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Optimismus kurbelt die Wirtschaft an

Raunzen, sudern, granteln, motzen. Österreicher schimpfen gerne. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage gibt es dafür scheinbar genügend Gründe. Der Wirtschaftspsychologen Josef Wegenberger empfiehlt: Denken wir positiv. Dann läuft auch die Volkswirtschaft wieder besser.
Anna-Katharina Patsch  •  24. März 2025 Redakteurin    Sterne  114
Mit Haltung durch die Krise: Wer Zuversicht zeigt, kann erstaunlich viel bewirken. (Foto: Shutterstock)
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campus a: Wie stark beeinflussen allgemeine Stimmungen und öffentliche Diskussionen die Wirtschaft?

Wegenberger: Sehr stark. Stimmungen bestimmen, wie Menschen Chancen einschätzen und ob sie investieren. Medien, Trends und vergangene Entwicklungen prägen diese Wahrnehmung. In unsicheren Zeiten verschieben Menschen Investitionen, sie konsumieren weniger, sie denken zweimal nach, bevor sie Geld ausgeben. Diese zehn prozentigen Einsparungen, und die können wir alle treffen, summieren sich. Und dann fehlen plötzlich zehn Prozent des Umsatzes in Unternehmen, weniger Geld fließt in den Markt, die Wirtschaft kühlt sich ab. Das erzeugt neue negative Schlagzeilen, die Unsicherheit wächst weiter. Und so dreht sich die Spirale nach unten.

campus a: Warum kaufen Konsumenten weniger und investieren weniger in die Wirtschaft, auch wenn sich ihre finanzielle Situation nicht verändert hat?

Wegenberger: Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Letztlich geht es immer um eine subjektive Einschätzung. Wie schätze ich meine eigene finanzielle Zukunft ein? Kann ich mir in drei Jahren noch leisten, was ich heute kaufe? Oder sollte ich lieber sparen, weil schlechtere Zeiten kommen könnten? Auch das Selbstbild ist entscheidend. Menschen sind unterschiedlich. Wer grundsätzlich optimistisch ist und das Gefühl hat, bisher alle Herausforderungen gut gemeistert zu haben, macht sich weniger Sorgen und konsumiert eher weiter. Wer dagegen in der Vergangenheit finanzielle Rückschläge erlebt hat oder generell eher vorsichtig ist, beginnt schnell, sich zurückzunehmen.

campus a: Also geht es weniger um die tatsächliche wirtschaftliche Lage als um die persönliche Wahrnehmung?

Wegenberger: Genau. Das Verhalten ist oft weniger rational, als man denkt. Manche Menschen reagieren auf Unsicherheiten, indem sie sich „warm anziehen“, also sparen und absichern. Andere wiederum entwickeln das genaue Gegenteil. Sie konsumieren bewusst, nach dem Motto: Jetzt noch genießen, wer weiß, was in Zukunft kommt.

campus a: Beeinflussen wirtschaftliche Krisen daher nicht nur das Budget, sondern auch die Psychologie des Konsums?

Wegenberger: Resilienz spielt eine große Rolle. Wer mit Unsicherheiten umgehen kann, verhält sich anders als jemand, der sich von Krisen gelähmt fühlt. Manche geraten in eine Art Hilflosigkeit, das kann sich in Passivität, aber auch in riskantem Verhalten wie übermäßigem Konsum, Alkohol oder anderen Bewältigungsstrategien äußern. Andere wiederum sagen sich: Ich kann es mir gerade noch leisten, also genieße ich jetzt, bevor es zu spät ist.

campus a: Kann diese pessimistische Einstellung auch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung werden? 

Wegenberger: Absolut. Das sieht man vor allem daran, wie Menschen auf Unsicherheiten reagieren. Viele ziehen sich zurück, nicht nur finanziell, sondern auch sozial. Sie verlieren den Glauben daran, ob sich Dinge zum Besseren wenden können, und kapseln sich immer mehr ab. Und genau da setzt die selbsterfüllende Prophezeiung an. Wer sich isoliert, hört keine anderen Meinungen mehr und bleibt in seinen negativen Überzeugungen gefangen. Widersprüche oder alternative Sichtweisen würden das eigene Selbstbild infrage stellen, also wehrt man sie ab. Das verstärkt die Spirale dann immer weiter. Je mehr sich jemand „in die eigene Meinungsgruppe“ zurückzieht, desto weniger sieht er Chancen und desto mehr festigt sich das negative Gefühl und die negative Stimmung.

campus a: Welche Rolle spielen die Medien in diesem Zusammenhang?  

Wegenberger: Eine enorm große. Die Berichterstattung beeinflusst, wie Menschen wirtschaftliche Entwicklungen wahrnehmen und oft auch, wie sie darauf reagieren. Matthias Horx hat vor Jahren den Begriff „Awfulizing“ geprägt: Viele haben das Gefühl, dass es „so wenig Zukunft gibt“. Das „Negativreden“, „Negativmachen“ und „Negativdenken“ zeigt Wirkung. Wenn große Namen wie Kika/Leiner oder KTM in den Schlagzeilen auftauchen und insolvent sind, entsteht schnell das Gefühl: Oh, die Wirtschaft steht wirklich schlecht da, ich muss noch vorsichtiger sein. Die Angst vor wirtschaftlichen Problemen verstärkt das Verhalten, das diese Probleme erst erzeugt oder verschärft. So können negative Schlagzeilen eine Entwicklung beschleunigen, die sich sonst vielleicht gar nicht in diesem Ausmaß ergeben hätte.

campus a: Wieso neigen Menschen dazu negative Nachrichten deutlicher wahrnehmen als positive? 

