Seit Jahrzehnten sorgt das sozial-politische Gebiet Integration in Europa für hitzigen Debatten – doch in jüngster Zeit hat der Umgang mit dem Thema an Schärfe gewonnen. Die Nationalratswahl in Österreich im September 2024 sowie der anhaltende Zustrom von Flüchtlingen aus Ländern wie der Ukraine, Syrien und Afghanistan haben die Gesellschaft weiter polarisiert. Unterschiedliche Standpunkte prallen aufeinander, doch wie steht es tatsächlich um die Fakten zur Integration?
Politisches Integration: Barrieren durch fehlendes Wahlrecht
Die ÖsterreichInnen sind stolz auf ihren demokratischen Staat, aber wie demokratisch ist ein Staat, in dem bei der letzten Nationalratswahl etwa 16,7% der Bevölkerung nicht wählen durften ?
Richtig gelesen: 1,5 Millionen Personen im wahlfähigen Alter durften bei der Nationalratswahl Ende September 2014 nicht wählen! Und dies aufgrund eines sehr missachteten Integrationsbereichs: der politischen Integration von MigrantInnen, worunter auch die Wahlbeteiligung fällt. Diese wird nämlich durch ein restriktives Staatsbürgerschaftsrecht erheblich erschwert.
Hürden auf dem Weg zur Staatsbürgerschaft
In Österreich die Staatsbürgerschaft zu erlangen, ist im Vergleich zu anderen Staaten Europas am aufwändigsten und schwierigsten. Das geht aus dem Migrant-Integration-Policy-Index 2020 hervor, der Migrations- und Integrationspolitik vergleicht. Demnach ist Österreich gemeinsam mit Bulgarien das restriktivste Land in ganz Europa. Diese Einschränkung führt zu fatalen Ungerechtigkeiten. Unter anderem, dass nur 6 bis 7 von 1000 Nichtstaatsangehörigen pro Jahr eingebürgert werden. Das hat, laut Statistik Austria, zur Folge, dass mehr als 750.000 Menschen, die länger als ein Jahrzehnt in Österreich leben, keinen österreichischen Pass besitzen.
Diese permanente Behinderung stellt eine klare Gefährdung des demokratischen Prozesses und eine Verzerrung des Wahlergebnisses dar – bei der Nationalratswahl 2024 leider zu Gunsten der rechten Parteien.
Warum zu Gunsten der rechten Partei?
„Wählen lassen statt Rechts ertragen!“
Mit 28,85 Prozent hat die rechtsorientierte Partei FPÖ die Nationalratswahl im vergangenen Jahr gewonnen, nur 2,58 Prozent vor der Partei ÖVP und 7,71 Prozent vor der Partei SPÖ. Wenn man sich die Zahlen ansieht, ist es eigentlich recht knapp, ein kleiner Unterschied, den 1,5 Millionen Menschen hätten wettmachen können.
Dass ein Großteil der MigrantInnen nicht die FPÖ gewählt hätten, beweist die Organisation “Pass Egal Wahl”. Sie organisieren pro offizieller Wahl eine symbolische Wahl, bei der auch Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft ihre Stimme abgeben können, um auf die fehlende politische Teilhabe vieler MigrantInnen aufmerksam zu machen.
Insgesamt nutzten 19.854 Menschen mit Pässen aus 120 verschiedenen Ländern die symbolische Wahlgelegenheit, darunter 11.428 österreichische Staatsbürger:innen, die ihre Solidarität mit Menschen, die kein Wahlrecht haben, zum Ausdruck brachten.
Demnach sind 42,5% der Menschen, die sich an „Pass Egal Wahl“ beteiligt haben, MigrantInnen, denen der österreichische Pass verweigert wird.
Das Ergebnis zeigt, dass die SPÖ unter den bundesweit kandidierenden Parteien den ersten Platz einnahm. Sie erreichte 36,8 Prozent der Stimmen und lag damit deutlich vor den Grünen mit 19,3 Prozent. Es folgen die KPÖ mit 10,4 Prozent, die FPÖ mit 8,1 Prozent, die NEOS mit 7,9 Prozent und die ÖVP mit 6,4 Prozent.
Damit ist klar, welche politische Richtung von BewohnerInnen Österreichs, die kein Wahlrecht besitzen, bevorzugt wird: sozial und links.
Obwohl die 11.428 österreichischen Staatsbürger:innen das Wahlergebnis verfälschen, ist ein Zeichen gesetzt, eine Strömung in Richtung Inklusion und allgemeines Wahlrecht in Gang gekommen.
Fazit:Integration als demokratisches Recht
Die aktuelle Situation in Österreich zeigt, dass Integration nicht nur eine gesellschaftliche, sondern auch eine politischeAngelegenheit darstellt. Eine Konsequenz, dass 750.000 Menschen, die seit über einem Jahrzehnt in Österreich leben, vom politischen Mitspracherecht ausgeschlossen sind, sind die strikte Staatsbürgerschaftsregelungen.
Die Ergebnisse der „Pass Egal Wahl“ verdeutlichen, dass viele Migrant:innen eine sozial orientierte, integrative Politik bevorzugen. Dies zeigt auch, welches Potenzial für eine zusammenarbeitende Demokratie ungenutzt bleibt, solange diese Menschen ausgeschlossen bleiben.
Die Frage, wie demokratisch ein Staat tatsächlich ist, muss sich an der Inklusion aller Menschen messen lassen. Ein modernes und zukunftsorientiertes Österreich sollte daher dringend prüfen, wie es die politischen und gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten von MigrantInnen fördern kann. Es geht nicht nur darum, Barrieren abzubauen, sondern auch darum, ein Signal der Anerkennung und Zugehörigkeit zu setzten.
Eine inklusivere Staatsbürgerschaftspolitik und der Ausbau von Programmen zur gesellschaftlichen Integration könnten die Grundlage für eine gerechtere und stabilere Gesellschaft schaffen – eine Gesellschaft, die Vielfalt nicht als Problem, sondern als Stärke versteht.
Liebe Hannah, ein sehr wichtiges Thema, das leider zu wenig Anerkennung bekommt. Das schlechte Ranking von Österreich im Migrant-Integration-Policy-Index ist bezeichnend.
30 January 2025