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Er sorgt für die täglichen Flachwitze im Öffi-TV

Was macht ein Koch im Turnsaal? Wie lange hängt ein Apfel am Baum? Und woher kommen eigentlich die Flachwitze in den Öffis der Wiener Linien?
Robert Gafgo  •  23. November 2025 Redakteur    Sterne  718
Bevor Benedikt Pilz in der Infoscreen-Redaktion anheuerte, arbeitete er unter anderem für die Deutsche Presse-Agentur in der Berichterstattung über die E-Sport-Szene. (Foto: Infoscreen)
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„Was macht der Sicherheitsdienst in der Nudelfabrik? – Er Pasta auf.“ Und, hat das für ein Lachen gesorgt? Die einen lieben sie, die anderen verwünschen sie, wieder andere haben noch nie von ihnen gehört, doch in Wien sind sie allgegenwärtig. Flachwitze wie dieser flackern täglich über die Infoscreen-Bildschirme des Öffi-TV. In Bussen, Straßenbahnwaggons und U-Bahn-Haltestellen lockern sie die Programmfolge aus einer Flut von Werbespots, Info-Beiträgen und Tagesaktuellem mit einer kleinen Prise Humor auf.

Sie wirken wie eine kaum beachtete Hintergrunderscheinung, nicht mehr als eine digitale Plakatwand im Bewegtbild-Format, aber der Schein trügt. Die dahinter stehende Infoscreen-Redaktion erreicht mit 4.748 Bildschirmflächen pro Tag rund 893.000 Menschen in allen Landeshauptstädten (ausgenommen St. Pölten). Innerhalb einer Woche sind es knapp 1,88 Millionen.

Während die Flachwitze bei einigen Fahrgästen höchstens ein von Fremdscham erfülltes Augenrollen hervorholen, genießen sie bei anderen Kultstatus. Für einen kurzen Moment lassen sie die eintönige Großstadtroutine vergessen und zaubern ein Lächeln ins Gesicht. Sie mögen selbstverständlich wirken, doch steckt hinter ihnen Arbeit, Berechnung und ein Mensch. Benedikt Pilz ist sein Name. Seiner Arbeit verdanken tausende Öffi-Fahrgäste ihre tägliche Dosis Belustigung.

Im Netzwerk eines Masterminds

Um mehr über den Menschen hinter dem Witz zu erfahren, besuchte campus a Pilz in der Infoscreen-Redaktion. Die Heimat des Öffi-TVs und zugleich der Arbeitsplatz von Pilz liegen in Wien Erdberg, genauer im Orbi-Tower, der auch die Wiener Stadtwerke beheimatet. Für seine Arbeit benötigt Pilz weder angestaubte Witzbücher, noch den Rat von Kabarettisten. „Früher haben wir unsere Witze noch per Internet-Recherche gesucht, doch als ich vor etwa einem Jahr begonnen habe für Infoscreen zu arbeiten, hat sich schnell herauskristallisiert, dass die besten Witze durch eigenes Überlegen oder die Hilfe anderer entstehen“, sagt der Witz-Autor.

Pilz selbst ist ein junger Redakteur, noch keine dreißig Jahre alt. Bei Infoscreen bespielt er vor allem das Format Hintergrund, das aktuelle Nachrichten mit Hintergrundinformationen ergänzt. Vom Klischee des traurigen Clowns, der zwar sein Publikum unterhält, doch innerlich gebrochen ist, keine Spur. Frohnatur und Entertainment liegen dem jungen Pilz im Blut. Kein Moment, an dem ihm nicht ein Schmunzeln entwischt. Kaum ein Satz, den kein Lachen begleitet und nur wenige Tage an denen er seine Witze nicht an Kolleginnen und Kollegen erprobt.

