Die Technologie. Welch wunderbare Errungenschaft der Menschheit. Die ganze Welt auf einem kleinen Bildschirm, nur einen Klick entfernt. Früher wühlten wir uns durch Bibliotheken, mussten Bücher suchen, Seiten umblättern. Wie anstrengend! Da doch lieber Stichworte in Suchmaschinen stopfen und voilà.
Wem auch das zu mühselig ist, freut sich über neue künstliche Intelligenzen wie ChatGPT. Deinem Freund und Helfer. Das nervige sich durch Quellen und Artikel quälen, das im schlimmsten Fall volle fünf Minuten unserer kostbaren Lebenszeit in Anspruch nimmt, ist Geschichte. Die perfekte Antwort binnen Sekunden. Nie wieder Kopfschmerzen durch eigene Gedanken. So bekommen endlich auch die letzten ungenutzten Gehirnzellen ihren wohlverdienten Ruhestand. Verlässlich ist dieser Freund immer zu hundert Prozent. Die verwendeten Quellen sind immer nachvollziehbar und mit „Seite leider nicht verfügbar“ gekennzeichnet. Der Fortschritt der Welt verdient einen Applaus.
Dann hat uns die Technologie auch noch dieses andere wichtige Thema beschert: Social Media, Trends und das Streben nach Individualität. Einzigartigkeit ist alles. Sie ist absolut im Trend. Sei du selbst, solange du in die Masse passt. Am besten zeigt sich unsere Einzigartigkeit, indem wir dieselbe graue Zara-Jacke tragen wie jeder oder jede dritte.
Trends sind die neue Religion, gepredigt von Influencer-Propheten. Ein x-beliebiger Tiktoker schwärmt von Schuhen, die „dein Leben verändern“, woraufhin Millionen ausschwärmen, um sie zu kaufen. Völlig verständlich, denn auf der Suche nach Individualität ist nichts authentischer, als uns von fremden Menschen bestimmen zu lassen. Es entstehen Millionen Klone. Ein Meer aus Minions, die sich gegenseitig an Originalität übertreffen, indem sie alle exakt das Gleiche tun und tragen.
Das Konzept der Individualität verschwimmt paradoxerweise in einem Hurrikan aus globalen Trends. Social Media sorgt dafür, dass wir wie Marionetten brav an den Strippen tanzen. Eine Bühne der Kreativität, und doch folgen wir einer unsichtbaren Choreographen.
Faszinierend jedoch ist unsere Hingabe zu Bildschirmen. Egal ob im Café, auf der Toilette, ja selbst in U-Bahnen glotzen alle in leuchtende Rechtecke. Die echte Welt? Echte Menschen? Überbewertet! Wer braucht denn so was? Während wir in der überfüllten U-Bahn stehen, ist links das Gedröhne eines TikTok Renegade-Tanzes und rechts ein „whats in my bag“ Video zu hören. Wie Zombies stehen alle mit gesenkten Köpfen da. Emotionslos mit monotonem Swipen. Was versuchen sie zu finden? Ein besseres Leben? Das Tor zu Narnia?
Hoffnung gibt es, wenn hier und da zwischen piependen, brummenden Quälgeistern ein Buch aufblitzt. Ein echtes Buch! Aus Papier! Klar selbst das ist mittlerweile ein Tiktok-Trend, aber vielleicht wird auch Kreativität und Fantasie mal zum Trend.
Technologien und Trends sind wie ein Spiegel unserer Gesellschaft. Statt uns zu zeigen, wer wir wirklich sind, zeigen sie uns, wer wir glauben, sein zu müssen. Vielleicht ist es Zeit, diesen Spiegel zu zerbrechen und hinaus in die echte Welt zu schauen, wo keine KI, keine Influencer sagen, wer wir sein sollen.
Heben wir den Blick, schauen wir nach oben, bevor uns KI-assistierte Shopping-Apps die perfekten Schuhe vorschlagen, die unsere Einzigartigkeit und Individualität betonen. Genau wie bei den anderen Millionen Nutzern.
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