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Die Buchbranche freut sich über den verregneten Juli

Shoppen für die Strandlektüre? Fehlanzeige. Im Sommer bleiben die Buchläden eher leer. Die Branche macht ihre besten Umsätze in den kühlen Wochen des Jahres und gehört so zu den Profiteuren des verregneten Juli.
Anna-Katharina Patsch  •  29. Juli 2025 CvD    Sterne  248
Buchhandel im Klimawandel: Verlage reagieren auf die Hitzewellen im September und verschieben wichtige Buchpräsentationen mangels Kundschaft in den Läden lieber in den Oktober oder November. (Foto: Shutterstock)
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Der Sommertag scheint ideal: Aufgeschlagenes Buch, nackte Füße im Sand, Zeit zum Schmökern. Wer sich durch Instagram scrollt oder einen Blick auf Reiseprospekte wirft, könnte meinen, der Buchhandel müsste im Juli Hochkonjunktur haben. Schließlich haben viele Menschen Urlaub und damit Zeit zum Lesen.

Tatsächlich aber bleibt der Umsatz in dieser Zeit auffallend niedrig. Während sich Schwimmbäder füllen und Schanigärten boomen, leeren sich viele Buchhandlungen. Die heiße Jahreszeit entpuppt sich als Verkaufskiller.

Sommerloch im Bücherregal

„In den Monaten Juli und August erzielen wir kaum Umsätze“, sagt Maximilian Hauptmann, Verleger von edition a. Der Verlag spürt die Flaute jedes Jahr aufs Neue. „Die stärkste Zeit für den Buchmarkt liegt zwischen Oktober und Jänner. Da kommt fast zwei Drittel des Jahresumsatzes rein.“

Der Unterschied ist deutlich. Während sich die Einnahmen in den kühlen Monaten vervielfachen, verzeichnet der Verlag in besonders heißen Juliwochen herbe Rückgänge. 

Auch Andrea Heumann, Geschäftsführerin von Thalia, bestätigt: „Saisonale Schwankungen sind im Buchhandel durchaus spürbar.“ Jedoch sei das nicht ausschließlich vom Wetter abhängig. Laut Heumann sind vielmehr Ferienzeiten, Reiseverhalten und Konsumtrends von Bedeutung. 

Wenn die Sonne Pause macht, klingelt die Kassa

„Das Wetter spielt sicher eine Rolle“, sagt Hauptmann. „Wenn es kalt ist, sind Menschen mehr drinnen und lesen mehr.“ Das spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen wider. Ein verregneter Tag reicht oft aus, um den Umsatz kurzfristig deutlich zu steigern.

Diese Beobachtung bestätigt auch Stefan Stöhr, Verlagsvertreter für Ostösterreich bei der Agentur Kager & Treml. „Wenn es heiß ist, sind weniger Kunden in den Buchhandlungen. Viele liegen im Freibad oder sind im Urlaub. Wenn es kühler ist oder regnet, steigt die Besucherzahl in den Läden und damit auch der Umsatz.“

Auch Heumann stellt fest: „Tatsächlich sehen wir bei Schönwetter eine geringere Frequenz in den Buchhandlungen vor Ort.“ Allerdings bedeute das für Thalia nicht automatisch Umsatzrückgänge. Die Kundschaft nutze vermehrt die digitalen Angebote des Branchenprimus.  

Anders ist es in diesem Jahr. Der Juli war der viertregenreichste der Messgeschichte, das macht sich auch im Buchgeschäft bemerkt und verschafft den Verlagen einen kleinen Schub. „Wenn es kühler ist, ist eine leichten Anstieg der Verkäufe merkbar“, sagt Stöhr, „auch wenn Juli und August weiterhin die umsatzschwächsten Monate bleiben.“

In den Monaten von Oktober bis Jänner erzielt edition a regelmäßig Umsatzspitzen. Der Juli hingegen ist Jahr für Jahr der umsatzschwächste Monat. Im heurigen Juli jedoch kam es zu einem seltenen Phänomen. Das schlechte Wetter sorgte für so viele Verkäufe wie noch nie zuvor in diesem Monat. Der Unterschied zum Vorjahr? Mehr als eine Verfünffachung des Buchumsatzes.

