
Wie gut die neue Trump-Regierung ankommt, zeigt sich bei der Marke Tesla. Der weltweite Absatz sank im letzten Quartal um 9 Prozent auf 19,3 Milliarden Dollar, der Gewinn sogar um 71 Prozent auf 409 Millionen Dollar. Das ist deutlich unter den Analysewerten, die sich Tesla für dieses Jahr eigentlich vorgestellt hatte. Unter der schwindenden Beliebtheit von Elon Musk leiden auch seine Kundinnen und Kunden. Tesla-Fahrerinnen und -Fahrer müssen damit rechnen, Nazi-Schmierereien auf ihren Autos vorzufinden. Mit ein Grund, wieso sich viele mit dem inzwischen verbreiteten Sticker „I bought this before Elon went crazy“ (Ich habe das gekauft, bevor Elon verrückt wurde) rechtfertigen.
„I bought this before Elon went crazy”-Sticker auf einem Tesla (Foto: Eva-Maria Ramsauer)
Der stagnierende Ruf von Elon Musk und seinem Unternehmen scheint aber allem Anschein nach etwas zu bewegen, denn der Tech-Milliardär verschwindet zunehmend von der Bildfläche. Grund dafür dürfte auch die Trumps Zollpolitik sein, die Musk wie alle anderen global agierenden Unternehmer trifft. Doch die Boykotte der Autokundschaft haben zweifellos dazu beigetragen, den Mann mit der Kettensäge in die Schranken zu weisen. Lässt sich mit Boykotten dann vielleicht noch viel mehr erreichen?
Der Begriff „Boykott“ geht zurück auf den Briten Charles Boycott. Er war Gutsverwalter im 19. Jahrhundert in Irland. Weil er seine Bediensteten so schlecht behandelte, wollte niemand mehr für ihn arbeiten oder etwas von ihm kaufen. Die englischen Zeitungen berichteten über ihn und so bürgerte sich der Begriff allmählich ein.
Aufrufe zum Boykott gibt es also nicht erst seit gestern. Ihre Wirkung ist jedoch umstritten. Boykotte gegen Nike wegen Kinderarbeit, McDonalds und KFC wegen ihrer angeblichen Nähe zu Israel und russischer Wodka wegen Putins Krieg gegen die Ukraine haben die Welt bisher nicht verändert. Doch der Fall Tesla gibt kämpferischen Konsumentinnen und Konsumenten nun Aufwind.
Damals wie heute ist der Boykott ein Zeichen des Protests. Menschen bringen durch das bewusste Kaufen beziehungsweise Nicht-Kaufen ihre politische Meinung zum Ausdruck. Das fängt schon an beim Kauf von Bio oder Fairtrade Produkten. Doch wie vorgehen beim politisch motivierten Kauf?
Tipps zum erfolgreichen Boykottieren findet sich zum Beispiel auf der Plattform Reddit. In der Community „BuyFromEU“ mit mehr als 220.000 Mitgliedern wird täglich darüber diskutiert. Vom amerikanischen Microsoft auf das deutsche, als open source zugängliche LibreOffice zu wechseln, ist einer der Vorschläge.
Was aus Europa und was aus den USA kommt, ist auf der sehr übersichtlich gestalteten Website goeuropean.org nachzulesen. Eine Produktliste bietet europäische Alternativen etwa zu E-Mail Services wie Outlook oder Gmail, Softdrinks wie Coca-Cola oder Pepsi oder auch zum iPhone. Eine Suchfunktion liefert binnen Sekunden eine europäische Version des gewünschten Angebotes aus den Bereichen Kleidung, Kosmetik, Lebensmittel, Autos und Elektronik, samt jeweiligem Herkunftsland und aller nötigen Informationen. Hinter der Seite stehen sechzig engagierte Personen, deren Ziel es ist, auf die europäische Markendiversität aufmerksam zu machen und Verbraucherinnen und Verbraucher mit lokalen Unternehmen zu verbinden.
