
Ich bin nie eine ängstliche Person gewesen. Doch seit ein paar Jahren habe ich Angst: Angst, dass ich nicht sicher mit meiner Partnerin leben kann; Angst, dass mir oder meinen Freundinnen etwas auf einer Demo zustoßen könnte; Angst um Frauen in Amerika, Palästina, Afghanistan, im Iran. Doch mehr als Angst empfinde ich Wut. Wut, weil wir im Stich gelassen werden. Der Rechtsruck in Europa zeigt, wovor Feministinnen seit Jahren warnen. Frauenhass wird offen und unverhohlen geäußert: ohne Scham.
Ich bin Feministin. Das sage ich stolz, denn so habe ich es von meiner Familie gelernt. Meine Großmutter, meine Tanten, meine Mutter und meine Schwester haben mir diese Werte vorgelebt. Dass Frauen ein sicheres und glückliches Leben verdienen, ist keine radikale Denkweise. Doch die halbherzigen Fortschritte, die wir heute erzielen, reichen nicht. Deshalb nenne ich den 8. März nicht Weltfrauentag, sondern Feministischen Kampftag.
Unsere Rechte werden täglich bedroht, jetzt mehr denn je zuvor zu meinen Lebenszeiten. Egal, ob Ausländerinnen, weiße oder nicht-weiße Frauen, heterosexuell oder queer: Rechtsextreme Ideologien gefährden uns alle. Wer denkt, sie hätten nur etwas gegen Migrantinnen oder Transfrauen, liegt falsch. Hass gegen bestimmte Gruppen ist nur der Anfang. Ihr Ziel ist Frauenhass, unabhängig von Intersektionalität.
Ich kann meine Privilegien anerkennen: Ich bin eine weiße, queere Frau aus der EU, die gut Deutsch spricht. Bisher hat sich niemand getraut, mir gegenüber rechtsextreme Aussagen zu machen. Doch meine Erfahrung ist von Glück geprägt. Andere hatten nicht dieselben Chancen.
Der Rechtsruck nutzt die Unterschiede zwischen uns, um uns zu schwächen. Doch wir dürfen uns nicht mehr spalten lassen. Deshalb hier die Stimmen von zwei Frauen, mit denen ich mir den Platz für diesen Kommentar teilen möchte.
Anni ist 21 Jahre alt, Wienerin: Mit dem aktuellen Rechtsruck sehe ich eine große Gefahr für die bereits erkämpften Rechte für Frauen* (Anmerkung der Redaktion: Feminist*innen verwenden das Sternchen * bei „Frauen“, um alle Menschen einzuschließen, die sich als Frauen identifizieren oder in der Gesellschaft als Frauen gelesen werden, unabhängig von ihrer biologischen oder geschlechtlichen Identität) . In den Medien wird es oft so dargestellt, als würden Feminizide in erster Linie ‘böse Ausländer’ begehen. Dabei ist das wahre Problem der Sexismus, der unabhängig von der Nationalität tief in der Gesellschaft verankert ist. Das Wohl von cis Frauen (Anmerkung der Redaktion: cis Frauen sind Frauen, die bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wurden und die sich auch als Frauen identifizieren) scheint nur dann ein Anliegen für politisch-Rechte zu sein, wenn sie rassistische Aussagen als Totschlag-Argument nutzen können. Dabei wollen solche Parteien die Kontrolle über den weiblichen Körper (Stichwort Herdpremie, Ablehnung der Abtreibung…) haben. Es werden Gesetze verabschiedet, die uns in ein vergangens Jahrhundert versetzen und es ist beängstigend, wie unsere Gesellschaft unfähig ist, aus der Vergangenheit zu lernen. Der Rechtsruck ist nicht nur ein Angriff auf Frauen* und marginalisierte Gruppen, sondern schlichtweg Ignoranz gegenüber den Menschenrechten.
Inoke ist 22 Jahre alt und lebt in Amsterdam. Nachdem sie auf Instagram eine Werbung für einen bezahlten Workshop sieht, bei dem Frauen Protestschilder für den achten März basteln können, schickt sie mir diese Sprachnachricht: Feminismus ist keine Marke, kein Business und keine Gelegenheit für Profit. Wer den Kampf gegen den Faschismus zur Ästhetik macht, wird bald einen Faschisten im Spiegel sehen. Diese performativen, kapitalistischen Auswüchse, bezahlte Workshops, Mimosas und Punch-Needle-Kurse, sind kein Aktivismus. Sie sind eine Farce. Wer auch nur einen Cent mit Feminismus verdient, ist Teil des Problems. Feminismus ist anti-kapitalistisch. Wer soziale Bewegungen in Profit umwandelt, ist nicht Rosa Parks. Sie ist die weiße Frau, die Rosa sagt, sie soll aufstehen.
Die FPÖ behauptet, intersektionaler Feminismus helfe „normalen Frauen“ nicht mehr. Ich weiß, wen sie mit „normal“ meinen: sich selbst. Doch auch die FPÖ-Frauen sind von Sexismus und Frauenhass bedroht. Statt sich zu solidarisieren, spielen sie die Unterdrückerinnen, um sich bei rechten Politikern anzubiedern. Alles, nur um nicht zuzugeben, dass auch sie vom Feminismus profitieren könnten. Alles, um die Realität beiseite zu schieben, dass wir nicht jede für uns alleine um unsere Rechte kämpfen können.
Denn unsere Kämpfe sind miteinander verwoben. Keine von uns ist frei, solange wir es nicht alle sind. Ob Karrierefrau oder Hausfrau, Frauen können es heute nie richtig machen. Die eine wird als egoistisch abgestempelt, die andere als rückständig. Diese Doppelmoral ist ein Werkzeug, das uns in Schubladen steckt und gegeneinander ausspielt.
Lesben waren lange das Rückgrat der Queer-Community. Schwarze Transfrauen und nicht-weiße Lesben haben die historisch wichtigsten Kämpfe für die queere Community angeführt. Doch wo sind wir jetzt für sie? Und wo bleiben die anderen für uns? Solidarität verschwindet schnell, sobald es um Musliminnen, Schwarze Frauen oder andere marginalisierte Gruppen geht.
Der Rechtsruck bedroht alle, die nicht in das enge Weltbild der Rechtspopulisten passen. Sobald sie die Rechte von „anderen“ Frauen abgeschafft haben, sind die „normalen Frauen“ dran. Also, was bringt es uns, einander zu beleidigen? Gibt es wirklich keine anderen Gruppen, die unsere Wut mehr verdient haben, als andere Frauen?
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