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Iran mit Massenabschiebungen afghanischer Geflüchteter

Die aktuelle Abschiebungswelle afghanischer Geflüchteter aus dem Iran stellt nicht nur eine humanitäre, sondern auch eine politische Krise dar. Die Rückkehrer stehen vor großen Herausforderungen, und die afghanische Regierung ist kaum in der Lage, angemessene Unterstützung zu leisten. Internationale Hilfe und diplomatischer Druck sind dringend erforderlich. Informationen von Mohammad Nader von der Flüchtlingshilfe des Roten Kreuzes in Afghanistan
Siroos Mirzaei  •  9. Juli 2025 Volontär    Sterne  76
Laut Angaben vor Ort kommen täglich bis zu 15.000 Rückkehrer über den Grenzübergang Islam Qala. (Foto: Mohammad Nader)
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Im Iran spitzt sich die Lage für afghanische Flüchtlinge dramatisch zu. In den letzten Wochen kam es zu massenhaften Abschiebungen, die nicht nur humanitäre Fragen aufwerfen, sondern auch zu politischen Spannungen in der Region führen.

Verdacht auf Spionage und Terrorismus

Laut offiziellen Angaben iranischer Behörden sollen afghanische Staatsangehörige an Attentaten auf iranische Politiker und Nuklearwissenschaftler beteiligt gewesen sein – angeblich in Kooperation mit dem israelischen Geheimdienst Mossad. Mehrere Personen wurden im Besitz von Sprengstoff festgenommen, darunter auch einige Bürger aus der westafghanischen Stadt Herat.

Millionen Menschen betroffen

Unterschiedliche Zahlen kursieren zur Zahl afghanischer Flüchtlinge im Iran. Während anfangs von rund 11 Millionen die Rede war, wird nun die Zahl auf etwa 7 Millionen geschätzt. Etwa 3,5 Millionen von ihnen erhielten kürzlich eine SMS mit der Aufforderung, das Land zu verlassen – in einer ersten Phase der Abschiebung. Seit Beginn der Rückführungen sollen bereits rund 1,4 Millionen Personen nach Afghanistan zurückgekehrt sei

Betroffene meist ohne gültige Papiere

Die Abschiebungen betreffen vor allem Afghanen ohne gültige Pässe, ohne Flüchtlingsausweise und ohne Aufenthaltstitel – also Menschen, die als illegal gelten. Doch selbst Personen mit einem offiziellen Aufenthaltstitel im Rahmen des „Sad (100)-Millionen“-Programms wurden zur Ausreise aufgefordert. Ihnen wurde mitgeteilt, dass sie vor der Ausreise ihre Leistungen abholen sollen

Schwere Vorwürfe gegen iranische Behörden

Berichte in sozialen Medien und Interviews mit Geflüchteten belegen ein zunehmend harsches Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte. Abschiebekandidaten beklagen sich über beleidigendes und erniedrigendes Verhalten. Der öffentliche Protest ist groß: Prominente aus Wissenschaft und Kultur, darunter auch bekannte Schauspieler, kritisieren den Umgang mit afghanischen Migranten scharf – sogar einige Geistliche äußerten sich ablehnend.

Auch in Iran geborene Afghanen betroffen

Besonders tragisch: Auch viele Afghanen, die im Iran geboren und aufgewachsen sind, fallen unter die Rückführungen. Dies stellt zahlreiche Familien vor existentielle Herausforderungen.

Besserer Umgang an afghanischer Grenze

Während aus dem Iran von Misshandlungen berichtet wird, gibt es aus Afghanistan bislang keine Hinweise auf unangemessenes Verhalten der Grenzbeamten. Der Empfang an den Übergängen – etwa in Islam Qala oder Nimroz – erfolgt laut Rückkehrern respektvoll und ordnungsgemäß.

Medizinische Hilfe, aber zu wenig Ressourcen

Hilfsorganisationen leisten vor Ort medizinische Nothilfe. Mobile Ärzteteams besuchen regelmäßig die Grenzregionen. Heute wurde bekannt, dass eine Mutter direkt an der Grenze entbunden hat – Mutter und Kind sind in medizinischer Betreuung. Ein weiterer Geburtsfall endete jedoch tragisch: Das Neugeborene überlebte nicht. Die medizinischen Kapazitäten sind stark überlastet – vor allem für Frauen mangelt es an grundlegenden Hygieneartikeln und medizinischer Ausrüstung.

Regierung mit leeren Versprechen

Die afghanische Regierung hat bislang wenig Konkretes unternommen. Zwar haben hochrangige Regierungsvertreter die Grenzregion besucht und den Bau von Flüchtlingssiedlungen in Herat angekündigt – geschehen ist bisher kaum etwas. Immerhin wurde eine Kommission zur Einschulung von Flüchtlingskindern eingesetzt, die sicherstellen soll, dass Kinder in Schulen aufgenommen und auf ihr Bildungsniveau geprüft werden.

Laut Angaben vor Ort kommen täglich bis zu 15.000 Rückkehrer über den Grenzübergang Islam Qala. Doch nur rund 1.000 Personen erhalten Lebensmittel, Zelte oder finanzielle Hilfe. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) zahlt pro Person 2.000 Afghani, oder etwa 10.000 Afghani pro Familie. Vieles muss durch private Spenden gedeckt werden. Dennoch bleiben mangelnde Verpflegung, fehlende Unterkünfte und fehlende Transportmittel die größten Herausforderungen.

Keine zentrale Unterbringung

Für die Rückkehrer gibt es keine zentrale Unterkunft. Manche kehren in ihre alten Häuser zurück, andere finden vorübergehend Unterschlupf bei Verwandten oder in einfachen Hotels in den Städten.

Schlechter Umgang mit alleinreisenden Frauen

Besonders prekär ist die Lage alleinreisender Frauen. Schon vor den Massenabschiebungen kam es immer wieder zu solchen Fällen. Der Umgang staatlicher Stellen mit diesen Frauen wird häufig als respektlos beschrieben. Einige Hilfsorganisationen kümmern sich um die Betreuung und den Transport dieser besonders schutzbedürftigen Gruppe. Mitarbeitende berichten jedoch, dass selbst sie von den Taliban teilweise respektlos behandelt werden. Frauen werden bei ihrer Ankunft mit Fragen wie „Was hast du alleine im Iran gemacht?“, „Wo ist dein Mann?“ oder „Was war deine Aufgabe dort?“ regelrecht verhört – ein Verhalten, das als entwürdigend empfunden wird.

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