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Stadt nützt Bitcoin als tägliches Zahlungsmittel. Geht das?

Bitcoin erreichte gerade mit einem Wert von 118.000 US-Dollar sein Allzeithoch. In der salvadorianischen Küstenstadt El Zonte, besser bekannt als Bitcoin-Beach, bezahlen die Menschen seit sechs Jahren Pizza, Cappuccino und Cocktail mit der Kryptowährung. War das Experiment erfolgreich? Eine Bilanz.
Lara Hassler  •  12. Juli 2025 Redakteurin    Sterne  440
Straße in El Zonte: Bitcoin dank Verordnung der Stadt omnipräsent. (Foto: Shutterstock)
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El Salvador ist nur minimal größer als Niederösterreich. Von der Hauptstadt San Salvador dauert es mit dem Auto bis zu dem Küstenort El Zonte nur eine Stunde. Dort liegt der berüchtigte Bitcoin-Beach. So weit das Auge reicht, finden sich hier Schilder, Merchandise und Stände, die die Kryptowährung bewerben. Bier, Kaffee, die salvadorianischen Maisfladen Pupusas, alles gibt es für Satoshis statt Dollar, der Landeswährung. Kryptofans sprechen oft von Satoshis statt von Bitcoins. Der Name kommt von ihrem Erfinder Satoshi Nakamoto.  

Selbst an Straßenständen ist die Bezahlung mit Bitcoin erwünscht. In der Regel funktioniert das über QR-Codes. Mit der Bitcoin-App Chivo lassen sich Satoshis versenden und empfangen. Die App verfügt auch über eine digitale Karte. Sie zeigt, wo sich Geschäfte befinden, die Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren. Für Einsteiger gibt es einen Guide, in der App, der eine Einführung in die Bitcoin-Welt gibt. 

Pilotprojekt mit großzügiger Spende

2019 erhielt der Amerikaner Michael Peterson eine anonyme Bitcoin-Spende im Wert von 100.000 Dollar. Damit erhielt er den Auftrag ein lokales Bitcoin-Netzwerk aufzubauen. Die einzige Voraussetzung war die technische Möglichkeit ein geschlossenes Bitcoin-Ökosystem aufzubauen. Um einen echten Kreislauf mit Bitcoin zu schaffen, durfte Peterson die Spende nicht in Dollar, die Landeswährung, umwandeln.  

Die digitale Währung erfreute sich schnell großer Beliebtheit. Restaurants, Geschäfte und Angestellte nutzten bald Bitcoinstatt Dollar für Gehaltsauszahlungen, tägliche Einkäufe, Restaurant- und Barbesuche. Das rapide wachsende lokale Netzwerk brachte dem Ort bald den Namen Bitcoin Beach ein. Ein inoffizieller Titel, der nun Reisende und Kryptoenthusiasten aus aller Welt anzieht. Die Kuriosität, Cappuccino und Cocktail in traditionellen Strohhütten mit der digitalen Währung zu bezahlen, möchte sich keiner entgehen lassen.

 Bitcoin-Einführung in El Zonte ein Erfolg

Der Bitcoin-Beach gilt als Erfolgsgeschichte. Fast alle Geschäfte, Restaurants und sogar Straßenstände akzeptieren das digitale Zahlungsmittel. Besonders junge, tech-affine Menschen bevorzugen Bitcoin gegenüber der Kreditkartenzahlung. Die Bezahlung ist einfacher. So ist dafür etwa kein Bankkonto notwendig. Um die Zahlungsabwicklung weiter zu erleichtern, setzte das Team rund um den Bitcoin-Beach eine eigene Wallet auf, die Bitcoin Beach Wallet. Der Zugang ist niederschwellig. Jeder kann sich die App im App oder Android Store herunterladen. 

Seit 2021 offizielle Landeswährung

Das Projekt von El Zonte bestätigt den salvadorianischen Präsidenten Nayib Bukele in seiner Vision einer Bitcoin-Stadt, in der die Menschen außer der Mehrwertsteuer keine Abgaben zahlen müssen. Noch ist die Bitcoin-Stadt nicht Realität geworden. 2021 erklärte Bukele die Kryptowährung jedoch zum offiziellen Zahlungsmittel des Landes. 

Das Land pumpt nach wie vor große Geldmengen in den Kryptosektor. Bukele kauft seit November 2022 jeden Tag einen Bitcoin. Der landesweite Erfolg hält sich jedoch in Grenzen. Nur zwölf bis zwanzig Prozent der Salvadorianer nutzen die Währung im Alltag, heißt es in Umfragen. Anita Posch, Autorin und Menschenrechtsaktivistin zeigt sich von der niedrigen Zahl wenig überrascht. „El Salvador ist die Einführung als Zahlungsmittel falsch angegangen. Sie kam nicht von unten, von der Bevölkerung selbst, sondern die Regierung setzte sie durch, auch am Willen der Opposition vorbei“, sagt sie. Widerstand von Teilen der Bevölkerung gegen den Bitcoin sei daher wenig verwunderlich. 

Wallet-Eröffnung nur wegen Bonus

Der Staat versuchte mit Startguthaben die Menschen zur Nutzung der Bitcoin-Wallet Chivo zu animieren. Die Rechnung ging nicht wie erhofft auf. „Viele laden sich die Bitcoin-Wallet nur für die dreißig Dollar Willkommensbonus herunter und kehren dann zum Dollar zurück“, erzählt eine Bitcoin-Mitarbeiterin. Der digitalen Währung mangelt es an Vertrauen. Der Kursschwankungen sind für viele Menschen zu stark.

Timo Emden vom Analysehaus Emden Research machte eine ähnliche Beobachtung „Die Einführung des Bitcoins in El Salvador schlug unter dem Strich weniger große Wellen als gedacht“. Aus rein wirtschaftlicher Sicht sei die Rechnung aber aufgegangen. Der Bitcoin-Sparplan habe sich gelohnt. 

Danach sah es zu Beginn des Experiments nicht aus. Der Kurs ging in kurzer Zeit von 69.000 Dollar auf 16.000 Dollarzurück. Der Kollaps der Kryptobörse FTX, die Zinswende und die Inflation drückten den Wert nach unten. Aktuell verzeichnet Bitcoin Rekordwerte von 118.000 Dollar. Die Befürchtung, die Kryptowährung könnte El Salvador in den finanziellen Ruin stürzen, hat sich bisher nicht bewahrheitet. 

Analyst Emden bleibt mit seiner Einschätzung dennoch vorsichtig und spricht von einem gewagten Experiment. Er weiß: So schnell Anleger am Kryptomarkt Gewinne machen können, so schnell können diese auch wieder verschwinden.

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