
Eine neue Harry-Potter-Serie, die Realverfilmung von Schneewittchen, oder schon wieder ein Marvel-Film. Die Filmlandschaft der vergangenen Jahre wirkt zunehmend uninspiriert, unoriginell und spannungslos. Filmstudios wärmen dabei alte Geschichten ohne erkennbaren Mehrwert auf, oder drehen endlose Fortsetzungen. Die Narrative bleiben oberflächlich, den Kostümen fehlt es an Details, die Schauspieler sind unmotiviert und alles ist CGI (Computer-Generated-Imagery).
1. Wo sind die Mid-Budget-Filme?
Ein Grund für die fehlende Originalität der kontemporären Kinolandschaft ist, dass Mid-Budget Kinoproduktionen (15-75 Millionen Dollar) so gut wie ausgestorben sind. Filmemacher dieser Produktionen sind im Gegensatz zu Big-Budget Produktionen gezwungen, mit Kreativität und Innovation ein Thema spannend zu erzählen, ohne sich auf einer bereits bestehenden Fanbase, CGI, digitale Nachbearbeitung, oder auf einem aufwändig inszenierten, visuellen Spektakel ausruhen zu können. So entstanden beispielsweise einflussreiche Filme, wie Die Verurteilten (1994, 25 Millionen Dollar) Das Schweigen der Lämmer (1991, 19 Millionen Dollar) oder Die Truman Show (1998, 60 Millionen Dollar). Im Vergleich: Neuere Filme, wie Avatar: The Way of Water (2022, 460 Millionen Dollar) oder der aktuelle Marvel-Film Thunderbolts (2025, 180 Millionen Dollar) machen bis zu mindestens eine Milliarde Dollar an Profit. Sie sind demnach ein Investment ohne großes Risiko und können auch ohne inhaltlichen Tiefgang und Innovation auskommen.
2. Ausweichen auf Netflix
Mid-Budget Regisseure müssen auf Streaming-Dienste, wie Netflix oder Amazon, ausweichen, da große Studios, wie Paramount oder 20th Century Fox, nur noch High-Budget Filme produzieren. Grund dafür ist unter anderem, dass Blockbuster weltweit verkäuflich sind und somit auch auf dem asiatischen Markt mehr Umsatz bringen. Netflix setzt hingegen auf Quantität und besteht öfter auf kurze Produktionszeiten, was sich im Endergebnis in wenig ausgefeilteren Narrativen widerspiegelt. Das Ergebnis sind billige B-Movie-Produktionen, denen es an erzählerischem Werkzeug fehlt. Bei Streaming-Diensten wie Netflix fällt letztendlich die goldene Mitte weg: Es finden sich entweder billige Produktionen, die auf Quantität anstelle von Qualität setzen, oder aber Werke mit großer kommerzieller Aussicht, wodurch experimentellere oder gewagtere Filme untergehen.
3. Fehlende künstlerische Freiheit
Nicht nur der Anspruch auf kommerziellen Erfolg hindert die künstlerische Freiheit vieler Filmemacher. Auch das Aufwärmen alter Geschichten, wie die von Harry Potter oder der zahlreichen bereits verfilmten Disney Geschichten, lassen keinen Platz für Neuinterpretationen, da die Filmemacher Filme Szene für Szene kopieren, anstatt die neuere Version auszubauen oder umzuschreiben. Statt von Mut zum Neudenken gibt es demnach ein Nostalgie-Recycling, wobei kreative Visionen auf der Strecke bleiben, weil nur das Altbewährte Erfolg verspricht.
4. Billige Drehbücher und KI-generierte Skripts
Plattformen, wie Netflix und Amazon, produzieren eine Masse an Content. Um das bewerkstelligen zu können, werden Drehbücher immer schneller entwickelt. Originalität, Charaktertiefe, Kreativität und Tiefgang bleiben dabei oft auf der Strecke. Der Einsatz von KI zur Ideenfindung, Strukturierung und für Dialogentwürfe ist dabei mittlerweile durchaus gebräuchlich.
5. Weniger Drehtage
Der Drang nach schneller Produktion führt auch dazu, dass die durchschnittliche Anzahl von Drehtagen in den vergangenen Jahren von 60-80 Drehtagen auf lediglich 25-40 Drehtage geschrumpft ist. Dieser Mangel an Zeit bewirkt, dass die Filmemacher weniger Takes aufnehmen, wodurch sie weniger Varianten für den Schnitt verwenden können und weniger Raum für Improvisation bleibt. Das Ergebnis sind oberflächliche und generische Szenen, unausgereiftes und hektisches Schauspiel, sowie auch ein grober Schnitt, der sich auf Nachbearbeitung und CGI verlässt.