Was das Remissionsrecht mit der Hitze zu tun hat 

Für Verlage bringt die Sommerflaute aber nicht nur weniger Einnahmen, sondern oft auch finanzielle Rückläufe. Der Grund liegt im sogenannten Remissionsrecht. Buchhandlungen dürfe, nicht verkaufte Bücher an den Verlag zurückzugeben. Buchhandlungen retournieren im Sommer mitunter große Anteile der im Frühling gelieferten Bücher. Das kann in heißen Sommern bei Verlagen zu Negativ-Umsätzen führen.

Hitzeangst und Touristenstrom

Trotzdem gibt es Ausnahmen. Einige kleinere, unabhängige Buchhandlungen trotzen der Sommerflaute, zumindest teilweise. Die Wiener Buchhandlung Analog im 6. Bezirk erzählte im Gespräch mit campus a von anfänglicher Angst vor dem Sommerloch. Jedoch freut sich das Team seit Eröffnung auch in den heißen Monaten über stabile Zahlen, und das ganz ohne Klimaanlage. Der Grund: Touristen. Sie stöbern gerne in charmanten Stadtbuchläden. Ähnlich geht es dem Verlag und Buchladen Shakespeare and Company, der ebenfalls stark vom internationalen Publikum profitiert.

Doch diese Inseln der Stabilität täuschen nicht über den generellen Trend hinweg. Der Buchmarkt ruht im Sommer und viele Verlage reagieren darauf mit einer gezielten Veröffentlichungspause. „Im Juli publizieren wir generell sehr wenige Bücher“, sagt Hauptmann. „Der Buchmarkt schläft im Vergleich zu Oktober, November oder Dezember.“ 

Das perfekte Buchhandlungswetter 

Aber wann genau kaufen Leser am liebsten neue Bücher? Für viele scheint Sonne am Vormittag und Regen am Nachmittag das ideale Buchhandelswetter zu sein. Wenn es schon morgens regnet, bleiben die Menschen in ihren Wohnungen und Büros, wenn die Wolken erst tagsüber aufziehen, sind sie unterwegs und flüchten in die Buchhandlungen, so eine in der Branche verbreitete Theorie.

Heumann sieht das differenziert: „Manche lieben es, bei Regenwetter mit einem Tee und Roman auf dem Sofa zu sitzen, andere lesen bei 30 Grad am See. Für uns ist Buchwetter immer dann, wenn Menschen Lust haben, in Geschichten einzutauchen und das passiert zum Glück das ganze Jahr über.“

Klar ist: Gutes Buchhandlungswetter ist nicht gleichbedeutend mit gutem Urlaubs- oder Strandwetter.

Klimawandel im Buchregal

Die klassische Jahreszeitenlogik im Buchhandel beginnt sich mit dem Klimawandel allerdings aufzulösen. Besonders auffällig zeigt sich das im September. Was früher ein Übergangsmonat mit guten Umsätzen war, gerät zunehmend unter Druck, denn der Spätsommer wird immer heißer. Verlage riskieren es ungern, ein Buch mit Potenzial in eine Hitzewelle hinein zu veröffentlichen. Hauptmann: „Da bringen die klassischen Hebel des Marketings und der PR einfach viel weniger. Verändert sich das Wetter langfristig und werden Sommer phasenweise verregneter, rücken Juli und August stärker in den Fokus für Buchveröffentlichungen“, sagt Hauptmann.

Compliance Hinweis: Es besteht ein wirtschaftliches und persönliches Naheverhältnis zwischen campus a und edition a. 

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