Während Eltern auf Instagram scrollen, verschicken ihre Kinder Snaps. Das sind Bilder, die nach Sekunden wieder verschwinden. Während auf TikTok, Instagram und WhatsApp alle Altersgruppen vertreten sind, bleibt Snapchat den unter 30-Jährigen vorbehalten. Dennoch liegt Snapchat laut Studien 2025 auf Platz drei der meistgenutzten Plattformen in Österreich, noch vor Instagram und TikTok. Die App ist bei 14- bis 18-Jährigen am beliebtesten. Wer die Website von Snapchat besucht, stößt auf Funktionen wie Chats und das Versenden von Bildern und Videos, nichts, was andere Social-Media-Apps nicht auch bieten würden. Warum ist Snapchat also schon seit 2011 so erfolgreich?
Lisa Neumüller (18), Maria Hebreiter (18) und Anna Kunz (21) nutzen Snapchat regelmäßig. Lisa und Maria verbringen täglich jeweils eine halbe Stunde auf der App, Anna lacht verlegen und gibt zu, es seien deutlich mehr Stunden bei ihr. Lisa und Maria „snappen“ täglich mit ungefähr 20 Personen, Anna mit bis zu 45. Wenn ältere Menschen, wie zum Beispiel ihr Ausbildungsleiter oder Arbeitskollege, Snapchat nutzen, finden sie das „komisch“ und fragen sich, mit wem sie dort kommunizieren wollen, da Snapchat doch die App für junge Menschen ist.
„Ich vlogge meinen Tag und mache Videos von mir selbst, wo ich gerade bin und was ich gerade mache“, erzählt Lisa.
Streaks, symbolisiert durch eine Flamme, bekommen alle, die täglich Bilder oder Videos mit Freunden austauschen. „Ohne Streaks würden sicherlich viele Nutzer aufhören“, sagt Lisa. Obwohl sie die Funktion nervig und stressig findet, will sie ihre Streaks trotzdem nicht verlieren. Antwortet eine Freundin oder ein Freund nicht rechtzeitig, gehen die Flammen verloren, die Snap-Freundschaft ist beendet.
Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von Safer Internet, gibt regelmäßig Medienpädagogik Seminare für die ältere Generation und erklärt das Geheimnis der Streaks: „Sie sind Messgeräte für zwischenmenschliche Beziehungen, Snapchatter beweisen sich gegenseitig ihre Treue und ihr Durchhaltevermögen.“ Streaks machen Freundschaft messbar.
Annas höchste Streak Anzahl liegt bei 2604, das sind sieben Jahre des täglichen Austausches.
Ein Kind freut sich über ihren Handybildschirm. (Foto: Shutterstock)
„Was Snapchat für die junge Generation spannend macht, wirkt auf ältere Nutzer oft abschreckend“, erklärt Buchegger. Der Druck, täglich Snaps zu verschicken, erscheine vielen Erwachsenen zeitaufwendig, ein soziales Ritual, das sie eher als Last empfinden würden. Jugendliche hingegen lieben genau diese Vergänglichkeit. Bilder, die nach Sekunden verschwinden, und die Geschwindigkeit der App passen perfekt zu ihrem Alltag. Wischbewegungen, Klicks und schnelle Reaktionen sind für sie instinktiv, für viele Erwachsene hingegen fast schon zu schnell und schwer zu erfassen.
Buchegger sagt weiter: „Wer Snapchat nutzen will, darf keine Scheu haben.“ Ältere Nutzer erschrecken, wenn sie die App öffnen denn dabei geht die Frontkamera des Handys and und sie sehen sofort eine Nahaufnahme ihres Gesichts.
Snapchat ist nicht sonderlich nutzerfreundlich, viele Funktionen sind schwer zugänglich. Wer die App herunterlädt, erhält keine Gebrauchsanweisung, die sich ältere Nutzer wünschen. Bei TikTok und Instagram ist das anders.
Während junge Nutzer die Snap Karte feiern, auf der sie rund um die Uhr mit Freunden ihre Standorte teilen, haben ältere Nutzer Datenschutzbedenken. Sie bleiben lieber privat. Laut Buchegger ist es für Erwachsene wichtig, sich mit Snapchat auseinanderzusetzen, um die Jugend zu verstehen.
