„Mit Warnwesten kommt man überall rein“, sagt der Influencer Robyn Enkime in die Kamera, während er sich mit einer solchen samt Sonnenbrille als Louvre-Räuber gibt. Das sorgt für Kommentare, Begeisterung, Gelächter und Applaus für die Verbrecher, die Schmuckstücke im Wert von 88 Millionen Euro aus dem Pariser Louvre gestohlen haben. Robyn Enkime ist nicht der Einzige auf Social Media, der in einem Video verkleidet darüber spricht, wie einfach ein solcher Raub sei und ihn gleichzeitig nachspielt.
Auf TikTok und Instagram trendet seit dem spektakulären Ereignis der Hashtag #LouvreHeist. Tausende User, viele aus der Generation Z, sind von dem Raub fasziniert. Was einst als Straftat galt, feiern junge Menschen auf Social Media.
Halloween steht vor der Tür. Waren in den vergangenen Jahren die Squid Game– oder Haus des Geldes-Kostüme der absolute Favorit auf jeder Halloweenparty, sind es heuer Louvre-Outfits. Mit funkelndem Modeschmuck, schwarz gekleidet, begeistern sie das Internet. Unter anderem präsentiert sich die Content-Creatorin Jessie May als Louvre-Dieb. Der virale Trend bescherte ihr mehr als eine Million Likes bei einem Video.
Jugendliche verkleiden sich als Louvre-Diebe. (Foto: Screenshot)
Auf TikTok findet der Hype großen Anklang. Kommentare wie „Das war das Highlight des Jahres“ zeigen, wie begeistert die Gen Z ist. Einige verspüren sogar FOMO, also die Angst, bei dem viralen Spektakel nicht dabei gewesen zu sein.
Charmant, mutig, kriminell. Diese Eigenschaften schreiben die Social Media-User den Dieben zu. Für junge Menschen ist der Diebstahl weniger ein moralisches Problem als eine Projektionsfläche für Kreativität und Witz. Der Louvre-Diebstahl wird so, zumindest digital, zur Kunstform.
Verstärkte Patrouillen vor dem Louvre Museum in Paris nach dem spektakulären Überfall. (Foto: APA Picturedesk)
Luise Hollerer, klinische Psychologin vom Berufsverband Österreichischer Psychologie (BÖP) erklärt, „die Grenzen des Möglichen auszutesten, hat junge Menschen schon immer fasziniert. Idole sind in diesem Alter breit gestreut und das ist typisch und charakteristisch für Jugendliche und junge Erwachsene.“ Ebenso das Bewundern von Menschen, die über Grenzen gegangen sind. „Im Mittelpunkt stehen und es wird über mich geredet, auch wenn ich nicht gefasst werde, und ich kann mich im Verborgenen meines Ruhmes erfreuen, das beglückt“, sagt Hollerer.
Reichweite durch den Louvre-Hype bekommt auch Influencer Mathias Broman. Mit einem kurzen, humorvollen Sketch macht er sich über die Security im französischen Museum lustig und erreichte damit mehr als 200.000 Aufrufe. Doch hinter dem humorvollen Trend steckt ein fragwürdiger Lerneffekt.
Jugendliche verkleiden sich als Louvre-Diebe-Paar. (Foto: Screenshot)
„Mittels Videos über den Einbruch lernen Jugendliche durch Beobachtung, dass Regelbruch Aufmerksamkeit erzeugt und sie damit Klicks generieren, dass clevere Diebe soziale Belohnung erfahren, unter anderem durch Likes, Klicks und Kommentare“, erklärt Bernadette Krassay, Kriminologin und Chefredakteurin von campus a. Während die Polizei nach weiteren Spuren und Verdächtigen sucht, witzeln User über die „schlechtesten Sicherheitssysteme Europas“.
„Man könnte den Trend als Auflehnung gegen das System oder gegen tradierte Machtstrukturen verstehen. Jugendliche und Social Media wollen polarisieren“, sagt Birgit Hartel gegenüber campus a, klinische Psychologin und Heilpädagogin.
Dieser Einschätzung stimmt auch Krassay zu. Medien würden die Tat visuell und emotional spannend darstellen. Der Raub stehe damit auf einer Stufe mit dem Netflix-Hit „Lupin“, der Erfolgsserie „Haus des Geldes“ oder dem Film „Oceans Eight“. Die Grenzen zwischen Realität und Streaming-Fiktion verschwimmen und das junge Publikum feiert die gelungene Aktion.
Gestohlener Schmuck (Foto: APA Picturedesk)
Psychologin Corinna Perchtold-Stefan von der Uni Graz weiß: „Wenn Aggression oder Kriminalität kreativ ist, dann bewerten wir sie als unterhaltsamer, lustiger, und weniger schädlich.“
„Aus Sicht der Kriminalpsychologie sind viele erfolgreiche Kriminelle sogenannte deviant role models. Sie brechen soziale Normen, aber auf intelligente, charmante oder elegante Weise. Das ruft Ambivalenz hervor. Zwar wird die Tat teilweise abgelehnt, allerdings werden die Diebe wegen ihrer Cleverness oder ihres Mutes bewundert“, sagt Bernadette Krassay weiter.
Während die Ermittler noch zwei weiteren Verbrechern auf der Spur sind, hat das Netz sein Urteil getroffen und es fällt oft ironisch aus.
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