6. Musik und Sounddesign aus der Konserve
Originalkompositionen sind teuer. Daher greifen viele Produktionen auf lizenzfreie Musik oder KI-generierte Sounds zurück, was den Filmen ihre emotionale Tiefe rauben kann. Im Vergleich: Howard Shore, der für seine Arbeit am Herr der Ringe (2001-2003) Soundtrack den Oscar gewann, hat etwa vier Jahre lang an seiner Musik für die Triologie gearbeitet. Die Musik ist größtenteils mit einem Orchester und einem Chor aufgenommen. Modernere Filmmusiker produzieren deutlich schneller, mitunter innerhalb weniger Wochen. Dabei arbeiten sie oft mit einer Kombination von echten Instrumenten und elektronischer Musik, wie auch mit Sample-Libraries, also lizenzfreier Musik.
7. Kameratechnik
Wer sich an die Herr der Ringe Filme erinnert, erinnert sich vielleicht auch an die warmen, organischen, magisch wirkenden Bildeindrücke. Die Triologie ist mit einem 35-Milimeter-Film aufgenommen und hat daher ein milchiges Bild mit natürlicher Körnung und Tiefenwirkung. Neuere Filme, wie Der Hobbit (2012) oder Avatar (2009), sind mit einer moderneren Kamera, einer RED-Kamera, in 48 Frames pro Sekunde (HFR) gedreht. Obwohl digitale Kameras moderner sind, entsteht durch sie ein sehr sauberes glattes Bild, das eher unrealistisch wirkt. Diese perfekten Bilder ohne Körnung erinnern mitunter mehr an ein Computerspiel als an einen Film.
8. Künstliche Ästhetik durch CGI
Während Herr der Ringe mit Miniaturen, echten Sets, selbst gebauten Requisiten und Malerei gearbeitet hat, setzt Der Hobbit großteils auf CGI. In Kombination mit der RED-Kamera wirkt jede Szene künstlich und steril, was vor allem auch an den mangelnden Details zu erkennen ist. Ältere Disney Filme zum Beispiel sind von Hand gezeichnet und weisen detaillierte Illustrationen auf, was mit dem übermäßigen Einsatz von CGI zur Gänze verschwunden ist.
9. Schwächen im Kostüm- und Set-Design
Zusätzlich zu den handgefertigten Requisiten und Illustrationen beeinträchtigt der Wegfall von Handarbeit auch das Erscheinungsbild und Qualität der Kostüme und Sets. Disney beispielsweise hat in den letzten Jahren zunehmend auf simplifizierte, digital-nachbearbeitete Designs gesetzt, um Kosten zu sparen und die Produktion zu beschleunigen. Das Ergebnis sind Sets, die leer und detailarm erscheinen, sowie Kostüme, die so sauber und schlicht aussehen, dass sie künstlich wirken.
10. Kommerzialisierte Kalkulation
An der Wiederbelebung älterer Filme und Geschichten, wie auch an Franchises, wie Marvel oder Star Wars, ist erkennbar, dass viele Studios auf vertraute Erzählmuster und formelhaftes Reproduzieren setzen. Diese Taktik soll möglichst viele Zuschauer anziehen und wenig anecken, was häufig zu generischen Skripts führt, die einer bestimmten Form folgen. Die grobe Struktur dieser Filme bleibt gleich, wodurch Kreativität und Innovation zugunsten von kommerziellem Erfolg eingeschränkt bleiben. Es sind algorithmisch optimierte und leicht konsumierbare Drehbücher, die einen schnellen Einstieg, klare, schlüssige Konflikte und eine befriedigende sowie simple Auflösung bieten.
Kreative Mid-Budget-Filme sind nur noch selten im Kino zu sehen. Originelle und spannende Geschichten sind jedoch noch zu finden; und zwar in Form von Serien. Ob Fleabag (2016-2019), The White Lotus (2021) Severance (2022) oder The Last of Us (2023) – die Serienmacher von heute sind wie die Regisseure der 70er Jahre. Sie haben kreative Freiheit, schreiben innovative Geschichten und zeigen neue Erzählmuster. Es bleibt zu hoffen, dass die Filmindustrie von ihrem Beispiel lernt und die künstlerische Vision in ihre Produktionen zurückholt.
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