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Schlechtere Wirtschaft, längere Röcke: Stimmt das?

Frauen tragen längere Röcke, wenn sich die Wirtschaft eintrübt. Auch andere scheinbar zusammenhanglose Faktoren gelten als Indikatoren für die Konjunktur. Sind das nur Urban Legends, oder ist da was dran?
Harriet MacKinnon  •  30. September 2025 Volontärin    Sterne  20
Lange Röcke: Wirklich ein Hinweis auf schlechte Wirtschaftslage? (Foto: Shutterstock.com)
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Laut der Rocksaumtheorie ist die Länge des Rocksaums ein Indikator für die wirtschaftliche Lage. In Krisenzeiten tendieren Menschen demnach dazu, sich konservativer zu kleiden, was sich in längeren Röcken äußert. Der Ökonom George W. Taylor stellte 1926 diese Theorie auf und fand einen direkten Zusammenhang zwischen dem New Yorker Aktienindex und der Länge des Rocksaums. 

Die Hypothese klingt zwar merkwürdig, doch verschiedene historische Beispiele bestätigten sie. „Über viele Jahrzehnte hinweg lässt sich beobachten, dass der Rocksaum sich immer dann nach oben bewegt, wenn die Menschen ein euphorisches Gefühl von Wirtschaftswachstum und Prosperität haben“, sagt etwa das Deutsche Markt- und Meinungsforschungsinstitut Allensbach. Bei schlechter Wirtschaftslage hingegen werde „die Mode verhaltener, ernster und seriöser“. 

Während in den 1920er-Jahren kurze Röcke Freiheit und Fortschritt symbolisierten, dominierten nach dem Börsencrash 1929 längere, schlichtere Röcke. In den 1960er-Jahren brachte das Wirtschaftswachstum den Minirock zurück, dann führte die Ölkrise der 1970er-Jahre wieder zu längeren Röcken. 

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, wie die Länge der Röcke tatsächlich auf Konjunkturtrends reagiert, allerdings mit einer Zeitverzögerung von bis zu drei Jahren und keineswegs punktgenau. Die Theorie spiegelt eher die allgemeine Stimmung und das Konsumentenverhalten wider, und Fachleute erkennen die Theorie nicht als Wirtschaftsindikator an. Durch die Individualisierung und die Vielzahl von Modestilen durch Fast Fashion zeigt sich heute kein klarer Zusammenhang mehr, die Rocksaumtheorie ist vielmehr ein Hinweis auf Gefühlslagen. 

Kleine Luxusgüter als Trostspender

Der Lippenstift-Index, geprägt von Leonard Lauder, dem Vorsitzenden der Luxuskosmetikmarke Estée Lauder, besagt, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten steige der Verkauf von Lippenstiften. Der Grund: Viele gönnen sich in Krisenzeiten lieber kleine, erschwingliche Luxusprodukte statt teurer Kleidung oder Schuhe. 

So stiegen die Verkäufe von Lippenstiften nach den Terroranschlägen von 9/11 in den USA deutlich an. Während der Corona-Pandemie gab es sogar einen „Feuchtigkeitscreme-Index“, da Lippenstifte durch die Maskenpflicht weniger gefragt waren. Aktuell erleben Lippenstifte erneut einen Verkaufsboom. 

Auch der Lippenstift-Index ist umstritten. Leonard Lauder stützte sich vor allem auf die Verkaufszahlen seiner eigenen Marken, die aber nicht unbedingt repräsentativ für gesamte Konsumtrends sind, bemängeln Kritiker. Untersuchungen zeigen, der Index trifft nicht in jeder Krise zu, und Experten ordnen ihn als „weichen“ Indikator ein: Er gibt Impulse, aber ersetzt keine offiziellen Kennzahlen.

Größere Taschen bei größeren Sorgen?

Laut der sogenannten Big Bag Theory kaufen Frauen  in Krisenzeiten größere Handtaschen. Tatsächlich gab es Phasen, in denen große Taschen auffällig im Trend lagen, etwa rund um die Finanzkrise 2008. Gründe, warum sie gerade in Krisenzeiten an Beliebtheit gewinnen, gibt es viele. 

Zum einen spielt der Pragmatismus eine Rolle. Wer eine geräumige Tasche hat, trägt Regenschirm, Trinkflasche oder Snacks einfach mit sich und vermeidet so unnötige Spontankäufe. Gleichzeitig gibt es den „Value-for-Money“-Gedanken: Wer sich trotz allem eine neue Tasche leistet, dann eine, die vielseitig einsetzbar ist und lange hält. Die „Big Bag“ ist damit nicht nur ein Accessoire, sondern ein praktisches, psychologisches und stilistisches Statement.

Fazit: Die weichen Indizes aus der Modewelt sind für Wirtschaftsanalysten interessant zu beobachten, liefern aber keine belastbaren Fakten.

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