Handgemachtes, Gebrauchtes und Repariertes: Das weltweit erste nachhaltige Einkaufszentrum könnte bald in Wien Döbling eröffnen, als Shopping-Destination für Umweltbewusste. Der geplante, 6.000 Quadratmeter große Standort liegt am Rande von Wien Heiligenstadt, fernab jeglicher Stereotype, für die der 19. Bezirk bekannt ist. Keine Spur von grünen Weinbergen, Grinzinger Heurigen oder Villenvierteln.
Rund um die geplante Adresse Heiligenstädter Lände 31, bisher eine Filiale des insolventen Baustoffhändlers Quester, sieht es eher unromantisch aus. Über das von Maschendraht umzäunten Areal ragt einsam der „APA-Turm“ auf. Einst Heimat der Austria Presse Agentur, steht das Hochhaus seit 2005 leer. Bereits 2026, allenfalls schon im März, soll hier neue Lebendigkeit einkehren. „Wir haben echt was Großes vor, das wir gerne mit euch teilen würden“, kündigt der Betreiber der neuen Mall, der Vintagemarkt-Spezialist Wild im West auf Instagram an.
Wild im West bezeichnet sich selbst als loses Kunst- und Kultur-Kollektiv, gemacht von „Kultur-Hippies“, die seit 2020 verlassene Immobilien an interessanten Adressen interimistisch für ihr alternatives Konsumkonzept nutzen. Aussteller zahlen Mieten für Stände, an denen sie vor allem Second Hand und Handwerk offerieren, während im Hintergrund DJs oder Bands am Werk sind und sich das Publikum an einer bodenständigen Gastro laben kann. Im ehemaligen Sophienspital oder etwa in der Mariahilfer Straße setzte Wild im West bisher das Konzept erfolgreich um.
Wild im West Spezialität ist es, leeren Flächen vorübergehend Leben und Kultur einzuhauchen, so wie hier in der Mariahilfer Straße 166. (Foto: Wild im West)
Am einstigen Quester-Gelände sollen auf 6.000 Quadratmetern Fläche klassische Flohmarktstände, Fahrrad- und Elektroreparateure, Siebdruck-Werkstätten, Friseure, Schneidereien, Schuhmacher sowie Kunst- und Möbelhändler ihre Produkte und Dienstleistungen feilbieten. Die „Mall“ soll zudem eine Gemeinschaftswerkstatt, eine Industrieküche und einen Baumarkt der Materialinitiative Wert:Stoff beheimaten, die ausrangierte Bühnenbilder und Restware der Kulturszene verkauft.
Allzulange werden sich Döblinger nicht darüber freuen können. Es handelt sich nur um eine Zwischennutzung. Die Pläne der Buwog für die Liegenschaft sind noch nicht fertig, voraussichtlich wird es sich um Wohnbau handeln. „Wir werden bleiben, solange wir können“, sagt David Kreytenberg, Geschäftsführer von Wild im West, den campus a vor Ort zum Lokalaugenschein traf. Umziehen ist er gewohnt. Aktuell muss Wild im West seine derzeitige Location Wien St. Marx, wo demnächst der Bau der Wien Holding Arena startet, räumen. Die Döblinger Mall, für die der kuriose Name „Lügner City“ im Gespräch ist, wird auch nur an Samstagen und Sonntagen offen haben. „Es handelt sich um eine reine Zwischennutzung“, betont auch eine Buwog-Sprecherin auf Anfrage.
Yanek Mölk von „Wert:Stoff“ und „Wild im West“-Geschäftsführer David Kreytenberg vor ihrem zukünftigen Einkaufsparadies. (Foto: Alex Halada)
Wild im West entwickelt das unkonventionelle Geschäftsmodell seit Start 2020 konsequent weiter. Wo ungenutztes Land auf seine Bebauung wartet, ist die „Wanderoase“, so die Selbsteinschätzung, nicht weit. Ihre Kundschaft lockt das Team an, „indem wir einfach cool sind und coole Sachen machen“, so Kreytenberg. „Wir entwickeln temporäre Räume für Begegnung. Im Endeffekt sind wir Kulturhippies.“ Die Finanzierung der Buwog-Mieten soll auch über Förderungen des Bundes und der Stadt Wien erfolgen. „Im Endeffekt geht es uns nicht um Geld verdienen, sondern darum, ein sich selbst erhaltendes System zu schaffen. Das ist unser Beruf“, sagt Kreytenberg.
Mittlerweile haben sich mehr als dreißig Interessenten für eine Teilnahme gemeldet. Sollte alles nach Plan laufen, kann sich Kreytenberg einen sanften Start bereits Mitte Dezember vorstellen, etwa mit einem Weihnachtsmarkt. Ab März soll die eigentliche Eröffnung folgen. Wie geht es dann weiter?
„Nachdem die Mariahilfer Straße mit René Benkos Luxuskaufhaus Lamarr die Chance auf ein österreichisches KaDeWe verloren hat, denke ich, dass wir diese Lücke füllen könnten“, scherzt er.
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