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Techno-Mette zu Ostern: Wenn die Kirche zum Club wird

Am Ostersonntag wummern in Feldkirch die Bässe. Während oben im Dom Gläubige die traditionelle Messe feiern, verwandelt sich der Kirchenkeller in einen Techno-Club. Doch was hat elektronische Musik mit der Auferstehung Christi zu tun?
Sophia Tiganas  •  15. April 2025 Redakteurin    Sterne  404
Ostern unter Strobo-Lichtern: In einem Kirchenkeller in Feldkirch feiern junge Menschen eine Techno-Messe, gleichzeitig findet über sie die übliche Mitternachtsmesse statt. (Foto: Junge Kirche Vorarlberg)
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Mitternacht in der Kirche. Kerzen flackern in den Händen der Gläubigen, die sich zur österlichen Mitternachtsmesse versammelt haben. Ihr Schein tanzt auf den ernsten Gesichtern. Ein leiser Gesang beginnt, wird lauter, wächst zum Chor. Doch währenddessen dringt aus dem Keller der Feldkircher Pfarrei ein ganz anderer Klang: Elektronische Beats erweitern hier den üblichen kirchlichen Choral.

Traditionell verbringen Gläubige die Osternacht in andächtiger Stille unter den geweihten Gewölben, während die Worte eines Pfarrers durch den Kirchenraum hallen. Feldkirch aber bietet eine alternative Feiermöglichkeit: Parallel zur klassischen Messe zelebrieren im Domkeller junge Christen die Auferstehung Christi mit Techno-Beats. Doch was verbindet pulsierende Elektromusik mit dem höchsten Fest der Christenheit? Und wie passt Clubkultur zur österlichen Botschaft?

Mitternacht zwischen Tradition und Techno

Seit drei Jahren verwandelt die Junge Kirche Vorarlberg den Domkeller der Pfarre in Feldkirch in einen ungewöhnlichen spirituellen Club, wo Techno auf christliche Botschaften trifft. Die Idee zu dieser unkonventionellen Feier entstand im Kopf eines religionsbegeisterten Technofans, wie Corinna Peter von der Jungen Kirche Vorarlberg im Gespräch mit campus a erzählt: „Unser ehemaliger Mitarbeiter, selbst in der Technoszene verwurzelt und gleichzeitig Religionslehrer, sah in den lebendigen und rhythmischen Beats der elektronischen Musik etwas zutiefst Existenzielles“, erklärt sie. „Für ihn war dieser unaufhörliche Rhythmus wie ein Herzschlag, das grundlegendste Zeichen von Leben. Und was könnte passender sein für das Osterfest, an dem wir das Leben feiern?“

Die Techno-Mette richtet sich bewusst an jene, die mit traditionellen Gottesdienstformen wenig anfangen können. „Wir bieten dieselbe österliche Botschaft an, nur in einer Verpackung, die für manche ansprechender ist“, beschreibt Peter das Konzept. Der Ablauf verbindet kirchliche Rituale mit Club-Atmosphäre: Nach der Segnung der Osterkerze durch Bischof Benno Elbs beim traditionellen Osterfeuer strömen die Besucher in den zum „Club“ umfunktionierten Domkeller. Zwischen der Bar, wo auch Bier zur Verfügung steht, und visuellen Projektionen mit biblischen Texten legt eine DJane elektronische Musik auf.

Party in der Kirche?

Laut Peter wird allerdings aus der ungewöhnlichen Mischung von Andacht und Party kein Durcheinander. „Entgegen mancher Vorurteile sind die Jugendlichen respektvoll“, betont sie. „Es ist noch nie vorgekommen, dass jemand sich daneben benommen hätte. Vielleicht unterschätzen wir junge Menschen oft in ihrer Ernsthaftigkeit.“

Die Techno-Mette ist nur eines von mehreren innovativen Projekten der Jungen Kirche Vorarlberg. Ein Jugendzentrum mitten in Feldkirch kombiniert beispielsweise Seelsorge-Angebote mit Kleidertausch und lockeren Bibelgesprächen, liebevoll „Bierbel“ genannt. Auch beim Musikfestival Szene Open Air präsentiert sich die Kirche mit einer knallbunten Pop-up-Kirche mitten im Festivalgelände. „Wir wollen dort sein, wo die Menschen sind, nicht nur in unseren gewohnten Räumen“, erklärt Peter das Konzept.

Im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne

Die Reaktionen auf diese unkonventionellen Ansätze fallen überwiegend positiv aus. „Diejenigen, die unsere Techno-Mette besucht haben, waren durchweg begeistert“, berichtet Peter. Selbst anfängliche Skeptiker ließen sich meist überzeugen, sobald klar wurde, es handelt sich nicht um einen Ersatz, sondern um eine Ergänzung zum traditionellen Gottesdienst.

Doch nicht alle stehen dem Projekt unvoreingenommen gegenüber. Einige konservative Gemeindemitglieder äußerten Bedenken gegenüber der ungewöhnlichen Form der Glaubensvermittlung. „Junge Leute sollten sich so oder so für die Kirche interessieren, nicht nur, weil es eine Party ist“, erklärt auf Nachfrage eine 50-jährige Christin aus Vorarlberg als Reaktion auf die Techno-Messe.

Diese Kritik kommt allerdings nicht als Überraschung für das Organisationsteam: „Für manche ist die Verbindung von Techno und Kirche schwer nachvollziehbar”, räumt Peter ein.

Junge Kirche will Kirche für alle

Hinter diesem speziellen Osterformat steht jedoch eine größere Frage: Kann und soll sich die Kirche modernisieren und für mehrere Menschen interessant sein? Für Corinna Peter ist die Antwort klar: „Die Kirche muss so vielfältig sein wie die Menschen selbst. Wir brauchen den traditionellen Gottesdienst genauso wie neue Formate. Und vor allem müssen wir offen sein für alle, ohne Ausnahmen. Liebe darf niemanden ausschließen. Das ist für mich Kern des christlichen Glaubens.“

Die Junge Kirche Vorarlberg ist dabei nicht die einzige Gruppe, die für Modernisierung und die Inklusion von Menschen, die sich bis jetzt vom kirchlichen Geschehen ausgeschlossen gefühlt haben, sorgt. In Wien arbeitet die Junge Kirche und die Katholische Jugend Österreich ebenfalls mit unterschiedlichen Pfarren zusammen, um Aktionen wie das Feuerfest, den queeren Kreuzweg oder kurze Wallfahrten für Jugendliche zu organisieren.

Bislang ist die Techno-Mette in Feldkirch ein österreichweit einzigartiges Projekt. „Wir würden uns freuen, wenn unsere Idee Schule machen würde“, sagt Peter. Ob sich dieser ungewöhnliche Weg der Glaubensvermittlung langfristig durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.


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