2021 verbannte der niederländisch-britische Konzern Unilever mit Hauptsitz in London in Dänemark den Namen „Eskimo“ aus dem Eissortiment. Man arbeite intensiv daran, Werbung von Stereotypen und Diskriminierung jeglicher Art zu befreien, erklärte ein Firmensprecher 2020 gegenüber dem deutschen Wochenmagazin Stern. 400 Unilever-Marken kamen auf den Prüfstand, darunter auch Eskimo. In Österreich sei die Prüfung noch nicht abgeschlossen, hieß es ein Jahr später, 2021, gegenüber dem Stern, sie dauere „unverändert und fortlaufend“ an.
Die Kritiker an dem als beleidigend eingeschätzten Namen für die indigenen Völker im nördlichen Polargebiet waren zunächst beruhigt, doch inzwischen sind vier Jahre vergangen und nichts ist geschehen. In Österreich laufen Produkte wie Cornetto, Jolly oder Twinni nach wie vor unter dem bestens eingeführten Markennamen Eskimo. Warum?
Unilever hat offenbar Abschied vom Abschied genommen. Die Aussagen gegenüber dem Stern seien damals „nicht offiziell bestätigt“ gewesen, relativiert zunächst ein Sprecher der Wiener Konzernzentrale gegenüber campus a telefonisch, dann folgt ein ausweichendes schriftliches Statement von Konzernsprecherin Barbara Fuchs-Puchner. „Unsere Marke hat eine lange Tradition und die Österreicherinnen und Österreicher haben eine starke emotionale Bindung zur Marke aufgebaut“, heißt es darin.
Kein Wunder, dass sich Unilever mit der Umbenennung gerade in Österreich schwertut. 2022 war Eskimo laut Firmenangaben der bekannteste Name für Speiseeis im Land. 2019 lag der Marktanteil bei mehr als 60 Prozent. Daran dürfte sich wenig geändert haben. Die Marke ist Teil der österreichischen Seele wie Manner oder Darbo. Doch die Kritiker werden jetzt ungeduldig.
Hannes Fellner, Universitätsprofessor am Institut für vergleichende Sprach- und Literaturwissenschaft und Obmann der Wiener Sprachgesellschaft, sagt gegenüber campus a: „Aus sprach- und kulturwissenschaftlicher Sicht ist die fortgesetzte Verwendung des Begriffs Eskimo als Markenname problematisch. Dass ein Unternehmen trotz gegenteiliger Ankündigung weiterhin an dieser Bezeichnung festhält, ist aus Sicht eines kritischen Sprachbewusstseins nicht nachvollziehbar.“ Die Entscheidung, einen Begriff wie „Eskimo“ öffentlich weiter zu verwenden, bedeute daher auch, sich gegen eine differenzierte und respektvolle Auseinandersetzung mit kolonialen und rassistischen Traditionen zu stellen.
Auch die Politik kommentiert das Thema. Der Pressedienst der SPÖ schickt eine schriftliche Stellungnahme. Es obliege den Unternehmen, über Markennamen zu entscheiden, doch wünschenswert wären Formulierungen und Begrifflichkeiten, die niemanden „abwerten oder ausschließen“, heißt es dort.
Viele indigene Gemeinschaften lehnen den Begriff „Eskimo“ ab. Das Alaska Native Language Center betont auf seiner Website, diese Bezeichnung sei von Kolonialisten geprägt und inakzeptabel.
„Die Bezeichnung ‚Eskimo‘ für Personen wird gelegentlich als diskriminierend empfunden“, heißt es dazu im Duden mit Verweis auf die tatsächlichen und angeblichen Wortwurzeln. Lange galt „Rohfleischesser“ als wörtliche Übersetzung, was inzwischen widerlegt ist. Tatsächlich bedeutet „Eskimo“ so viel wie „Schneeschuhflechter“. Als Ausweichbezeichnung hat sich „Inuit“ durchgesetzt, was sich allerdings nur auf einen Teil der gemeinten Volksgruppe bezieht.
Zahlreiche Lebensmittelhersteller haben in der Vergangenheit Produkte wie das ebenfalls bekannte „Negerbrot“ umbenannt. Ein Trend, der nach den „Blacklivesmatter“-Demonstrationen 2020 erneut aufflammte. So taufte der Snackhersteller Kelly’s etwa die früheren „Zigeunerräder“ auf „Zirkusräder“ um. Bahlsen änderte den Namen der dunklen Waffelkekse „Afrika“ in „Perpetum“, und Nestlés „Negrita“-Schokokekse heißen nun „Chokita“. Aus der bekannten Reismarke Uncle Ben’s wurde Ben’s Original.
Unilever-Sprecherin Barbara Fuchs-Puchner dazu: „Wir wissen (…), dass sich gesellschaftliche Normen und Werte weiterentwickeln. Dies wird von uns laufend überprüft. Denn unser Fokus liegt darauf, sowohl die lange Tradition der Marke zu wahren als auch verantwortungsbewusst in die Zukunft zu gehen.“ Nach einer bevorstehenden Umbenennung klingt auch das nicht, und die Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Normen und Werte könnte diesen Kurs bestätigen. Denn mit dem politischen Rückenwind für den Rechtspopulismus verliert politische Correctness auch in unternehmerischen Fragen an Bedeutung.
Entspannt sehen das die Lebensmittelhändler. „Es gibt viele Kunden, die an der Marke hängen und viele, denen es nichts ausmachen würde, wenn sie anders heißt“, sagt etwa Nicole Berkmann, Pressesprecherin von Spar Österreich. Die Rewe Group Austria, zu der Billa gehört, wollte sich zu dem Thema gar nicht äußern. Die FPÖ spricht sogar von „Cancel Culture“: „Je weniger sich die Politik in die Wirtschaft einmischt, desto besser.“
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