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„Are you lost, babygirl?“

Gewalt, Stalking und Manipulation, klingt das für Sie nach einem verlockenden Liebesroman? Vermutlich eher nicht, allerdings hat gerade dieses Sub Genre Dark Romance, das genau diese Themen beinhaltet, in den letzten Jahren an Beliebtheit gewonnen. Aber was ist das überhaupt? Wie ist es entstanden und wer liest diese Bücher? Und was genau ist daran kritisch?
Marie Brandl  •  31. Januar 2025 Schülerin      10
Vor allem junge Frauen lesen gerne sogenannte Dark Romances.

Von Marie Brandl und Rebecca Berl

Was ist Dark Romance?

Der Piper-Verlag definiert Dark Romance als Sub Genre der Liebesromane mit düsteren Themen und Inhalten für Erwachsene. Im Mittelpunkt der Handlung stehen meist komplizierte Beziehungen, die durch Machtgefälle, gefährliche Leidenschaften oder moralische Konflikte geprägt sind. Oft sind Romantic-Suspense-Elemente enthalten und die Handlung ist voller antiheroischer Protagonist*innen, Geheimnisse, Herausforderungen und manchmal auch Tabus. Die Bücher haben meistens auch viele erotische Inhalte, die auch manchmal Szenen der Vergewaltigung enthalten.

Dark Romance definiert Liebe neu und hebt sich stark von traditionellen Liebesromanen ab. Leser*innen werden in einer nicht schönen und rohen Art in die Tiefen und komplexen Denkweisen der Charaktere gezogen. Die Hauptcharaktere dieses Genres zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass ihre Handlungen oft unmoralisch oder fragwürdig sind und sie oftmals eine dunkle Vergangenheit mit sich bringen. Die Bücher sind voller aufgeladener Emotionen und oft eine Achterbahn der Gefühle. Das soll die Leser*innen faszinieren, aber auch erschrecken. Häufige Themen und Elemente dieser Bücher sind Verrat, Obsession, Gewalt, Traumata, Mafia, Entführung, Stalking und sehr viel sogenannter „Spice“ beziehungsweise „Smut“, damit sind sexuelle Szenen gemeint.

Berühmte Bücher sind zum Beispiel Very Bad Kings von J. S. Wonda und Haunting Adeline von H. D. Carlton, auf das wir später näher eingehen werden. Außerdem findet sich dieses Genre auch in der Filmwelt wieder, zum Beispiel im Film

365 Days, aus dem auch das Zitat im Titel stammt.

Wie ist Dark Romance überhaupt entstanden und warum ist es so beliebt?

Dark Romance hat seinen Ursprung im 18. Jahrhundert. Dort entstand das Genre „Gothic Romance“. Durch den Baustil der Gotik entstand die Idee, diesen düsteren und irgendwie gruseligen Baustil in Literatur umzuwandeln. So entstanden die ersten Bücher, die etwas Schönes wie Romantik in einen düsteren Rahmen setzten.

Im 19. und 20. Jahrhundert ging diese Entwicklung weiter. Es entstanden Bücher mit komplexeren Beziehungen, in denen es auch viel um Leidenschaft und Dunkelheit ging. So zum Beispiel „Rebecca“ von Daphne du Maurier, das eine düster gefärbte Liebesgeschichte präsentiert.

Im 21. Jahrhundert entstand dann Dark Romance, so wie wir es jetzt kennen. Ein weiteres berühmtes Beispiel ist „Fifty Shades of Grey“, das sogar verfilmt wurde. Mittlerweile ist Dark Romance populär geworden und erfreut sich einer breiten Leserschaft. Es ist vor allem durch Booktok, eine eigene Szene auf der Plattform TikTok, auf der sich Leser*innen gegenseitig Bücher empfehlen, berühmt geworden. Leser*innen dieses Sub Genres mögen es so gerne, weil in diesen Büchern die Grenze zwischen moralisch Richtigem und Falschem verschwimmt. Außerdem sprechen die Autor*innen tabuisierte Themen in unserer Gesellschaft an, welche in den Büchern auch ausgelebt werden, was den Reiz für viele zusätzlich erhöht. Leser*innen sagen auch oft, dass sie mit diesen Büchern in eine eigene Welt eintauchen, in der sie ihre Sexualität und Fantasien neu für sich entdecken und erforschen können.

Die Zielgruppe sind vor allem junge Erwachsene, aber in den meisten Fällen Frauen. Die Bücher sind aber ohne Altersbeschränkung erhältlich, was leider auch dazu führt, dass viele Jugendliche Zugriff darauf haben.

Triggerwarnungen als faule Ausrede

Wie bereits erwähnt, werden wir jetzt näher auf das Buch Haunting Adeline von H. D. Carlton eingehen. Ein Bestseller, der durch Booktok berühmt geworden ist und beispielsweise in jeder Filiale der Buchhandelskette Thalia zu finden ist. Dieses Buch ist ein gutes Beispiel, da es um eine Liebesgeschichte zwischen einem Stalker und seinem Opfer geht. Werfen wir einen Blick auf die Triggerwarnungen: „Wichtiger Hinweis: Keine dieser Verschwörungen entstammt Antisemitismus oder QAnon (QAnon ist eine Gruppe, die seit 2017 von den USA aus Verschwörungstheorien mit rechtsextremem Hintergrund im Internet verbreitet. Eine Anmerkung der Autorinnen) sondern meiner eigenen verrückten Fantasie, den üblichen Verschwörungstheorien in den Medien und den vielen okkulten Horrorfilmen, die mein Vater früher geschaut hat.

