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Sebastian Bohrn Mena klagt irrtümlich Fiakerfahrer

Die Bohrn Menas, laut ihrem Anwalt „Österreichs am häufigsten beleidigtes Ehepaar“, klagen derzeit in mehreren hundert Fällen digitaler Hasskommentare. Zum Ziel wurde auch ein Wiener Fiakerfahrer ohne Social-Media-Zugang. Der war wenig begeistert.
Robert Gafgo  •  4. Dezember 2025 Redakteur    Sterne  718
Das streitbare Ehepaar Veronika und Sebastian Bohrn Mena sieht sich online wiederholt mit Drohungen und Hasskommentaren konfrontiert. (Foto: APA-Images / APA / Christian Hammer)
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„Wir haben es mit einer beispiellosen Kampagne gegen uns zu tun, die wir nicht vergessen werden“, schrieb Sebastian Bohrn Mena im November auf Instagram. „Und wir werden alle zur Verantwortung ziehen, die sich daran beteiligt haben. Jeden Kommentar, jede Teilung, jedes Like. Solange, bis alle verstanden haben, dass digitale Gewalt kein Kavaliersdelikt ist.“

Der Linksaktivist, Berater und TV-Diskutant Bohrn Mena, bekannt unter anderem wegen seiner Auseinandersetzung mit der Grün-Politikerin Lena Schilling, ist tatsächlich regelmäßig Ziel von Drohungen und Beleidigungen im Internet, insbesondere aus dem rechten Milieu. Jetzt will er mit seiner Frau Veronika in einer beispiellosen Flut mehrerer hundert Klagen den „Hass im Netz bekämpfen“. Während die Beiden ersten gerichtlichen Erfolgen gegen FPÖ-Politiker und rechtsextreme Kanäle erzielen, bekommen dabei auch Unbeteiligte den Eifer der Bohrn Menas zu spüren.

Im September erhielt Herbert Trawniczek, 72, Fiakerfahrer aus Wien Simmering, eine Unterlassungsklage. Deren Gegenstand war ein Facebook-Beitrag, der Bohrn Mena unter anderem als „Oberstocktrottl“ bezeichnete. Unter den 150 Nutzern, die darauf mit „Gefällt mir“ reagierten, fand sich auch „Fiaker Mike“. Für die Kläger war klar, hinter Fiaker Mike müsse Trawniczek stecken.

Facebook-Likes als Straftatbestand

Dies aus guten rechtlichen Gründen. Der Oberste Gerichtshof stufte in mehreren Fällen das öffentliche „Liken“ ebenso als strafbar ein, wie die Beleidigung selbst. Soziale Medien bestimmen die Sichtbarkeit eines Beitrags anhand seiner Likes. Je mehr Menschen auf „Gefällt mir“ drücken, umso öfter zeigt der Algorithmus anderen Nutzern den Beitrag.

Ein Ausschnitt aus Sebastian Bohrn Menas Unterlassungsauftrag mit dem Wortlaut: «Legitimation und Anstiftung: Durch das „Like“ wird dem ursprünglichen Verfasser signalisiert, dass seine Verhöhnung und Beleidigung des Klägers auf Zustimmung stößt. Dies bestärkt ihn nicht nur, den Beitrag online zu belassen, sondern senkt auch die Hemmschwelle für andere Nutzer, ähnliche gehässige Kommentare zu verfassen. Das „Like“ der beklagten Partei trägt somit zur Vergiftung des Diskussionsklimas bei und schafft ein feindseliges Umfeld für Personen, die sich - wie der Kläger - sachlich in öffentlichen Debatten äußern möchten. Wiederholungsgefahr: Wer einen derart extremen und bösartigen Beitrag, der die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung massivst überschreitet, durch ein „Like“ unterstützt, dokumentiert eine besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Klägers. Es ist daher zu befürchten, dass die beklagte Partei auch in Zukunft ähnliche oder gleichartige ehrverletzende Inhalte, die den Kläger beEin Ausschnitt der Klage. Laut dieser bestand für das straffällige Like Wiederholungsgefahr. (Foto: Unterlassungsauftrag / Robert Kerschbaumer / Sebastian Bohrn Mena)

