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Kluft zwischen den Geschlechtern: Politik stört Beziehungen

Zwischen Mark Zuckerberg und seiner Frau Priscilla Chan vertieft sich eine ideologische Kluft. Vielen Paaren geht es so. Dahinter steht ein politisches Auseinanderdriften der Geschlechter. Männer eher rechts, Frauen eher links.
Katharina Bittner  •  22. Oktober 2025 Volontärin    Sterne  146
Bei Mark Zuckerberg und Priscilla Chan zeigt sich, wie Politik zur Belastungsprobe in Beziehungen werden kann. Immer häufiger spaltet Ideologie die Gesellschaft und macht ach vor Paarbeziehungen nicht Halt. (Foto: Jordan Strauss / AP / picturedesk.com)
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Priscilla Chan, Ehefrau des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg, war einmal das moralische Gewissen des Silicon Valley. Die Kinderärztin spendete über die Chan-Zuckerberg-Initiative seit ihrer Gründung 2015 mehr als 6,4 Milliarden Dollar für soziale Projekte. Sie unterstützte Programme zur Bildungsförderung, zur medizinischen Forschung und für mehr Chancengleichheit, bis sie eines Tages alles stoppte. Sie ließ Schulen schließen, strich Fördergelder und löste die Diversitätsabteilung auf.

Offiziell soll die Arbeit „effizienter“ gestaltet werden. Inoffiziell fiel die Neuausrichtung in eine Zeit, in der sich ihr Mann zunehmend von liberalen Werten entfernte. Zuckerberg, einst als Idealist der freien Kommunikation gefeiert, posierte bei Trumps Amtseinführung. Chan stand an seiner Seite.

Doch kürzlich teilte sie auf Instagram einen Podcast, in dem sie sagt: „Wenn wir nicht in die Wissenschaft investieren, gibt es keine Hoffnung auf medizinischen Fortschritt.“ Ein Satz, der wie ein feiner Widerspruch zum neuen politischen Kurs ihres Mannes wirkt.

Das Beispiel der Zuckerbergs zeigt, was viele Paare derzeit erleben. Politik wird zur Belastungsprobe.

Frauen wählen links, Männer rechts

Chan und Zuckerberg sind kein Einzelfall. Immer häufiger prallen in Beziehungen unterschiedliche politische Überzeugungen aufeinander. Besonders dann, wenn sie sich auf Fragen von Gerechtigkeit, Migration oder Wissenschaft beziehen. Denn Frauen wählen im Schnitt linker als Männer, und dieser Gender Gap prägt längst nicht nur Wahlergebnisse, sondern auch, wer sich trifft, liebt oder nach dem ersten Date nie wieder schreibt.

Laut der Studie Seven Decades of Gender Differences in German Voting Behavior von Ansgar Hudde aus dem Jahr 2023 ist dies ein neues Phänomen. Jahrzehntelang gab es kaum Unterschiede im Wahlverhalten der Geschlechter und auch Frauen haben eher konservativ gewählt. Erst seit der Bundestagswahl 2017 wählen Frauen häufiger links als Männer, und die Kluft wächst seither weiter.

Besonders stark zeigt sich der Unterschied bei der jüngeren Generation. 52 Prozent der Frauen zwischen 18 und 29 Jahren bezeichnen sich heute als links, während sich 43 Prozent der Männer im eher rechten Spektrum sehen. Zwischen 2013 und 2021 hat sich dieser Abstand rasanter vergrößert als je zuvor. Junge Frauen in Deutschland tendieren zu Grünen, Linken oder SPD, junge Männer häufiger zu FDP oder AfD. Bei älteren Wählern ist die politische Spaltung deutlich schwächer.

Der Trend reicht allerdings weit über Deutschland hinaus. In fast allen westlichen Ländern entfernen sich die politischen Haltungen junger Frauen und Männer zunehmend voneinander. In den USA schon seit deutlich längerer Zeit. Wie kam es zu diesem Wandel?

Ursachen: Feminismus, Klima, Gerechtigkeit

Der wachsende Abstand zwischen den politischen Haltungen von Frauen und Männern hat mehrere Ursachen. Im Jahr 2017 kam die Bewegung #MeToo auf. Unter dem Hashtag berichteten weltweit Frauen von ihren Erfahrungen mit sexueller Belästigung. Am 14. Juni 2019 fand eine der größten Demonstrationen seit Jahrzehnten statt. Hunderttausende Frauen gingen am Frauenstreiktag auf die Straße. „Der neu aufgekommene Feminismus hat viele junge Frauen politisiert. Das ist ein wichtiger Grund dafür, warum junge Männer und Frauen politisch auseinanderdriften“, schreibt die NZZ am Sonntag.

Wir von campus a haben mit der Soziologin Sabine Haring-Mosbacher gesprochen. Sie beobachtet, dass der starke Zuspruch vieler Männer zu rechten Parteien auch mit deren patriarchalem Weltbild zusammenhängt: „Männer fühlen sich von diesen Parteien oft stärker angesprochen, weil sie traditionelle Rollenbilder bestätigen.“ Wenn rechte Parteien gemäßigter auftreten, steige auch der Anteil weiblicher Wählerinnen, so Haring-Mosbacher.

