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Ist Kampf gegen Antisemitismus rechts?

Stellungnahme des israelischen Journalisten Eldad Beck zu einem campus a-Beitrag über sein Buch "Späte Versöhnung", in dem er die Verdienste von Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Kampf gegen den Antisemitismus würdigt.
Eldad Beck  •  15. Januar 2025 Gastautor      10
Ein campus a-Bericht über ein hebräisches Buch des mit Sebastian Kurz am Cover schlug Wellen.

Mit Befremden habe ich den Artikel „Warum ein rechter israelischer Autor Sebastian Kurz als Held im Kampf gegen den Antisemitismus feiert“ (8.12.24) auf „campus a“ gelesen. Der Text dreht sich um mich, mein neues, auf Hebräisch erschienenes Buch „Späte Versöhnung“, das sich mit der Geschichte der österreichisch-israelischen Beziehungen beschäftigt, und um den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz. Ich muss gestehen: Die Missachtung journalistischer Standards in diesem Bericht hat mich befremdet. Die Autorin hat – offensichtlich – weder mein jüngstes noch mein vorletztes Buch, das sie ebenfalls erwähnt, gelesen, verbreitet überdies nachweislich falsche Behauptungen über mich und hat es zudem verabsäumt, mich vorher auch nur zu kontaktieren. 

Aber der Reihe nach.

Kennt die Autorin meine journalistische Arbeit überhaupt?

Gleich zu Beginn steht in dem Artikel: „Der Autor ist bekannt in rechtsextremen Kreisen“. Von einer solchen Bekanntheit ist mir nichts bekannt. Eine solche Unterstellung ist mir in meiner über 30-jährigen journalistischen Laufbahn noch nie begegnet. Seit Jahrzehnten bin ich in Europa und im Nahen Osten als Korrespondent für renommierte und allgemein bekannte israelische Tageszeitungen unterschiedlicher Ausrichtung tätig, darunter „Yedioth Ahronot“, „Israel Hayom“, „Maariv“ und – aktuell wieder – „The Jerusalem Post“. 

Meine Einschätzung zu Sebastian Kurz‘ Rolle deckt sich mit jener der IKG

Die zentrale Schlüsselfrage des Artikels lautet: Was waren meine Beweggründe, dieses Buch zu schreiben? Bemerkenswerterweise beantwortet die Autorin diese Frage nirgends. Dabei hätte sie meine Motive leicht in Erfahrung bringen können, indem sie zumindest versucht hätte, mich zu kontaktieren – was sie aber nicht getan hat. Das ist, mit Verlaub, ein schwerer Verstoß gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse: Bei einem kritischen Artikel über mich, der mich und meine Arbeit in ein fragwürdiges Licht stellt, hätte sie mir zumindest die Möglichkeit zur Stellungnahme geben müssen. Dann hätte ich auch einige falsche und leicht widerlegbare Behauptungen in ihrem Artikel vorab korrigieren können. 

Kurz zu meiner Motivation, dieses Buch zu schreiben: Sebastian Kurz hat sich in der Tat mit großem Engagement und mit bis heute spürbaren Folgen für die jüdische Gemeinde in Österreich, für die Beziehungen zu Israel, für den Kampf gegen Antisemitismus und für die Übernahme der historischen Verantwortung Österreichs nach dem Holocaust eingesetzt. Dieses Engagement wollte ich mit „Späte Versöhnung“ vor dem Hintergrund einer schwierigen österreichisch-jüdischen Geschichte würdigen, wie ich auch in Interviews und öffentlichen Stellungnahmen zu meinem Buch erklärt habe, die aber von der Autorin ignoriert werden. Mit meiner Einschätzung der Rolle von Sebastian Kurz bin ich übrigens nicht allein: Sie wird von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) und von führenden Politikern und Beamten in Israel geteilt.

Interessanterweise schreibt auch die Autorin: „Dieses Lob ist nicht unbegründet: Bereits 2021 lobte Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Kurz’ Arbeit habe einen positiven Einfluss auf die Sicherheit der jüdischen Bevölkerung. 2024 sieht die IKG Wien das noch genauso.“ Wenn sich die IKG-Führung der großen Bedeutung von Sebastian Kurz für das österreichisch-jüdische Verhältnis ebenfalls bewusst ist, warum rätselt die Autorin dann über meine Motive, Kurz‘ Rolle zu würdigen, warum unterstellt sie mir andere, politische Absichten, wo meine Beweggründe doch eigentlich auf der Hand liegen? 