In diesem Fall hatte die Klage allerdings einen Schönheitsfehler. Der betagte Trawniczek besitzt gar kein Facebook-Konto. Nicht einmal mit E-Mails kennt er sich aus, die bearbeitet sein Sohn für ihn. Trawniczek, der seit 50 Jahren Touristen kutschiert, lebt mit seiner Katze in einer Wohnung über dem Stall für seine vier Pferde in Simmering. Die Anklage belastete ihn umso mehr, als er zuvor nach einer Krebs-Diagnose eine schwere Darmoperation über sich ergehen lassen musste. „Jemand anderer hätte den Stress vielleicht gar nicht überstanden“, sagt er.

Ganz planlos scheinen die Bohrn Menas allerdings nicht gewesen sein. Einen Fiaker namens Mike gibt es tatsächlich. Trawniczek kennt ihn. Der Mann half bei ihm gelegentlich im Betrieb aus. Fiaker in Wien kennen einander.

Vorwurf von „Schlamperei“ und „Gewinnorientierung“

Dementsprechend kritisch sieht Trawniczeks Anwalt Jakob Weinrich die Causa. „Selbstverständlich ist es verwerflich, wenn Menschen Hasskommentare im Internet verbreiten“, sagt er. „Allerdings wirkt der Inhalt von Bohrn Menas Klage nachlässig recherchiert und für eine Massenaussendung vorgefertigt. Der Eindruck einer Gewinnorientierung lässt sich nicht völlig vermeiden“

Weinrich ging erfolgreich dagegen vor. Er machte das Gericht auf die Verwechslung aufmerksam, worauf die Partei Bohrn Mena die Klage kommentarlos zurückzog.

Herbert Trawniczeks Anwalt, Jakob Weinrich.Rechtsanwalt Jakob Weinrich bemängelte vor allem die schlechte Recherche von Bohrn Menas Unterlassungsklage. (Foto: privat)

Auf Anfrage von campus a nahm Bohrn Menas Anwalt, Robert Kerschbaumer, Stellung zu den Vorwürfen. „Die Bohrn Menas sind mit 5.000 dokumentierten Hasspostings in fünf Jahren österreichweit die am häufigsten beleidigten Personen im Netz“, sagte er. Die Klage beruhe ausschließlich auf öffentlich einsehbaren Daten. Deshalb belege der Vorfall, wie schlecht die Auskunftsrechte der Opfer von Hass im Netz gegenüber Plattformen seien. Die Vorwürfe der Schlamperei und möglichen Geldmacherei wies er zurück. „Wir prüfen in mühsamer Detailarbeit jeden Einzelfall. In meiner Kanzlei befassen sich zwei Mitarbeiter ausschließlich mit der Sichtung, Dokumentation und Bewertung rufschädigender Postings.“

Ziel der Klage war stets die Entfernung des Likes und nicht die finanzielle Bereicherung. Von einer „massenhaft ausgesendeten Klagen“ könne keine Rede sein. Konsequente Vorgehensweise in allen Fällen sei aber nötig. „Ein psychisch labiler Mensch kann an solchen Wellen des Hasses zerbrechen, wie der Fall der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr zeigte, die sich 2022 nach massenhaften Drohungen von Impfgegnern das Leben nahm.“

Keine Kosten für Trawniczek

Kosten fallen für Trawniczek keine an, doch der Unmut bleibt. „Hätte die Kanzlei ordentlich recherchiert, wäre mir viel Zeit und Ungemach erspart geblieben“, kritisiert er. „Im Nachhinein fanden es die feinen Herrschaften nicht einmal der Mühe wert, sich bei mir zu entschuldigen.“ Derzeit überlegt der Simmeringer, ob es für eine Klage auf Schadensersatz für seinen Schreck positive Aussichten gäbe. „Lust diesen Menschen einen Denkzettel zu verpassen, hätte ich jedenfalls.“

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1 Kommentar
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05 December 2025 Antworten



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