehr Urlauber suchen die körperliche Aktivität in der Natur. Laut einer Gästebefragung des Marktforschungssystems T-MONA (Tourismus Monitor Austria) zum Sommer 2023 schätzen die Österreicher vor allem Wander-, Erholungs- und Natururlaube. Das nutzt der Alpenverein bei seinen Bemühungen um den Umweltschutz im Rahmen seiner sogenannten Umweltbaustellen und Bergwaldprojekte.
Teilnehmer wie Antonia arbeiten dabei an der frischen Luft, freuen sich über den guten Zweck ihrer Arbeit und lernen nebenbei einiges über Naturschutz und ökologische Zusammenhänge. So etwa weiß Antonia jetzt, dass brach liegende Flächen besonders gefährdet sind. Greift der Mensch nicht ein, setzen sich nur wenige Pflanzenarten durch und gefährdete Arten verschwinden. „Besonders gefällt mir die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten”, sagt Antonia. “So entstehen Freundschaften und das gemeinsame Arbeiten motiviert zusätzlich.“
Die angebotenen Projekte, zu denen etwa auch die „Almpflege Zirler Almen“ in Tirol oder das Bergwaldprojekt „Feichtaualm“ in Oberösterreich gehören, dauern jeweils eine Woche. Mähen, Entfernen invasiver Pflanzenarten und Jungbäume setzen, das sind die typischen Arbeiten. „Wir haben an einem Tag nur Goldruten entwurzelt und an einem anderen mehr Lebensraum für Flusstamarisken geschaffen“, erzählt Antonia.
Freiwillige bei Bergwaldprojekten helfen etwa auch dabei mit, Wanderwege zu reparieren und Schutzmaßnahmen gegen Muren und Lawinen zu schaffen. Auch Naturschutzgruppen, Landwirten und Waldbesitzern sind dabei. „Egal ob es darum geht, den Wald aufzuforsten, Almen zu entbuschen oder etwas für die Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt zu tun, diese sinnvolle Tätigkeit verbindet“, sagt Isolde Ladstätter. Die Journalistin leitet das P.U.L.S.-Pressepraktikum, ein Programm der Alpenvereinsjugend, das jungen Menschen Erfahrungen in der Pressearbeit vermittelt und ihnen die Teilnahme an Umweltprojekten ermöglicht.
Instandsetzung von Wanderwegen gehört zu den Hauptaufgaben der Freiwilligen des Alpenvereins. (Foto: APA/ Picturedesk)
Unterkunft in Selbstversorgerhütten oder Almhäusern sowie Verpflegung sind für die Freiwilligen kostenlos. Zudem organisiert der Alpenverein an Wochenenden gemeinsame Ausflüge. Antonia und die anderen Teilnehmer an „Viel los im Moos“ nutzen den Wiestalstausee oder den Fritzbach zur Abkühlung. Am Abend grillen sie an der offenen Feuerstelle, während sie nach Sternschnuppen Ausschau halten.
Auch während der Woche gibt es einen Ruhetag. Eine Fahrt mit der Seilrutsche Flying-Fox, eine Wanderung durch die Tiroler Alpen oder ein entspannter Tag am Fuschlsee stehen dann an. „Für mich hat sich die ganze Woche wie eine Mischung aus Abenteuer und Ferienlager angefühlt. Wir haben gemeinsam gekocht, im Bettenlager übernachtet und abends Karten gespielt“, sagt Emilie, ebenfalls Teilnehmerin bei „Viel los im Moos“.
Der Alpenverein hat die Projekte unter das Motto „Handeln, nicht nur reden“ gestellt. „Die engagierten jungen Menschen übernehmen selbst Verantwortung und setzen sich direkt für den Naturschutz ein“, so Robert Reischl, der „Viel los im Moos“ heuer zum neunten Mal leiten wird.
Bei Umweltbaustellen akzeptiert der Alpenverein allerdings nur Teilnehmer im Alter zwischen 16 und 30. Die Teilnahme an Bergwaldprojekten ist ab 18 möglich, dafür gibt es keine Altersobergrenze. Voraussetzung ist aber körperliche Fitness. Das Arbeiten mit der Sense oder das Entwurzeln von Pflanzen kann anstrengend sein. „Bei uns hatte jeder am zweiten Tag einen Muskelkater vom Feinsten und dadurch ist es nicht nur eine Belastung für den Körper, sondern auch für die Psyche”, erinnert sich Emilie. Auch Hitze und Regen müssen die Teilnehmer aushalten.
Zum Stichtag 31. Dezember 2024 verzeichnet der österreichische Alpenverein mit 726.284 Mitglieder einen neuen Rekord. Im Vergleich zum Vorjahr waren das mehr als 160.000 neue Mitglieder. Rund ein Fünftel seiner Mittel fließen laut eigenen Angaben in die Instandhaltung alpiner Infrastruktur wie Hütten und Wege.
Österreichischer Alpenverein im Höhenflug: Mitgliederrekord im Jahr 2024 (Foto: APA picturedesk)
Die Einnahmen durch Hüttennächtigungen und Pacht machen die Hälfte des Budgets aus. Der Rest sind vor allem Mitgliedsbeiträge. Die Freiwilligen helfen dem Verein zusätzlich, seine Ziele zu erreichen. Allerdings ist es trotz des Trends zum Aktivurlaub nicht ganz einfach für den Alpenverein, sie zu finden. Da die Projekte im Sommer stattfinden, berichten die Medien meist auch erst dann darüber. Zudem meinen viele Freiwillige, dass bei komplexen Aufgaben Fachkräfte effizienter wären und die Fortschritte ihre Motivation steigern würden.
Antonia steht nach ihrer Pause auf und greift mit neuer Energie zur Motorsense. Nach drei Tagen harter Arbeit sehen die Helfer bereits Fortschritte auf der Weidefläche. Um vier Uhr nachmittags versammeln sich alle am Rand der Fläche. Antonia blickt auf die geleistete Arbeit. Erschöpft und zufrieden steigt sie mit den anderen in den Bus. Sie zieht ihre Arbeitshandschuhe aus und lächelt, denn sie denkt schon an das kühle Wasser des Wiestalstausees.
Verfasse auch du einen Beitrag auf campus a.