Auf einer öffentlichen Bildschirmfläche am Gratzer Jakominiplatz ist die Aufschrift „Flachwitz“ zu lesen.Wiener mögen ihr Öffi-TV für einzigartig halten. Tatsächlich operiert der Betreiber Infoscreen noch in sieben weiteren Landeshauptstädten, so wie hier am Grazer Jakominiplatz. (Foto: Infoscreen)

Den an sich seichten Flachwitz, von einigen Humoristen Kalauer genannt, hat Pilz zur Hochkultur gekrönt. Das Geheimnis liegt in einem hingebungsvollem Netzwerk aus Zuseherinnen und Zusehern, die ihm ihre liebsten Flachwitze zusenden. Einmal monatlich widmet sich Pilz einen Nachmittag nur der Flachwitz-Zusammenstellung und der Beantwortung von bis zu fünfzig Flachwitz-Mails. Vor Kurzem stellte etwa Bianca aus Linz die Frage: „Wie lange hängt ein Apfel am Baum?“ – Ihre Antwort: „Bis er apfelt.“

Biancas Witz schaffte es auf die Infoscreens, andere Zusendungen nur bis in Pilz’ Postfach. „Ich wähle aus Prinzip keine altbekannten Witze oder Scherze, die eine Person oder Gruppe beleidigen.“ Blondinenwitze kommen an ihm nicht vorbei.

Was macht ein Koch im Turnsaal?

Monatlich rotieren tatsächlich nur sieben Flachwitze im Öffi-TV. Eine geschickte Zeiteinteilung bietet jedem die verdiente Bühne. Der Wechsel geschieht zweimal am Tag. Monatlich erscheint ein Witz acht Mal, jeweils zu anderen Wochentagen und Tageszeiten. Wiederholungen lässt Pilz erst zu, wenn ein Witz schon vor mehreren Jahren sein Debüt hatte. Seit Bestehen der Flachwitz-Rubrik 2019 sammelten sich so mehr als 500 Flachwitze im Infoscreen-Archiv. Es gilt, große Fußstapfen zu füllen. Pilz ist der Aufgabe jedoch gewachsen. „Ich denke sogar, das Flachwitz-Programm hat sich seit meiner Übernahme wesentlich verbessert“, verrät er.

Als Flachwitz-Beauftragter ist Pilz nicht nur Redakteur, sondern aufmerksamer Beobachter. Quelle seiner Inspiration ist das echte Leben und der Austausch mit anderen Menschen. So entstand auch sein Lieblingswitz. „Einer meiner Kolleginnen fragte sich während der Mittagspause angestrengt, «Was macht ein Koch im Turnsaal?» Dann die Antwort: «Eine Küchenrolle!»“

Der Flachwitz strategisch betrachtet

Die Arbeit mag simpel wirken, ist aber Teil einer Strategie aus Unterhaltung, Information und Werbung. Während die übrige Medienbranche sich selbst kannibalisiert, floriert Infoscreen mitsamt seinem 48-köpfigen Team. Die eigentliche Redaktion besteht dagegen nur aus sieben Redakteurinnen und Redakteuren, die für die Bespielung von Inhalten verantwortlich sind. Als einziger Außenwerber mit eigenem Infotainment-Programm bleibt das Format beispiellos, sowohl in Österreich als auch innerhalb des französischen JCDecaux-Konzerns, dem Infoscreen als Teil der Wiener Gewista-Gruppe angehört.

Hauptziel ist letztlich, das Publikum bei Laune zu halten, sodass es die Werbespots über sich ergehen lässt und so Einnahmen generiert. Abgesehen vom Geld bleibt für Benedikt Pilz ebenso die Gewissheit, täglich hunderten bis tausenden ihm unbekannten Menschen den Alltag zumindest ein Bisschen zu verschönern. „In seltenen Fällen, wenn ich selbst unterwegs bin, erlebe ich sogar, wie andere Fahrgäste über den aktuellen Flachwitz reden“, sagt er. „Natürlich ist es ein schönes Gefühl, persönlich zu sehen, wie ich andere Menschen zum Lachen bringe.“

Der Ausbildungsplatz dieses Autors in der campus a Akademie für Journalismus ist ermöglicht mit freundlicher Unterstützung durch die ÖBB.
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