Falsche Behauptungen aus Unkenntnis meiner Bücher und meiner Artikel

Hätte die Autorin mein Buch gelesen, würde sie vielleicht besser verstehen, warum Kurz von vielen jüdischen Persönlichkeiten für seine Leistungen, darunter auch weniger bekannte, gelobt wird. Aber anscheinend ist ihr das Cover des Buches, das Sebastian Kurz in Jerusalem zeigt, wichtiger als der Inhalt, der die lange und oft turbulente Geschichte der Beziehungen zwischen Österreich, den Juden und Israel ausführlich behandelt.

Die Autorin schreibt weiter: „Beck verortet Antisemitismus vor allem bei Musliminnen und Muslimen“. Das ist eine glatte Lüge. Hätte die Autorin besser recherchiert, hätte sie feststellen müssen, dass ich mich seit Jahren mit allen Formen des Antisemitismus – ob von rechts, von links oder in der islamischen Welt – beschäftige und darüber ausführlich publiziert habe. Schon eine flüchtige Lektüre meines Buches hätte sie vom Gegenteil überzeugen können: Der muslimische Antisemitismus kommt darin kaum vor, dafür der österreichische, ob vor, während oder nach dem Nationalsozialismus, sehr ausführlich und kritisch berichte ich darin über die antisemitischen Ausfälle des verstorbenen Rechtspopulisten Jörg Haider. (Da ich fließend Arabisch spreche, an der Pariser Sorbonne Arabisch und Islam studiert habe und zudem als Korrespondent in zahlreichen islamischen Ländern – darunter Iran, Syrien, Irak, Libanon, Saudi-Arabien, Sudan und Afghanistan – über wichtige Ereignisse berichtet habe, kenne ich natürlich auch den islamischen Antisemitismus, ohne deshalb den rechten oder linken Antisemitismus zu verharmlosen).

Weiters behauptet die Autorin über mich: „Rechtsextreme Akteure wie die AfD entlastet er hingegen“, wofür sie ausgerechnet mein Buch „Alternative – A New Right for Germany?“ aus dem Jahr 2022 heranzieht. Dieses Buch beschäftigt sich aber – ebenso wie „Späte Versöhnung“ – sehr wohl mit rechtem Antisemitismus, nur um das zu wissen, hätte die Autorin eben diese Bücher lesen müssen, bevor sie darüber schreibt. Das Buch über die AfD ist kritisch und differenziert, es hält sich mit Pauschalurteilen zurück – ganz im Sinne eines kritischen und differenzierenden Journalismus, der sich weder für linke noch für rechte Propaganda einspannen lassen will. 

Zahlreiche waghalsige Behauptungen und Unterstellungen

Auch vieles andere, was die Autorin anführt, lässt mich ungläubig den Kopf schütteln. Einige Beispiele:

„Der Autor, der Kurz feiert, ist umstritten“, betont sie. Umstritten bei wem? Vielleicht bei all jenen, die sich über eine positive Erwähnung des Altkanzlers ärgern? „Beck“, fährt sie fort, „ist eine polarisierende Figur“. Diese Behauptung belegt sie rudimentär mit einigen Kommentaren, die ich auf meinem X-Account hinterlassen habe. Sie erwähnt zum Beispiel, dass ich dort Joe Biden, Kamala Harris und Greta Thunberg „scharf“ angegriffen habe. Ist man schon „umstritten“, weil man linke Politiker und Aktivisten kritisiert? Entspricht das dem Demokratieverständnis Ihrer Redaktion? 

Der Autorin scheint der Sinn für Humor zu fehlen, wenn sie einen ironischen, von mir geteilten Tweet über Islamophobie des Islamkritikers Imtiaz Mahmoud benutzt, um mir zu unterstellen, ich würde Islamophobie „verteidigen“. Dabei hat sie den dortigen überdies aus dem Englischen noch falsch übersetzt. 