Wegenberger: Das hat viele Gründe, aber einer der deutlichsten ist: Negative Nachrichten erzeugen Emotionen und genau das hält unsere Aufmerksamkeit fest. Das berühmte Motto: „Only bad news are good news“, kommt nicht von ungefähr. Ein psychologischer Aspekt dabei ist das soziale Vergleichen. Wenn es jemand anderem schlechter geht, gibt zumindest manchen von uns, bewusst oder unbewusst, das Gefühl, dass es uns selbst gar nicht so schlecht geht.

campus a: Gibt es konkrete Strategien die Unternehmen anwenden können, um diese negative Stimmung aufzubrechen? 

Wegenberger: Ja, aber das muss in beide Richtungen gehen. Zwei wesentliche Aspekte sind dabei entscheidend: Vertrauen und Führung. Mitarbeiter:innen müssen das Gefühl haben, ihr Unternehmen oder ihr Team steuert gut durch schwierige Zeiten. Wenn dieses Vertrauen da ist, entsteht automatisch mehr Stabilität und eine positivere Grundhaltung. Unternehmen können eine positive Stimmung gezielt erzeugen, indem sie ihre Vision vermitteln. Zuversicht auszustrahlen und Maßnahmen zu setzen, die den Menschen das Gefühl geben: „Hier wird aktiv gesteuert, hier gibt es eine Strategie“, ist entscheidend. Letztlich ist das eine Frage der Wahrnehmung. Es muss nicht einmal objektiv eine perfekte Lösung geben, entscheidend ist, das Gefühl der Mitarbeiter:innen, die Führung hat alles im Griff. Genau da liegt die Herausforderung. Vertrauen zu schaffen und zu erhalten. Wenn das gelingt, kann man auch eine grundsätzlich negative Stimmung aufbrechen.

campus a: Könnte man ein ähnliches Konzept auf die politische Ebene anwenden? 

Wegenberger: Absolut, im Grunde funktioniert es genauso, nur mit einer viel größeren Masse. Ein zentrales Problem in der aktuellen politischen Landschaft ist, dass die Extreme, egal in welcher Richtung, oft am lautesten sind. Sie dominieren die öffentliche Debatte, während die große Mitte zunehmend passiv bleibt oder sich zurückzieht. Jede Veränderung durchläuft im Kern drei Phasen: Es gibt jene, die dafür sind, jene, die dagegen sind, und eine große Gruppe in der Mitte, die noch unsicher ist. Und genau diese mittlere Gruppe ist entscheidend.

campus a: Wieso sollte man sich auf diese mittlere Gruppe fokussieren? 

Wegenberger: Diese Menschen schwanken zwischen beiden Seiten, sie lassen sich jedoch von überzeugenden Argumenten positiv beeinflussen. Schafft man es, sie auf die Seite des Fortschritts zu bringen, gewinnt man automatisch die Mehrheit. Vielleicht setzt die Politik manchmal zu „vorsichtige“ Maßnahmen in zögerlichen Schritten um und das führt zu permanenter Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Stattdessen braucht es eine klare Strategie, eine transparente Kommunikation und eine Vision, die den Menschen vermittelt: Ja, wir haben Herausforderungen, aber wir haben auch einen Plan, wie wir sie lösen. Nur so kann man aus meiner Sicht langfristig Vertrauen und Zustimmung gewinnen.

Campus a: Wenn es darum geht, Vertrauen zurückzugewinnen und eine positive Grundstimmung zu schaffen, wie lässt sich langfristig die Wahrnehmung verbessern und aus der Negativspirale ausbrechen? 

Wegenberger: Wir müssen mit einem klaren Gesagt-Getan-Prinzip arbeiten. Es reicht nicht, nur über Lösungen zu reden. Es müssen auch sichtbare Schritte folgen. Das passiert nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess von mehreren Jahren. Ein Problem war in der Vergangenheit, dass wir vieles verdrängt haben und Herausforderungen teilweise heruntergespielt haben. Doch das führt häufig zum Vertrauensverlust der Menschen. Sie sehen selbst, Probleme existieren, und fühlen sich nicht ernst genommen, wenn ihnen „von oben“ vermittelt wird, dass „eh alles gut sei“. Offenheit und Transparenz schafft Vertrauen. Eine positive, optimistische Grundstimmung zu erzeugen, führt langfristig um Erfolg. Das sieht man auch im Sport: Ein Fußballteam, das in einer Niederlagenserie steckt, verliert oft auch Spiele, die es eigentlich gewinnen könnte, weil die negative Dynamik sich selbst verstärkt. Umgekehrt kann eine Siegesserie plötzlich ungeahnte Erfolge bringen. Diesen Flow gilt es zu erzeugen, durch Transparenz, durch Lösungen und durch eine Haltung, die vermittelt: Wir sind ein starkes Land, eine starke Gesellschaft und wir packen das gemeinsam an. Henry Ford hat das schön formuliert: Egal ob Du denkst, es gelingt Dir oder ob Du denkst, es gelingt Dir nicht – Du hast in beiden Fällen recht

Mag. Josef Wegenberger ist seit 1988 Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftspsychologie und Organisationsdynamik. Als studierter Psychologe spezialisierte er sich früh auf Wirtschaftspsychologie und widmet sich seither – gemeinsam mit seinem gesamten Team – der Entwicklung von Mitarbeiter:innen, Organisationen und Unternehmen. 

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