Dieses Buch endet mit einem Cliffhanger. Der Inhalt ist sehr düster mit heftigen Situationen wie CNC (einvernehmliche Nichteinvernehmlichkeit) und Dubcon zwischen den Hauptfiguren, grafisch dargestellter Gewalt, Menschenhandel, Stalking, Kinderhandel, Kinderopferung, der Erwähnung von Kindstod und expliziten sexuellen Situationen. Es behandelt auch bestimmte Kinks wie Waffenspiele, Somnophilie, Fesselung und Erniedrigung. Dieses Buch wurde aufgrund der Warnung bereits mehrfach aus dem Sortiment genommen. Weitere Hinweise findest du auch in Rezensionen und auf meiner Website oder du kannst mir direkt eine Nachricht schicken. Deine psychische Gesundheit ist wichtig.“

Dieser Hinweis findet sich am Anfang des Buches und der ist natürlich wichtig. Trotzdem sind Triggerwarnungen ein scheinheiliges Mittel, um sich gegenüber den Kritikern des Genres jeder Schuld hinsichtlich romantisierter toxischer Inhalte zu entledigen. Zusätzlich bestehen Gefahren für die mentale Gesundheit der Leser*innen, weil Themen wie Stalking, Vergewaltigungen und Mord in diesen Büchern wiederholt auftauchen. So lautet auch der letzte Satz in der Triggerwarnung von Haunting Adeline: „Deine psychische Gesundheit ist wichtig“. Na wenn das nicht mal ein eindeutiges Indiz ist.

Leichte Verfügbarkeit auch für Jugendliche

Problematisch ist auch die fehlende Altersbeschränkung für solche Bücher. Also auch ein 13-jähriges Mädchen kann ohne Probleme an solche Bücher kommen, und genau diese Altersgruppe gefährdet Dark Romance sehr stark. Durch eben

Booktok bekommen auch schon junge Mädchen das Gefühl, dass es normal und gut ist, diese Bücher schon in ihrem, wirklich viel zu jungem Alter, zu lesen. Nicht nur gefährdet es die mentale Gesundheit dieser Altersgruppe noch mehr als die Erwachsener, sie können auch den Unterschied zwischen Realität und Fiktion noch weniger trennen, was zu ernsthaften Problemen führen kann.

Wir fänden deshalb eine klare Altersbeschränkung von 18 Jahren in allen Buchhandlungen gut, bei manchen Büchern vielleicht auch schon ab 16 Jahren. Die Verkäufer*innen sollten also nicht nur ,,18+“ Sticker auf die Bücher kleben

sondern auch nach dem Ausweis fragen.

Wenn Verkäufer*innen den Verdacht haben, eine ältere Person würde so ein Buch für jemanden anderen als für sich selber kaufen, sollten sie auf jeden Fall auf den Inhalt aufmerksam machen. Wir beschränken auch andere Sachen, die Kinder und Jugendlichen schaden könnten. Warum dann nicht auch Bücher?

Normalisierung toxischer Verhaltensmuster

Und ein anderes zentrale Problem von Dark Romance ist die Normalisierung und Banalisierung von Gewalt und toxischen Verhaltensmustern. Viele Autor*innen stellen kontrollierende, manipulative oder gewalttätige Charaktere als völlig okay dar, weil Liebe ihr Verhalten rechtfertigt. Das kann dazu führen, dass Leser*innen toxische Verhaltensweisen in der realen Welt weniger kritisch sehen. Insbesondere bei jungen Menschen, die noch keine gefestigte Vorstellung von gesunden Beziehungsdynamiken haben, besteht die Gefahr, dass sie diese toxischen Verhaltensweisen als romantisch oder erstrebenswert interpretieren und das kann zu einem verzerrten Verständnis von Liebe führen. Ein weiteres Risiko des ständigen Konsums von Dark Romance-Inhalten ist die Abstumpfung gegenüber Gewalt und aggressiven Verhaltensweisen. Studien zur medialen Gewalt legen nahe, dass wiederholte Konfrontation mit gewalttätigen Inhalten zu einer Desensibilisierung führen kann.

Positive Seiten von Dark Romance

Trotz dieser ganzen Negativauswirkungen, die diese Bücher auf insbesondere junge Menschen haben kann, möchten wir am Ende nochmal klarstellen, dass auch dieses Genre seine Daseinsberechtigung hat, weil auch diese Bücher viel zu bieten haben. Allerdings sollten nur Erwachsene sie lesen, weil erwachsene Menschen solche Geschichten schon besser von der Realität unterscheiden und einordnen können und mental gefestigter sind.

Besonders für Frauen kann das Genre ansprechend wirken und spannend sein, etwa wegen der vielschichtigen Charaktere. Die Geschichten bieten eine emotionale Bandbreite und häufig findet eine Auseinandersetzung mit Tabuthemen statt.

Diese Bücher tun auch viel für die Normalisierung und Akzeptanz von unterschiedlichen sexuellen Vorlieben und sie thematisieren, dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen viel Spaß und Lust an Sex haben können, und dass das auch okay ist. In Bezug auf diese Themen hat Dark Romance also auch positive Auswirkungen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dieses Genre, genauso wenig wie seine Charaktere in nicht klar gut oder böse einzuteilen ist. Es gibt sowohl positive Faktoren, wie auch negative. Wer alt und reif genug ist, findet spannende Themen vor. Leser*innen sollten dennoch immer auf ihre mentale Gesundheit achten. Und wenn Sie bereit sind ein Babygirl für einen Mafiaboss aus 365 Days zu sein, dann ist das Genre vielleicht das Richtige für Sie.

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