Snapchat erfindet Social Media neu, viele innovative Funktionen waren zuerst auf Snapchat verfügbar. 2016 führte Snapchat unter viel Gelächter die Story Funktion ein. Stories machten die vorher privaten Snaps einfach für 24 Stunden für Freunde sichtbar. Instagram kopierte diese Funktion kurzerhand und gewann somit viele neue Nutzer.
Die künstliche Intelligenz auf Snapchat präsentiert sich wie auch auf Whatsapp als ein neuer Kontakt in der Freundesliste. My AI, ein personalisierbarer Freund, ist eine neuere Funktion von Snapchat, die allerdings wenige nutzen. Tatsächlich sind junge Nutzer von Snapchat fast schon altmodisch und empfinden die KI als überflüssig. Für eine sichere Nutzung sollten Eltern ihre Kinder informieren: My AI ist keine echte Person.
Das Snapchat Logo mit dem weißen Gespenst auf gelbem Hintergrund hat Wiedererkennungswert. Personalisierte QR Codes auf Werbeplakaten führen Nutzer zu firmeneigenen Filtern. Zum Beispiel können virtuelle Effekte die Umgebung oder das eigene Aussehen „verwandeln“. Marken wie Otto nutzen Snapchat, um Nutzer virtuelle Realitäten erleben zu lassen und ihre Marke zu stärken. Trotz dieser technologischen Entwicklung sagt Buchegger, nutzen Jugendliche die Virtual Reality Filter kaum.
Es wäre allerdings keine Jugendkultur, wenn nicht zumindest einige technologische Tricks gut ankämen. So gibt es viele verschiedene interaktive Spiele, in denen Nutzer gegeneinander antreten. Mit Wischbewegungen ein Auto einparken, durch Klicken die liebste Frucht bewerten, herausfinden, welchem Promi Nutzer ähneln. Filter, die Nutzer jünger oder älter machen, sind weiterhin beliebt.
Ein Handy Bildschirm mit Snapchat Filter. (Foto: Shutterstock)
Beim Feiern, erklärt Lisa, gibt sie gerne ihren Snapchat Kontakt her, da es einfach wäre, Personen zu blockieren oder zu entfernen. „Als ich 12 war, hat mir ein 26-Jähriger geschrieben. Den habe ich dann aber gleich blockiert“, erzählt Lisa. Mittlerweile nehme sie Anfragen von Fremden nicht mehr an.
„Gerade junge erstmalige Nutzer nehmen alle Anfragen an und setzen sich so potenzieller Gefahren aus“, sagt Buchegger. Selbstlöschende Nachrichten erschweren den Nachweis von Belästigung.
„Nutzer können oft gut erklären, warum Snapchat so wichtig für sie ist“, sagt Buchegger. Sie erklärt, langjährige Nutzer gehören bald selbst zur älteren Generation auf Snapchat.
„Ich snappe kaum mit engen Freunden. Es geht vor allem darum, den Kontakt zu Bekannten aufrechtzuerhalten, nicht um das, was in den Snaps steht“, sagt Maria. Die Bilder zeigen halb abgeschnittene Selfies, leere Straßen oder verzerrte Gesichter. Die Bildästhetik unterscheidet sich deutlich von Instagram. „Hier geht es um die bloße Kommunikation mit Gleichaltrigen, nicht um den perfekten Winkel“, ergänzt Buchegger.
Für Lisa ist die Archiv-Funktion von Snapchat besonders wichtig, um sich Fotos oder Videos von Erlebnissen anzusehen. Es ähnelt einem Tagebuch inklusiver Rückblenden. Das Archiv soll bald kostenpflichtig werden. Auf diese Ankündigung folgte ein Aufschrei in der Snapchat-Gemeinschaft, wie mehrere Medien berichteten.
Ob der Erfolg von Snapchat weiterhin anhält, bleibt offen. Wahrscheinlich schon, denn die App scheint genau das zu bieten, was Jugendliche brauchen und wollen: ständigen Austausch, ohne sich anstrengen zu müssen. Lisa, Maria und Anna sagen dennoch, dass sich ihr Alltag ohne Snapchat nicht großartig verändern würde. FOMO, die Angst, etwas zu verpassen, haben sie jedenfalls nicht, sollten sie Snapchat deinstallieren.
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