Ich würde mich mit meinem jüngsten Buch „in rechten Kreisen bewegen”, schreibt Ihre Autorin, denn die Buchpräsentation am 24. November fand „in einem bekannten Forum in Tel Aviv“ statt, „das für rechte und rechtsextreme Diskussionen und Veranstaltungen bekannt ist. Dort teilte sich Beck in vergangenen Jahren mit AfD-Politikern die Bühne“. Das ist falsch und in mehrfacher Hinsicht verzerrend dargestellt: Tatsächlich fand am 24. November eine von mehreren Buchvorstellungen meines neuen Buches statt, und zwar im „Forum Cafe Shapira“, einer zionistischen Plattform für offene Diskussionen über verschiedenste Themen. Jeder, egal ob rechts oder links, der in diesem Forum mitdiskutieren möchte, ist willkommen. Dieses Forum als „rechtsextreme Bühne“ zu bezeichnen und zu diskreditieren, ist schlichtweg falsch. Die andere Veranstaltung, auf die von der Autorin Bezug genommen wird, fand zwei Jahre zuvor statt. An der Diskussion nahm ein AfD-Mitglied teil, der Deutsch-Israeli ist. Er erläuterte dort seine Sicht auf diese Partei. Sind offene Diskussionen über bestimmte Themen nach dem Demokratieverständnis der Autorin und von „campus a“ verboten? Am 9. Jänner fand die letzte Präsentation meines Buches im Jabotinsky-Institut in Tel Aviv statt. Neben Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz war auch Knesset-Präsident Amir Ohana anwesend, der ebenfalls das Engagement des Altkanzlers über die Grenzen Österreichs hinaus hervorhob. Für Ihre Autorin ist das wahrscheinlich auch eine „Ansammlung von Rechtsradikalen“.

Ist Kampf gegen Antisemitismus auf einmal rechts?

Seltsam mutet noch die unkritisch zitierte Stellungnahme eines „Experten“ an, der über Sebastian Kurz meint: „Sein Bild von den Juden war geprägt von der stereotypen Vorstellung, dass sie mächtig und einflussreich sind und eine bedeutende Rolle in der Weltpolitik spielen. Seine Konsequenz daraus war nicht, gegen die Juden zu sein, sondern sich mit ihnen zu arrangieren, um selbst Teil dieser Macht zu sein.“ Nach dieser seltsamen Logik wäre Kurz eigentlich ein Antisemit gewesen, der nur deshalb den Antisemitismus bekämpft, weil er dessen Verschwörungstheorien glaubt und die Nähe zu den „Weisen von Zion“ sucht. Dass persönliche Begegnungen mit Holocaust-Überlebenden, der Besuch in Mauthausen, der Kontakt als Integrationsstaatssekretär zur jüdischen Gemeinde und Besuche in Israel – wie Sebastian Kurz bekräftigt hat – eine Rolle gespielt haben könnten, kommt nicht in Betracht. Die Einsicht in die Gefahr des Antisemitismus und das Eingeständnis persönlicher Verpflichtung gegenüber den Juden aufgrund der österreichischen NS-Vergangenheit werden als Motive interessanterweise von vornherein ausgeschlossen. 

Eine abschließende Bemerkung: Warum problematisiert die Autorin überhaupt, dass ein Israeli und österreichischer Jude Sebastian Kurz und seinen Kampf gegen Antisemitismus würdigt? Ist der Kampf gegen Antisemitismus überflüssig, gerade in Zeiten, in denen er in vielfältiger Form explodiert? Macht mich eine Anerkennung des Ex-Kanzlers zu einem „rechten israelischen Autor“? Und dürfen sich nur linke Juden dazu äußern? Will man nicht-linken Juden den Mund verbieten?

Stellungnahme der Redaktion: Bei Buchvorstellungen ist es möglich aber nicht üblich, den Autor persönlich zu kontaktieren. Verarbeitet sind ausschließlich belegbare Zitate des Autors etwa aus seinen Social-Media-Auftritten. Die Ernsthaftigkeit des Engagements von Sebatian Kurz gegen den Antisemitismus sind in dem Beitrag nicht durch die Redaktion in Zweifel gezogen. Sie sind vielmehr durch Dritte belegt und analysiert. Ebensowenig taucht in dem Beitrag die These auf, Antisemitismus sei “rechts”. 

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