Wien | Gesundheit | Meinung | Chronik | Kultur | Umwelt | Wirtschaft | Politik | Panorama
GesundheitInternationalFakten

Empty-Nest: Studienbeginn bringt Kummer für Eltern

Während im Oktober der Trubel in die Universitäten zurückkehrt und sich die Hörsäle wieder füllen, heißt das auch für viele Studenten von zu Hause auszuziehen. Ein großer Schritt, der nicht nur für junge Erwachsenen aufregend ist, sondern auch Eltern vor neue emotionale Herausforderungen stellt. Wie gehen beide Seiten am besten damit um?
Julia Ehrensberger  •  8. Oktober 2025 Redakteurin    Sterne  470
Wenn Kinder von zu Hause ausziehen, sind Eltern oft vom „Empty Nest Syndrom“ betroffen. (Foto: cottonbro studio/Pexels)
X / Twitter Facebook WhatsApp LinkedIn Kopieren

Die Koffer sind gepackt, das Lieblingsessen steht ein letztes Mal auf dem Tisch, und bevor die Tür ins Schloss fällt, gibt es noch eine feste Umarmung, wahrscheinlich begleitet von ein paar Tränen. Wenn Kinder das Elternhaus verlassen, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, oft in einer fremden Stadt, bleiben die Eltern zurück und spüren plötzlich die ungewohnte Stille eines leeren Hauses.

Für viele beginnt dann eine Zeit, die sich unerwartet schwer anfühlt. Das sogenannte Empty-Nest-Syndrom. Es ist dieses leise Gefühl von Verlust, das sich einschleicht, wenn die tägliche Fürsorge nicht mehr gebraucht wird. Eltern, die viele Jahre ihren Alltag um die Familie herum organisiert haben, spüren die Leere im Haus plötzlich intensiv.

Herausfordernd für Eltern und Kinder

Eltern müssen lernen, sich auf neue Routinen und Gefühle einzustellen und einen Alltag zu akzeptieren, in dem vieles fehlt, was über Jahre selbstverständlich war. Die Verantwortung für das Wohl der Kinder, das Kümmern, Sorgen und Lieben, all das weicht plötzlich einer ungewohnten Stille. Zurück bleiben oft Einsamkeit, Wehmut und das Gefühl, den eigenen Lebenssinn verloren zu haben. Häufig zeigen sich die Folgen des Empty-Nest-Syndroms auch in Stimmungsschwankungen, Gereiztheit oder Spannungen in der Partnerschaft. Für manche wird dieser Umbruch so belastend, dass sie ohne Unterstützung kaum damit zurechtkommen. In solchen Fällen kann psychologische Beratung helfen, den neuen Lebensabschnitt zu sortieren und wieder Halt zu finden.

Kinder können mit den Gefühlen der Eltern schnell überfordert sein. Sie empfinden Mitleid und müssen gleichzeitig ihren eigenen neuen Lebensabschnitt meistern. In einer fremden Stadt neue Freunde finden, sich im Universitätsalltag zurechtfinden und zum ersten Mal selbst kochen, putzen oder Wäsche waschen sind Herausforderungen, die nicht unterschätzt werden sollten. Doch wie gehen Eltern und ihre Kinder am besten mit dieser herausfordernden Zeit um?

Sarah Hauser (Name von der Redaktion geändert), Studentin der Betriebswirtschaft in Salzburg erinnert sich an ihre ersten Wochen der Unabhängigkeit zurück: „Meine Mutter war zunächst traurig, hat meinen Schritt aber sehr unterstützt. Sie sieht es positiv, dass ich ausgezogen bin, um selbstständiger zu werden und Verantwortung für mein eigenes Leben zu übernehmen.“ Ganz allein sei Sarahs Mutter zu Hause zum Glück noch nicht. Ihre beiden jüngeren Brüder hätten den Auszug noch vor sich und erleichtern so der Mutter das Loslassen ihrer ältesten Tochter. 

Vertrauensvolle Kommunikation auf Augenhöhe, regelmäßiger Kontakt und Unterstützung von Experten kann Eltern dabei helfen, wieder Halt zu finden. (Foto: Anna Tarazevich/Pexels)

Eigenständigkeit zutrauen und loslassen

Sabine Viktoria Schneider, Psychologin in Salzburg, rät Eltern, die zuvor übernommene Verantwortung für ihre Kinder so weit wie möglich wieder abzugeben: „Eltern sollten ihren Kindern Eigenständigkeit zutrauen, loslassen und so viel Vertrauen in sie haben, um zu wissen, dass sie sie zu selbstständigen jungen Erwachsenen erzogen haben.“ Wichtig sei es trotz Distanz als vertrauensvolle Bindungsperson zur Seite stehen, wenn es dem Nachwuchs schlecht gehen sollte. „Kinder brauchen gesunde Unterstützung dabei, ihr gesundes Erwachsenen-Ich zu stärken,“ sagt Schneider.

Entscheidend sei, Kinder als junge Erwachsene wahr- und ernstzunehmen und sie nicht in alte Rollen zu drängen. „Dieser Perspektivenwechsel von einer kindlichen Dysbalance zur Behandlung auf Augenhöhe, erleichtert es Kindern ungemein, sich selbst erwachsener zu verhalten,“ sagt Schneider. Eltern sollten beobachtend darauf achten, ob es dem Kind gut geht, jedoch keinesfalls überfürsorglich zu sein, denn „die Kinder werden jetzt nicht mehr gerettet, sie werden dabei unterstützt, sich selbst zu retten, wie es ein gesunder Erwachsener macht,“ erklärt Schneider.

Regelmäßig Kontakt halten

Daniela Schneider (Name von Redaktion geändert), Studentin der Kommunikationswissenschaft in Salzburg, berichtet, ihre Eltern und sie hatten keine großen Schwierigkeiten mit der neuen Lebenssituation: „Natürlich waren meine Eltern am Anfang traurig, aber sie wussten immer, dass dieser Schritt kommt. Sie freuen sich, dass ich meinen eigenen Weg gehen, und genießen gleichzeitig den Alltag zu zweit wieder.“ Wenn sie zu Besuch nach Hause kommt, freuen sich ihre Eltern umso mehr und da beide berufstätig seien, hätten sie sich schneller an den wiedergewonnen Alltag zu zweit gewöhnt.

Kinder können ihren Eltern den Abschied erleichtern, indem sie sich selbstständig und verantwortungsbewusst zeigen und zugleich den Kontakt aufrechterhalten. „Einmal in der Woche zu telefonieren, kann den Eltern dabei helfen, liebevoll begleitet loszulassen. Sie müssen wissen, dass es den Kindern gut geht und sie auf eigenen Füßen stehen können,“ sagt Psychologin Sabine Viktoria Schneider.


Ärztekammer-Preis für Gesundheitsjournalismus
campus a-Preis für Nachwuchsjournalismus

Werde Teil der campus a-Redaktion!

Verfasse auch du einen Beitrag auf campus a.

Empfehlungen für dich

Kommentar
0/1000 Zeichen
Advertisement