Zugleich hätten sich die gesellschaftlichen Spielräume verändert. „Strukturelle Gewalt ist durch #MeToo sichtbarer geworden, und die Sensibilität dafür, was toleriert wird, ist gestiegen“, sagt die Soziologin. Heute gehe es nicht nur um physische, sondern auch um psychische oder verbale Formen von Gewalt. Sprache, Witze oder Anspielungen, die früher als harmlos galten, gelten heute als übergriffig. Wenn sich gesellschaftliche Normen verschieben, fühlen sich bestimmte Gruppen stärker bedroht als andere. „Die Bilder davon, wie eine Frau zu sein hat, haben sich weitgehend aufgelöst. Viele Frauen erleben das als Befreiung, manche Männer sehen es jedoch als Bedrohung.“

Ein weiterer Grund für die wachsende Kluft ist das veränderte Verständnis linker Politik. Im Gegensatz zu früher zählen heute auch Themen wie Antirassismus, Gleichstellung oder Klimagerechtigkeit zu den zentralen Anliegen progressiver Parteien. Gerade beim Thema Feminismus prallen die Meinungen junger Frauen und Männer häufig aufeinander. Doch was bedeutet das für unser Privatleben?

Liebe in Zeiten der Polarisierung

Politik spaltet nicht nur Wahllokale, sondern auch Esszimmertische. Eine US-Studie von Chen und Rohla aus dem Jahr 2018 zeigt, dass Thanksgiving-Dinner mit Angehörigen anderer politischer Lager bis zu 50 Minuten kürzer sind. Übertragen auf Dating bedeutet das, wer beim ersten Date merkt, dass die andere Person ‚falsch‘ wählt, bricht den Abend vielleicht früher ab oder swiped von vornherein links.

„Zum Glück gibt’s auch noch Frauen, die nicht links sind“, schreibt ein User in einem Forum. „Mit einer linken Frau wäre es spätestens nach dem ersten Date aus – kein Zukunftspotenzial.“ Solche Kommentare zeigen, wie tief politische Haltungen inzwischen in private Beziehungen hineinwirken.

Die Soziologin Haring-Mosbacher erklärt, warum politische Einstellungen beim Dating heute so wichtig geworden sind: „Dating-Apps funktionieren nach der Ähnlichkeitshypothese. Wir suchen nach Menschen, die uns in Interessen, Werten und Lebensstil ähneln.“ Ob Politik dabei eine Rolle spielt, hänge davon ab, wie wichtig das Thema für die einzelne Person sei. „Manche reden am Anfang gar nicht darüber und die Konflikte entstehen später, andere brechen ein Date ab, sobald sie merken, dass sie politisch zu weit auseinanderliegen, manche schauen bereits im Dating Profil auf die politische Einstellung.“

Problematisch sei, so Haring-Mosbacher, dass viele Menschen „nur noch in ihrem eigenen Milieu unterwegs“ sind. Der Austausch mit anderen Perspektiven gehe verloren, und damit auch ein Stück gesellschaftliche Toleranz. „Dabei stehen hinter politischen Positionen Werte. Und Werte können sich verändern.“

Das zeigt sich nicht nur in romantischen Beziehungen, sondern auch im Freundeskreis oder in Familien. Während der Corona-Pandemie etwa verliefen politische Gräben quer durch Partnerschaften und Haushalte. „Viele Paare haben gelernt, bestimmte Themen lieber zu vermeiden“, sagt Haring-Mosbacher.

Die meisten Menschen bewegen sich ohnehin in einem Umfeld, das ihnen ähnelt. In Bildung, Lebensstil und politischen Werten. Gesellschaftliche Konflikte erlebt man oft nur aus der Distanz. Wenn sich die Trennlinie aber zwischen den Geschlechtern oder sogar innerhalb von Partnerschaften zieht, wird das Politische plötzlich privat. Dann verlaufen die Konflikte durch Paare, Familien und Freundeskreise.

Die neue Zerreißprobe

Bei den Zuckerbergs bleibt die Fassade der heilen Welt zumindest auf Instagram intakt. Gemeinsame Fotos beim Oasis-Konzert und liebevolle Geburtstagsnachrichten: „Celebrating the most important Person in my life. You are a great partner, mother and friend, and I’m grateful to share this life with you.“ Doch während sie öffentlich eine perfekte Harmonie inszenieren, zeigt ihr Beispiel, was viele Paare heute erleben. Politische Differenzen in Beziehungen werden sichtbarer.

Aber das kann auch positiv sein. Wer mit jemandem zusammenlebt, der politisch anders denkt, kann lernen, Argumente abzuwägen und Empathie zu entwickeln. Denn wenn die Gegenseite am Küchentisch sitzt, ist es schwieriger, sie einfach abzulehnen.

Die wachsende Kluft zwischen den Geschlechtern wird sich nicht von heute auf morgen auflösen. Stattdessen wird Politik weiter prüfen, was Beziehungen aushalten. Und ob sie daran wachsen oder zerbrechen.


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