Die Seite buycott.com zeigt Kampagnen mit verschiedenen Anliegen zum Thema „Einkaufen für eine bessere Welt“. Eine setzt sich für Bienenschutz ein, eine andre hat sich dem Boykott von Trump-Produkten verschrieben. Zu jeder Kampagne findet sich eine Liste von Unternehmen und Marken, die vermieden oder unterstützt werden können. Wer das von Trump geführte Amerika nicht unterstützen möchte, sollte demnach Produkte von Nike oder Starbucks vermeiden.
Ebenfalls in diesem Feld aktiv ist Ethical Consumer, eine britische NGO mit Sitz in Manchester. Sie finanziert sich durch eigene Print Magazine, Abonnements und Investoren. Bereits seit 1989 informiert die Organisation über die Macht von Kaufentscheidungen. Auf ihrer Seite ethicalconsumer.org ordnet sie Produkte nach bestimmten Kriterien wie Umweltfreundlichkeit, Arbeitsbedingungen, Steuerverhalten oder Unternehmensethik ein. Die vollständigen Listen der empfohlenen Produkte sind allerdings nur mit einem 40 Euro teuren Jahresabo sichtbar.
Gratis ist hingegen goodonyou.eco. Wer besonders im Bekleidungs- und Kosmetikbereich auf seine Einkäufe achten möchte, findet hier Nachhaltigkeitsratings zu mehreren tausend Beauty- und Fashionmarken. Die Sportmarke Nike kommt auch hier schlecht weg. Eine Unterstützerin dieser Website ist unter anderem Schauspielerin Emma Watson, bekannt als Hermine Granger aus den Harry Potter Filmen. Ihren Hauptsitz hat Good on you im australischen Sydney. Ins Leben gerufen wurde sie 2015, um Verbraucherinnen und Verbraucher dabei zu unterstützen, bewusst nachhaltige Kaufentscheidungen im Fashionbereich zu treffen.
Praktische Features bieten auch einige Boykott Apps. Barcode-Scans von Produkten liefern ein klares „Ja“ oder „Nein“: Kaufen oder lieber die Finger davon lassen. Die kostenlose App No Thanks! Funktioniert genau so. Bei einer Packung Pick Ups färbt sich der Bildschirm grün, denn die knusprigen Biscuits mit Schokolade gehören zur deutschen Marke Bahlsen. Anders sieht das bei Produkten von Nestlé aus, hier sagt die App sofort „NO! Thanks“. Dazu liefert sie wissenswerte Informationen über die Firma, die das jeweilige Produkt herstellt, inklusive Weblink zur Quelle. Ihr Entwickler, der Palästinenser Ahmed Bashbash spendet das Geld, das er mir der App verdient, laut eigenen Angaben an Hilfsorganisationen, die den Menschen in Gaza helfen.
Funktioniert das, was bei Tesla Wirkung zeigt, wirklich auch bei andern Marken? In vielen Branchen scheint es ohne die USA nicht zu gehen. Etwa im Software-Bereich ist Europa vom Trump-Staat abhängig. Dass jemals genug Konsumentinnen und Konsumenten Google oder Microsoft boykottieren, um etwas in Bewegung zu bringen, erscheint eher unrealistisch. Die Frage nach dem Boykott zeigt auch, wie weit verbreitet amerikanische Produkte in Europa sind. Vom Netflix-Abo über die Amazon-Bestellung bis zum McDonalds´-Burger oder den täglichen Chats auf WhatsApp: Vollständig auf „Made in USA“ zu verzichten, wäre eine echte Herausforderung.
In Teilen ist so ein Boykott umsetzbar, aber wie viel das langfristig bringt, ist schwierig zu sagen, denn dazu fehlt es an Zahlen. Für spürbare Effekte bräuchte es eine kritische Menge an Konsumentinnen und Konsumenten, die auf bestimmte Produkte verzichten. Bei Kaufentscheidungen spielen jedoch nicht nur die Wertevorstellungen eine Rolle, sondern auch die Qualität, der Preis und die Zugänglichkeit. Amerikanische Produkte haben sich mittlerweile in unseren Alltag integriert, sind einfach zu erwerben und beliebt. Boykotte klingen also in der Theorie doch etwas einfacher als in der Praxis.
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