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Ein Polyester-Armband erleichtert das Leben chronisch Kranker

In den sozialen Medien herrscht Freude über ein neues Gesundheits- und Wellness-Produkt. Doch diesmal geht es nicht um die neue Apple Watch. „Visible“ ist für Menschen mit chronischen Erkrankungen konzipiert. Mit im Angebot: das Gefühl, nicht allein mit seinem Problem zu sein. Was kann das neue Wearable?
Sophia Tiganas  •  2. April 2025 Redakteurin    Sterne  404
Visible bietet einen speziellen Gesundheits-Tracker für chronisch Kranke an und gibt an, bereits über 100.000 Nutzer zufriedengestellt zu haben. (Foto: Shutterstock)
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Zunehmend treten chronisch kranke Menschen online mit einem neuen Accessoire auf. Es wirkt wie nichts weiter als ein schwarzes Polyester-Armband, das sich eher unangenehm anfühlt. Tatsächlich können damit chronisch Kranke ihre Gesundheit und ihre Energie im Blick behalten.

Der Gesundheits-Tracker der britischen Firma Visible geht gerade viral im Netz, zumindest in den Feeds und For-You-Pages von Menschen mit chronischen Krankheiten. Was ist an diesem schwarzen Armband so besonders? Und wie unterscheidet es sich von den vielen, bereits seit Jahren beliebten Fitness-Trackern?

So funktioniert Visible

Die Entwickler hatten ursprünglich Menschen Menschen mit Long Covid oder ME/CFS im Blick. Sie sollten mit dem neuen Angebot ihre Belastungsgrenzen besser erkennen und „Pacing“ (dosierte Aktivität) umsetzen. Das Ergebnis eignet sich für eine große Zahl an chronischen Erkrankungen.

Es beginnt mit dem Herunterladen einer App. Dort geben neue Nutzer persönliche Daten wie Alter, Geschlecht und die jeweilige Erkrankung an. Anschließend wählen sie aus, welche Symptome sie beobachten möchten, Müdigkeit, Schmerzen oder Magen-Darm-Probleme zum Beispiel. Sie können auch festhalten, welche Belastungen sie besonders stressen, seien es physische, kognitive oder soziale.

Wer nicht gleich für das nächste digitale Experiment im Kampf gegen seine Beschwerden bezahlen will, kann die App kostenlos herunterladen. Sie misst auch ohne Armband den Puls, über die Handykamera, indem sie minimale Farbveränderungen der Haut analysiert. Nach den ersten vier Tagen berechnet Visible dann die „Morning Stability“, eine Art Basiswert für den persönlichen Gesundheitszustand.

Frau mit Polyster BandVisible verspricht bessere Selbstregulation und Rückfallprävention bei chronischer Erschöpfung. (Foto: makevisible.co)

Das Visible-Armband, erhältlich in den USA und in England um rund neunzig Euro, ermöglicht dann weitere Nutzungen. Allerdings nur für Kunden, die sich zusätzlich zum Kaufpreis eine monatliche Premium-Mitgliedschaft leisten wollen. 

Was Visible kann

Zu den Besonderheiten des Armbands gehört eine durchgehende Messung von Herzfrequenz, Herzrhythmusvariabilität und Herzbelastung. Es warnt Nutzer, sobald sie sich überanstrengen. Ohne Wearable sind nur morgendliche und abendliche Check-ins möglich, und sie erfordern eine manuelle Symptomeingabe.

Im Gespräch mit campus a erklärt der Gründer von Visible, Harry Leeming, auch den Unterschied zwischen seinem Armband und den etlichen Fitness-Tracker, die sich bereits vor Jahren auf dem Markt etabliert haben.

„Fitness-Tracker ermutigen die Nutzer oft dazu, mehr zu tun, nicht weniger. Das Herzstück von Visible ist das Konzept der Energiebudgetierung, auch Pacing genannt,” so Leeming. „Für Menschen, die mit energiebegrenzenden Krankheiten und Unwohlsein nach der Anstrengung leben, ist dies eine wichtige Strategie zur Bewältigung der Symptome.”

Darüber hinaus werden Fitness-Tracker mit Blick auf einen gesunden Körper entwickelt und optimiert. Leeming erklärt: “Visible wurde von Grund auf mit dem Input von Tausenden von Menschen entwickelt, die mit energieeinschränkenden Krankheiten leben, und von einem Team mit Lebenserfahrung mit Long Covid und ME/CFS. Das bedeutet, wir können Tools entwickeln, die speziell für Krankheit und nicht für Fitness entwickelt wurden.”

Nicht so teuer, aber auch kein Schnäppchen

Trotz der digitalen Begeisterung gibt es Kritik: Visible ist offiziell kein Medizinprodukt und ersetzt keine ärztliche Beratung, auch wenn es diesen Eindruck leicht erwecken könnte. Zudem vermissen viele Nutzer eine Schlaf-Tracking-Funktion, die vergleichbare Technologien sehr wohl anbieten.

Der Preis stößt ebenfalls auf Unmut. Zwar ist Visible in der Anschaffung eher günstig, doch dazu kommt die monatliche Gebühr für die Premium-Mitgliedschaft. Was das Leben für chronisch Kranke mit ihren laufenden Ausgaben für Medikamente und Behandlungen noch teurer macht.

Viele Fans im Netz

Trotz dieser Minuspunkte genießen die App und das neue Gadget im Netz überwiegend positive Bewertungen. Denn für viele Betroffene ist das System mehr als ein Tracker. Es gibt ihnen das Gefühl, nicht allein mit einer vergleichsweise seltenen Krankheit zu sein.

Innovation oder Ideen-Recycling?

Sogenannte Health-Tracker sind kein neues Phänomen. Oura Ring (Schlaftracking und Aktivitätsmonitoring), Welltory (Stress- und Energielevel-Analyse) und Bearable (Symptom-Tracking ohne Wearable) sind bereits am Markt etabliert. Für die Zielgruppe chronisch Kranke gab es allerdings noch kein vergleichbares Wearable. Ob sich der Hype langfristig hält, wird sich zeigen. Doch für viele chronisch Kranke ist das Armband schon jetzt ein kleines Stück Empowerment.

Ebenfalls noch offen ist, ob sich Visible bald auch in Europa durchsetzen wird. Es gäbe einen Plan zur internationalen Weiterentwicklung, heißt es auf der Website der Firma.


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