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Ansichtskarten: Wer sie noch kauft und warum

Die Nachfrage nach Ansichtskarten sinkt seit Jahren, doch vor Souvenirläden und Innenstadttrafiken stecken sie noch immer in ihren Ständern. Trotz digitaler Grüße behauptet sich das kleine Stück Karton als Symbol für Nähe und Nostalgie.
Anna-Katharina Patsch  •  20. August 2025 CvD    Sterne  248
„Eine handgeschriebene Karte fühlt sich persönlicher an als jede Nachricht am Handy“, erklärt ein Amerikanisches Pärchen. (Foto: PEROUTKA Guenther / WirtschaftsBlatt / picturedesk.com)
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Die Sonne wirft Schatten auf die Kopfsteinpflastergassen von Graz. In einer Seitengasse schaukelt ein Drehständer im Wind. Dutzende Karten blitzen im Licht, Panoramen von Bergen, pittoreske Altstadtansichten, kitschige Schnappschüsse von Kühen vor Almkulisse. Eine Touristin bleibt stehen, zieht eine Karte heraus, dreht sie um. Auf der Rückseite warten leere Linien auf eine Adresse und ein paar persönliche Zeilen. In diesem Moment hält sie ein Stück jahrzehntelanger Tradition in den Händen.  

Ansichtskarten wirken in Zeiten von Smartphones und Social Media fast wie Überbleibsel aus einer anderen Ära. Und doch finden sie immer noch Käufer. Zurecht stellen sich die Fragen: Warum gibt es sie noch? Und wer schickt sie wem, wann und warum?

Mehr als ein Bild

Eine Ansichtskarte transportiert nicht nur ein Motiv, sondern auch eine Botschaft: Ich habe an dich gedacht und Zeit investiert. Dieses Symbol ist vielleicht wertvoller als das Foto auf der Vorderseite. In Zeiten, in denen persönliche Treffen seltener werden und digitale Kommunikation immer flüchtiger wirkt, gewinnt dieser Aspekt an Gewicht. 

Ein amerikanisches Paar, das in Wien unterwegs ist, beschrieb es gegenüber campus a so: „Wir schreiben kaum Ansichtskarten, aber wenn wir eine bekommen, hat sie für uns einen ganz anderen, sentimentaleren Wert. Eine handgeschriebene Karte fühlt sich persönlicher an als jede Nachricht am Handy.“ 

„Wir schicken uns seit Jahren als Tradition gemeinsam mit einem Freund gegenseitig Ansichtskarten. Jede landet am Kühlschrank, wo sie uns an schöne Momente erinnert“, erzählen uns zwei Österreicher beim Bummeln in Wien.

Wirtschaftlichkeit eines Kartonstücks 

Der dekorative Kühlschrank-Schmuck ist inzwischen immer teurer geworden. Obwohl die Spanne zwischen Herstellkosten und Verkaufspreis exorbitant groß ist. 

Laut dem Ansichtskartenhersteller Andreas Meixner liegen die reinen Produktionskosten für Ansichtskarten gerade einmal zwischen 0,06 und 0,22 Cent. Die Handelsspanne für den Hersteller beläuft sich auf maximal 72 Prozent pro Karte. Deutlich lukrativer scheint das Endkundengeschäft im Handel zu sein. Denn Ansichtskarten kosten in Wien 0,50 bis zwei Euro. Dabei liegt die Handelsspanne bei 99,57 bis zu 99,97 Prozent. Was bedeutet, dass nur 0,43 bis 0,03 Prozent des Verkaufspreises auf den Einkaufspreis der Ansichtskarten zurückzuführen ist. Touristen zahlen zumeist ein Vielfaches des tatsächlichen Werts des Produkts. 

Für Touristen kommt dazu noch das Porto. „Das Porto allein ist teuer. Die Ansichtskarte kostet bei uns 60 Cent und die Marke 1,20 Euro. Wenn man dann ein paar Karten schreibt, ist man schon ein Mittagessen los.“, sagt die Eigentümerin einer Trafik neben dem Stephansdom gegenüber campus a. Früher hätte die ältere Dame dreißig Ansichtskarten an eine Familie verkauft. Heute freue sie sich, wenn an Sonnentagen 15 bis 20 Karten über den Ladentisch gehen. Wenn es regnet und die Kartenständer im Ladeninnerem stehen, verkaufe sie zumeist nichts.

Ein Markt im Wandel

Für Meixner sind die goldenen Jahre der Ansichtskarte längst vorbei. Der Markt schrumpft, Verkaufsstellen werden weniger, da die Kundschaft abnimmt. Daher verschwinden auch immer mehr Hersteller. Wo früher jede Tankstelle, Kiosk oder Drogerie ein kleines Kartenregal hatte, stehen heute oft nur noch Regale mit Geschenkartikeln, Süßigkeiten oder Souvenirmagneten. Letztere haben sich in den vergangenen Jahren zum Verkaufsschlager entwickelt. „Den Rückgang der Ansichtskartenabsätze machen die steigenden Verkäufe durch Souvenirmagnete wett, das wird immer mehr“, sagt Meixner gegenüber campus a.

Auch Andreas Schiefer, Obmann des Landesgremiums der Tabaktrafikanten (WKW), sieht diesen Wandel: „Früher hat fast jede Trafik Ansichtskarten geführt. Heute verkaufen sie sich in Wien nur noch an Standorten, wo viele Touristen unterwegs sind: Innenstadt, Stephansplatz, Prater. In einer normalen Wohngegend ist das längst vorbei.“

Trotzdem bliebe die Nachfrage an touristischen Brennpunkten stabil. Wien, Villach, Klagenfurt, Graz, überall dort, wo viele Besucher unterwegs sind, drehen sich die Kartenständer weiterhin zuverlässig. 

„Nichts kann Handgeschriebenes ersetzen“

Diese Beobachtung teilt die Salzburger Papeteriehandlung Der gute Heinrich: „Ansichtskarten werden nach wie vor gerne geschrieben. Nichts kann Handgeschriebenes ersetzen.“

Auch Schiefer glaubt, dass sich die Ansichtskarte in Nischen halten kann: „Wenn ich schöne Ansichtskarten finde, die anders sind als alles, was am Markt ist, würde ich es versuchen sie wieder anzubieten. Aber die alten Standardmotive, die es schon vor fünfzig Jahren gab, sind heute schwer verkäuflich.“ Außerdem hätten viele Hersteller in den vergangenen Jahren aufgegeben.

Die Touristin in der Grazer Altstadt steckt ihre frisch gekaufte Ansichtskarte in die Tasche. Später wird sie sich in ein Café setzen, einen Kaffee trinken und ein paar persönliche Zeilen schreiben. Irgendwann, vielleicht in drei Tagen, vielleicht in einer Woche, wird der Empfänger sie in den Händen halten. Bis dahin reist ein Stück Papier quer um die Welt, begleitet von der einfachen, aber immer noch starken Botschaft: Ich war hier und habe an dich gedacht.

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