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Psychotherapeutin: So lassen sich Trump & Putin manipulieren

Sie arbeitetet mit Milliardären und Politikern und erkennt zwischen Donald Trump und Wladimir Putin viele Gemeinsamkeiten: Die renommierte Psychotherapeutin Martina Leibovici-Mühlberger erklärt im Gespräch mit campus a, warum in beiden ein verletztes Kind schlummert, wie europäische Politiker mit ihnen umgehen sollten und warum Putin stärker als Trump ist.
Bernhard Salomon  •  11. Mai 2025 CvD    Sterne  388
Putin ist reflektierter, kontrollierter und intellektuell anspruchsvoller als Donald Trump, meint die Psychotherapeutin Martina Leibovici-Mühlberger. (Foto: Lukas Beck)
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campus a. Wie ähnlich sind sich Donald Trump und Wladimir Putin in ihrer Persönlichkeitsstruktur?

Leibovici-Mühlberger. Trump und Putin wirken auf den ersten Blick sehr unterschiedlich, aber psychologisch betrachtet zeigen sie auffallend ähnliche Muster. Beide verkörpern eine ausgeprägte Form des Narzissmus, wie sie im 21. Jahrhundert besonders gut funktioniert. Ihr Verhalten ist durch Selbstüberhöhung, fehlende Empathie und ein tiefes Bedürfnis nach Bewunderung geprägt, allerdings jeweils kulturell anders ausgeformt: Trump ist das Produkt des amerikanischen Systems, Putin das des sowjetischen.

campus a. Worin unterscheiden sich ihre narzisstischen Ausprägungen?

Leibovici-Mühlberger. Trump zeigt sich als impulsiv, hochgradig reizbar und zielbesessen, wobei Logik für ihn keine Rolle spielt, solange er bekommt, was er will. Er hat einen ausgeprägten inneren Seismografen für persönliche Vorteilserzielung. Bei Putin ist mehr strategische Kontrolle zu erkennen, aber auch bei ihm wurde die Vorstellung seiner Besonderheit schon früh kultiviert. Als einzig überlebendes Kind einer Familie mit tragischer Vorgeschichte wurde er überhöht, das hinterlässt Spuren.

campus a. Welche Rolle spielt die Herkunft in ihrer Entwicklung?

Leibovici-Mühlberger. Die Umgebungskultur hat jeweils tiefe Spuren hinterlassen. In Putins Fall prägt der Verlust der sowjetischen Größe sein Weltbild bis heute. Bei Trump spielte vor allem sein Großvater eine prägende Rolle, den seine Nichte, eine Psychologin, als hochfunktionalen Soziopathen beschreibt. Dieser Großvater wählte Donald als Lieblingssohn aus, weil er ihn für seine eigenen Größenfantasien am besten instrumentalisieren konnte.

campus a. Welche Haltung haben sie gegenüber anderen Menschen?

Leibovici-Mühlberger. Beide haben kaum Zugang zur Empathie. Der Mensch zählt für sie nur, wenn er Leistung bringt, sich nützlich macht oder ins eigene Idealbild passt. Alle anderen sind austauschbar – Biomasse, die nur im Dienst der eigenen Inszenierung steht. Es ist ein menschenverachtendes Weltbild, das nur auf Größe und Macht ausgerichtet ist.

campus a. Was macht diese Persönlichkeiten politisch so erfolgreich?

Leibovici-Mühlberger. Sie treffen den Nerv eines Zeitgeists, der durch Unsicherheit, Überforderung und Vertrauensverlust geprägt ist. In komplexen Zeiten sehnen sich viele Menschen nach klaren, starken Figuren. Trump bietet mit „Make America Great Again“ eine einfache Antwort für die Modernisierungsverlierer der westlichen Welt. Putin bedient dasselbe Muster mit dem Traum vom wiedererstarkten Großrussland.

campus a. Gibt es vergleichbare Tendenzen auch in anderen Teilen der Welt?

Leibovici-Mühlberger. Ja, besonders im postkommunistischen Raum. Nach dem Zusammenbruch der autokratischen Systeme konnten nur wenige Menschen mit der neu gewonnenen Freiheit wirklich umgehen. Das hat vielerorts eine romantisierende Rückbesinnung auf alte Strukturen gefördert, in denen alle gleich viel hatten und niemand herausragen durfte – was letztlich die Sehnsucht nach Führung und Ordnung befeuert hat.

campus a. Wie sollten europäische Politiker mit solchen narzisstischen Persönlichkeiten umgehen?

Leibovici-Mühlberger. Sie müssen ihnen Grenzen setzen, doch genau das ist die Herausforderung: Wer ist stark genug, um diese Begrenzung durchzusetzen? Die liberale Demokratie stößt hier an den Rand ihrer Möglichkeiten. Solche Persönlichkeiten lassen sich nicht durch Vernunft erreichen, sondern nur durch gezielte Bestätigung ihrer Bedürfnisse.

campus a. Das funktioniert?

Leibovici-Mühlberger. Narzissten gehen dorthin dort, wo sie sich bewundert fühlen. Gibt man ihnen scheinbar einen Sieg, auch wenn es nur ein Teil des Gewünschten ist, und verkauft es als ihren persönlichen Triumph, sind sie lenkbar. Doch das erfordert Fingerspitzengefühl und ein tiefes Verständnis ihrer Bedürfnisstruktur.

campus a. Wie sieht das konkret bei Trump aus?

Leibovici-Mühlberger. Trump orientiert sich oft am letzten Gespräch. Wer ihn mit psychologischem Feingefühl anspricht und ihm seine Größe spiegelt, hat die Chance, ihn für sich zu gewinnen – zumindest kurzfristig. Dahinter steckt ein tief verunsicherter, oft gedemütigter Junge, der auf Aufwertung angewiesen ist.

campus a. Und Putin?

Leibovici-Mühlberger. Putin ist reflektierter, kontrollierter und intellektuell anspruchsvoller. Er sieht die Welt analytischer, durchschaut psychologische Spielchen eher und trägt zudem eine historische Wunde mit sich – den Zerfall der Sowjetunion. Das verstärkt seinen Wunsch nach Rückgewinnung von Kontrolle und Größe.

campus a. Warum lieben beide pompöse Auftritte so sehr?

Leibovici-Mühlberger. Sie sind reine narzisstische Inszenierungen. So wie Kinderzeichnungen in der Schule ausgestellt werden und die Eltern klatschen, brauchen Trump und Putin diese öffentlichen Rituale, um sich selbst Größe zu beweisen. Es geht zum Beispiel bei Paraden nicht um militärische Stärke, sondern um symbolisches Auftrumpfen vor der Welt.

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