
Balatro war die Gaming-Sensation des vergangenen Jahres. Noch besser verkauften sich nur Sequels bereits bekannter Serien oder Spiele mit millionenschwerem Marketingbudget. Wie schaffte Balatro den Erfolg als Indie-Spiel? Schließlich hat das beste Spiel keine Chance, wenn niemand es kennt.
Zu Beginn hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Nur kleine, auf unbekannte Indie-Spiele spezialisierte YouTube-Kanäle schenkten Balatro Aufmerksamkeit. Der Entwickler mit dem „Künstlernamen“ LocalThunk konzentrierte sich zwar für ein halbes Jahr nur darauf, doch er wollte sich danach einen Job als Softwareentwickler suchen. Ein fertig entwickeltes Spiel wäre dafür nützlich, so seine Überlegung.
Der Wendepunkt kam im Juli 2024. Bis dahin hatten sich immerhin bereits 2.400 Kunden angemeldet, was nicht schlecht war, aber zu wenig, um den Lebensunterhalt damit zu bestreiten. Dann wurden zwei beliebte Streamer, Dan Gheesling und Northernlion, auf Balatro aufmerksam. Streamer sind in der Gaming-Welt wichtig. Sie spielen live im Internet und übertragen ihre Sessions in Echtzeit über Plattformen wie Twitch, YouTube Gaming oder Kick.
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Balatro war nun trotz weiterhin fehlenden Marketings nicht mehr aufzuhalten. Bis Ende Juli hatten es 24.000 Kunden gekauft, inzwischen sind es fünf Millionen. Auch die Kritiker liebten Balatro. Mit 9/10-Bewertungen in den meisten Rezensionen empfanden es viele als eins der besten Spiele, wenn nicht überhaupt als das beste. Die Game Awards 2024 bewiesen das.
Für die Gaming-Industrie sind diese Awards so wichtig wie die Grammys für die Musik-Industrie und die Oscars für die Film-Industrie. Im vergangenen Jahrzehnt wuchsen sie von einer relativ kleinen Show mit rund 1.900.000 Zuschauern zu einem Event, bei dem die Giganten in der Gaming-Sphäre, wie Nintendo und Sony, ihre Spiele vorstellen. Jedes Jahr bricht die Veranstaltung Publikumsrekorde. Mit 154 Millionen Zuschauern sind die Game Awards die mit Abstand beliebteste Award-Show in der Gaming-Sphäre.
Obwohl Balatro nicht den Titel „Spiel des Jahres“ gewann, war das Event alles andere als ein Flop für Entwickler LocalThunk. Mit drei Auszeichnungen musste sich Balatro bloß dem besten Spiel des Jahres, Astro Bot, geschlagen geben. Was umso erstaunlicher ist, da LocalThunk zuvor noch kein einziges Spiel vorgestellt hatte.
Durch größere Budgets, längere Entwicklungsdauer und bessere Endgeräte werden Videospiele immer größer und komplizierter. Viele der beliebtesten Spiele sind inzwischen für Laien kaum noch verständlich.
Genau in diesem Punkt unterscheidet sich Balatro. Es erfordert kein Vorwissen. Pokerkenntnisse helfen, doch sie sind keine Voraussetzung.
Im Grunde genommen ist Balatro ein Kartenspiel, in dem Spieler durch verschiedene Pokerhände Punkte sammeln und dabei ihr Deck durch sogenannte Joker-Karten stärken oder abändern können.
Klingt simpel? Ist es auch! Eine der größten Stärken Balatros ist es, innerhalb weniger Minuten für Laien verständlich zu sein. Doch obwohl das Spiel simpel ist, ist es bei Weitem nicht einfach. Eine Runde kann zwischen dreißig Minuten und einer Stunde dauern, und auf den höheren Schwierigkeitsstufen schaffen es nicht einmal Profis, jede Runde zu gewinnen.
Balatro ist ein Roguelike-Kartenspiel, das Poker mit strategischen Elementen kombiniert. Durch das Spielen von Pokerhänden müssen bestimmte Punktzahlen erreicht werden, um weiterzukommen. Spezielle Joker-Karten verleihen Boni oder verändern die Regeln, wodurch mächtige Kombinationen entstehen. Ziel ist es, mit geschickter Kartennutzung und klugen Entscheidungen möglichst weit zu kommen. Dazu kommen zwanzig „Challenges“, die Balatro auch noch nach hundert Stunden spannend halten.
Zudem überzeugt das Design. Obwohl es bloß ein Kartenspiel ist, sind Grafik und Soundtrack mehr als eine Nebensache. Visuell könnte ein Kartenspiel nicht besser gestaltet sein, und die Musik wurde zu Recht Soundtrack des Jahres bei den Game Awards.
Die Gaming-Industrie ist laut einer Studie von SuperData Research inzwischen die lukrativste Entertainment-Industrie. Die Kosten der Entwicklung eines sogenannten AAA-Games großer Entwickler wie Nintendo, Sony oder Microsoft sind dementsprechend gestiegen.
Das Entwicklungsbudget für solche Spiele beträgt teils mehr als 200 Millionen Dollar, und das Marketingbudget ist ähnlich hoch. Selbst Indie-Games haben oft Kosten im niedrigen siebenstelligen Bereich. Doch in einer Welt, in der die beliebtesten Spiele riesige Open Worlds bieten, in denen Spieler Charaktere durch eine Welt ohne Grenzen bewegen können, ist Balatro eine gern gesehene Abwechslung. Es gibt keine DLCs (Erweiterungen des Basisspiels) und keine Microtransactions (Käufe für echtes Geld innerhalb des Spiels). Süchtig macht nur das Spiel selbst. Balatro ist damit genau die Art von Spiel, die viele Menschen seit Jahren vermissen, aber leider auch die Art von Spiel, die mit dem Wachstum der Industrie immer seltener wird.
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