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Erstsemester in der Großstadt: schwieriges Ankommen

Aus kleinen Dörfern kommen im Herbst Maturanten des vergangenen Schuljahres in eine Stadt voller Menschen, fremder Routinen und unbekannten Umgebungen. Oft kämpfen sie mit Heimweh, Einsamkeit und dem Gefühl, nirgends dazu zu gehören.
Chiara Schmid  •  4. November 2025 Volontärin    Sterne  30
Erstsemestrige kämpfen oft mit Heimweh und Einsamkeit
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„Auf Menschen zuzugehen war für mich schwierig. In Vorarlberg ist es üblich, sich zu grüßen. In Wien musste ich mir das richtig abgewöhnen, um nicht komische Blicke zugeworfen zu bekommen. Die Distanz hat starkes Heimweh in mir ausgelöst“, berichtet die Studentin Alessia Österle. 

Vom Landleben in die Metropole

Für viele Erstsemestrige ist der Studienstart nicht einfach. Die vertrauten Umgebungen fehlen und der Alltag in Wien scheint unüberschaubar. Zwischen U-Bahn-Linien, Vorlesungen und dem Großstadttrubel kann das überwältigend wirken. 

„In meinem Heimatdorf in Vorarlberg gibt es wirklich nur einen Bus alle paar Stunden. Hier in Wien kommt alle fünf Minuten eine U-Bahn. Das war etwas ganz Neues“, erzählt Österle. 

Ankommen braucht Zeit 

Studierende, die sich einsam fühlen, zweifeln oft an sich selbst. Sie glauben, nicht gut genug zu sein und warten darauf, dass andere die Initiative ergreifen. Angst vor Ablehnung und Rückzug sind die Folgen.

„Für mich war auch das Alleinleben anfangs eine Herausforderung. Im Dorf ist es normal, jeden zu kennen und sich in allen Lebenslagen zu helfen. Bei mir daheim kann ich immer zu meiner Nachbarin gehen. Diese Hilfsbereitschaft fehlt in der Großstadt, wenn man noch niemanden kennt“, sagt Österle weiter. 

Hilfe suchen ist kein Zeichen von Schwäche

„Angebote aktiv wahrzunehmen und seine Komfortzone zu verlassen, wäre ratsam. Möglichst rasch, andere Erstsemestrige kennenzulernen, erleichtert den Neuanfang enorm. Ob in einem Sportkurs oder einer Uni-Veranstaltung, etwas zu finden, wo andere Gleichgesinnte unterwegs sind und sich bewusst auf die Suche zu begeben, wird notwendig sein“, meint Sozialpädagoge und Psychotherapeut Benjamin Wagner. 

„Das Wichtigste ist zunächst, die Einsamkeit zuzulassen und nicht gleich zu versuchen, sie zu verdrängen. In der Einsamkeit zu erkennen, was das Bedürfnis dahinter ist. Bedürfnisse können unterschiedlicher Herkunft sein. Manchmal ist es das Bedürfnis nach einer romantischen Beziehung. Das fehlende Gemeinschaftsgefühl oder nirgends Teil einer Gruppe zu sein. Zu differenzieren, was der Auslöser der Einsamkeit ist und sich zu fragen, was man vermisst“, empfiehlt Wagner. 

„Du musst das nicht alleine schaffen und dich nicht um jeden Preis zusammenraffen.“ Content Creatorin und Autorin Lena Nellisen bringt es mit dieser Aussage auf den Punkt. 

Zwischen Heimweh und Neuanfang

Selbst kleine Schritte, wie ein kurzer Austausch in der Bibliothek oder ein Spaziergang, können im Alltag einen positiven Effekt auf die mentale Gesundheit erzielen. Wien bietet zahllose Möglichkeiten, Menschen kennenzulernen. Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) organisiert regelmäßig Erstsemestrigen-Events, Stammtische und Partys, bei denen neue Freundschaften fast von selbst entstehen. Viele Universitäten bieten zudem Buddy- oder Mentoringprogramme, in denen erfahrene Studierende die Neulinge begleiten. 

Diese Erfahrung hat auch Österle gemacht. „Ich war nervös, ob das Studium überhaupt das Richtige ist“, berichtet sie. Inzwischen hat sie dank der vielfältigen Angebote Anschluss gefunden, neue Freundschaften geknüpft und ihre neue Stadt besser kennengelernt. Der Anfang sei schwer gewesen, auch wegen der immer wieder aufkommenden Sehnsucht nach zuhause, aber mittlerweile ist sie froh, den Schritt gewagt zu haben.


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