
Das Rehwild gehört zu den Arten, die sich im Klimawandel vermehren. Die österreichischen Wälder stellt das neben Hitze und Trockenheit vor zusätzliche Herausforderungen. Die Jägerinnen und Jäger sollen helfen.
Im Morgengrauen stapft ein Jäger durch das feuchte Unterholz seines Reviers. Der Tau liegt noch auf dem Waldboden, während sich erste Sonnenstrahlen durch das Blätterdach kämpfen. Zu einer seiner wichtigsten Aufgaben gehört die Kontrolle junger Baumtriebe, die das Rehwild gerne abbeißt und damit die Aufforstung behindert. Immerhin hat der Wald mit dem Klimawandel schon genug zu kämpfen, da soll ihm nicht auch noch das Wild das Leben schwer machen.
Er ist nicht der einzige Jäger, der sich für den Erhalt der Wälder in Zeiten extremer Wetterlagen einsetzt. Das Handwerk der Jägerschaft war schon immer mehr als der bloße Abschuss von Wild. Angesichts des Klimawandels wächst die Bedeutung der Jäger für die Forstwirtschaft.
Wälder müssen neuen Wetterextremen standhalten, wobei sie einen entscheidenden Nachteil haben. Sie können sich klimatischen Veränderungen zwar anpassen, aber nur langsam, was sie besonders anfällig für Schädlinge macht. Bäume sind wegen der Umweltveränderungen in erster Linie mit Lebenserhaltung beschäftigt, weshalb ihnen die Kraft zur Abwehr fehlt.
Zudem vermehrt sich dank steigender Temperaturen und langer Trockenperioden der berüchtigte Borkenkäfer. Das gerade einmal fünf Millimeter kleine Weibchen kann bis zu 100.000 Nachkommen hervorbringen und somit zehntausende Hektar Wald vernichten. Was dann noch bleibt, sind karge Waldflächen und ein mehrere Millionen Euro schwerer Schaden.
Mit dem Wald leiden auch dessen Bewohner. Einige Arten, zu denen die Wildschweine, die Goldschakale oder etwa die Mönchsgrasmücke gehören, profitieren zwar vom Klimawandel. Andere, wie die Auerhühner, die Schneehasen oder das Alpenschneehuhn drängt er an den Rand ihrer Existenz.
Laut dem österreichischen Umweltbundesamt sind mehr als die Hälfte aller Amphibien und Reptilien sowie knapp die Hälfte aller Fische und ein Drittel aller Vögel und Säugetiere stark gefährdet. Besonders bedroht sind Arten, die an niedrige Temperaturen angepasst sind.
Als Mittel zur Rettung des Forsts gilt dessen Verjüngung. Ein standortgerechter, junger, anpassungsfähiger und somit klimaresistenter Baumbestand soll helfen. Mischwälder gelten für dieses Vorhaben als ideal. Eine Voraussetzung dabei ist für viele die Regulierung der Wildbestände. Denn junge Bäume können nur heranwachsen, wenn kein Wild ihre Triebe und Knospen abbeißt. Beide gehören allerdings zu den Hauptnahrungsmitteln des Rehwilds, das sich in den vergangenen Jahren stark vermehrt hat.
Der Grund dafür ist ebenfalls der Klimawandel. Stürme, lange Trockenperioden und das verstärkte Auftreten von Schädlingen haben in viele Wälder Lücken gerissen. Dort können sich Gräser ausbreiten, die ebenfalls zu den Hauptnahrungsmitteln des Rehwilds zählen. Mit dem besseren Futterangebot steigt die Population. Viele Jäger treten deshalb für ein Gleichgewicht zwischen Wildtieren und heranwachsenden Bäumen ein.
Sie fordern mehr Flexibilität für Abschusspläne, da der sogenannte Reduktionsabschuss als besonders effektive Methode zur Eingrenzung der Wildbestände gilt. Das bedeutet mehr Abschuss als Nachwuchs. Auch Verzicht auf Zufütterungen kann helfen. Besonders im Winter haben Jäger die Aufgabe, dem Wild ergänzende Nahrung bereitzustellen. Diese Fütterungen ausfallen zu lassen, könnte die Population auf natürliche Weise schrumpfen lassen.
Während die Wildschweine durch das Aufwühlen der Böden gute Bedingungen für das Keimen neuer Triebe schaffen, richten sie damit auf Flur und Feld auch Schäden an. Darum fordern viele Land- und Forstwirte auch für sie eine erhöhte Regulierung der Bestände. Der Goldschakal ist nach Biologin Andrea Rath vom steirischen Jagdschutzverein ein „neuer Player“. Daher ist er im Vergleich zu anderem Wild noch schwer einschätzbar und die Jägerschaft sowie die übrige Bevölkerung haben noch einiges über diese Art zu lernen.
Doch Maßnahmen wie mehr Abschüsse und weniger Zufütterung stoßen auch auf Kritik. Für viele Jäger, Waldbesitzer, Förster und Umweltschützer ist die Begrenzung der Reh- und Rotwildbestände keine ideale Lösung des Verbiss-Problems. Eine Spezies zu reduzieren, nur weil sie Schaden anrichten kann, sehen sie kritisch. Neben ethischen Aspekten sehen sie auch tiermedizinische, etwa das erhöhte Potenzial von Inzucht bei zu wenigen Tieren. Sie fordern ein modernes Wildtiermanagement, das ökologische, soziale und ökonomische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt.
Ähnlicher Meinung ist auch Andrea Rath. Sie hält es nur in Ausnahmefällen für sinnvoll, die Abschusspläne anzupassen. Dabei betont sie den Unterschied zwischen Wald im ökologischen Sinne und Forst als rein wirtschaftlich genutzte Fläche. Ihrer Einschätzung nach dient die künstliche Waldverjüngung vorrangig der forstwirtschaftlichen Ertragssteigerung. Zwar verspricht sie einen wirtschaftlichen Nutzen, doch ökologisch ist sie nicht überall sinnvoll. Vielmehr steht sie im Widerspruch zur natürlichen Dynamik des Waldes. Andrea Rath betont die Fähigkeit des Waldes, sich langfristig gesehen selbst an die veränderten Klimabedingungen anzupassen und neue, widerstandsfähige Pflanzenarten hervorzubringen. Diese natürliche Entwicklung dauert zwar länger, schafft aber langfristig gesehen resistentere Mischwälder.
„Waldbesitzer können nicht erwarten, dass Pflanzenfresser um neu bepflanzte Flächen einen Bogen macht“, sagt Rath.
Der Jäger bleibt indessen vor einigen kniehohen Fichten mit abgebissen Spitzen stehen und macht sich auf seinem Handy Notizen. Er liebt die Jagd, doch auch er weiß, dass der Klimawandel viele Veränderungen für sie mitbringt.
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