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Gesundheit Österreich Fakten

Vorarlberger bleiben am längsten gesund

Eine Studie zeigt: Nirgendwo in Österreich bleiben Menschen länger gesund als in Vorarlberg. Wien hingegen schneidet deutlich schlechter ab. Warum sind Vorarlberger länger fit, während Wiener früher abbauen? Liegt es an der Natur, am Geld – oder am berüchtigten Wiener Grant?
Sophia Tiganas  •  11. Februar 2025 Redakteurin      264
Senioren in Österreich (am Bild in Tirol): Deutliches Land-Stadt-Gefälle bei den gesunden Lebensjahren. (Foto: Shutterstock)

Die Stube von Hans und Maria ist das Herz ihres Hauses und ihrer Familie. Hans, 85 Jahre alt, wirkt erstaunlich fit. Jeden Tag verbringt er Zeit in seinem Garten, auch wenn die Nachbarn mittlerweile den Rasen für ihn mähen. Nach dem Abendessen steht er in der Küche und spült das Geschirr. Eine Aufgabe, die er sich mit seiner 84-jährigen Frau Maria teilt. Auch sie hält an ihren Routinen fest. Donnerstags bummelt sie über den Markt in Dornbirn, freitags genießt sie ihren Friseurbesuch. „Es sind die kleinen Rituale und die Bewegung im Alltag, die uns fit halten“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. „Aber natürlich gehört auch ein bisschen Glück dazu.“

Glück oder nicht, eine Studie der Medizinischen Universität Wien zeigt, Menschen in Vorarlberg bleiben tatsächlich länger gesund als in anderen Teilen Österreichs. Besonders Wien fällt im Vergleich ab. Doch woran liegt das?

Die Fakten: Ein Ost-West-Gefälle bei der Lebensqualität

Die Studie der Medizinischen Universität Wien basiert auf Daten aus drei österreichischen Gesundheitsbefragungen (2006, 2014, 2019) mit mehr als 10.000 Teilnehmern ab 65 Jahren. Die Ergebnisse sind eindeutig, aber dennoch erstaunlich. Österreich liegt mit durchschnittlich 61 gesunden Lebensjahren für Frauen und 62 für Männer unter dem EU-Durchschnitt. In Vorarlberg genießen Senioren mehr gesunde Jahre als durchschnittliche Österreicher. Während Vorarlbergerinnen bis 70 und Vorarlberger bis 65 gesund bleiben, liegt Wien bei etwa 62 Jahren, und damit deutlich zurück. Der österreichweite Durchschnitt ergibt sich aus der höheren Bevölkerungsdichte in Wien und anderen östlichen Bundesländern, wo die Lebenserwartung niedriger ist, während Vorarlberg und Tirol mit ihren besseren Werten weniger stark ins Gewicht fallen. 

„In Vorarlberg leben die Menschen nicht nur länger, sondern sie bleiben auch länger gesund“, erklärt Richard Felsinger, einer der Studienautoren und Allgemeinmediziner am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien. „Faktoren wie soziale Strukturen, Netzwerke und Familienbindungen unterscheiden sich im Westen stark von der Großstadt Wien.“

Warum Vorarlberg gewinnt: Das Geheimnis des gesunden Alterns

Vorarlbergs Erfolg ist kein Zufall. Dahinter steckt ein simples Rezept: Geld, Gemeinschaft, gesunder Lebensstil. Wer mehr verdient, lebt besser, so die Ergebnisse der Studie. In Vorarlberg sind die Einkommen höher und Armut ist seltener. Das hat direkte Folgen für die Gesundheit, insbesondere im Alter. „Einkommen und die Höhe der Pensionen sind entscheidend für die Lebensqualität der Menschen über 65 Jahre“, sagt Felsinger. Geld bedeutet Sicherheit und damit Wohlbefinden.

Doch nicht nur der Kontostand zählt. In Vorarlberg halten die Menschen auch eher zusammen. Familie, Nachbarn, Ehrenamt: soziale Netze fangen die Älteren immer wieder auf. Die Isolation, vor der sich viele Wiener im Alter fürchten, kommt selten vor. Stattdessen bekommen Senioren Unterstützung, wo sie welche brauchen. 

Hinzu kommt eine gesunde Lebensweise, die in Vorarlberg fest verankert ist. „Menschen im Westen leben tendenziell gesünder. Sie bewegen sich mehr, die Luftqualität ist besser, und sie ernähren sich ausgewogener“, so Felsinger. „Das sind Faktoren, die sich langfristig auf die Gesundheit auswirken.“ Die Natur selbst tut den Älteren auch gut. „Im Westen gibt es mehr Grünflächen, mehr frische Luft und mehr ländliche Gebiete“, erklärt der Mediziner.

Während Vorarlberg glänzt, steht Wien vor großen Herausforderungen. Lärm, Luftverschmutzung und Hektik belasten die Gesundheit der Wiener. Zudem leben viele ältere Menschen allein mit wenigen sozialen Kontakten. „In der Großstadt fehlen oft starke Nachbarschaftsnetzwerke“, sagt Felsinger. „Das führt zu Einsamkeit und gesundheitlichen Problemen. Es ist ein Aspekt, der nicht zu unterschätzen ist.“ Alle diese Faktoren sind mögliche Gründe für das West-Ost Gefälle. Felsinger erklärt: “Da gibt es kaum Evidenz dazu. Wir müssen noch Studien durchführen, um die tatsächlichen Gründe zu erforschen.”

Was kann Wien von Vorarlberg lernen?

Die Faktoren, die Österreichs Gesundheit beeinflussen, sind nicht naturgegeben. Sie lassen sich verändern. „Es braucht nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch politische Maßnahmen, um Ungleichheiten zu reduzieren“, betont Felsinger. „Prävention, Gesundheitsförderung und soziale Integration sind entscheidend. 

Das Land Vorarlberg fördert diese Entwicklung gezielt. „Die Strategie des Landesgesundheitsförderungsfonds zielt darauf ab, die Lebensqualität der Menschen in Vorarlberg zu verbessern, zu einem gesunden Lebensstil zu motivieren, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen weiter zu forcieren“, erklärt ein Vertreter des Landes. Zudem unterstützen digitale Angebote, wie beispielsweise die „Vbewegt-App“ die Stärkung der eigenen Gesundheit und der Gesundheitskompetenzen.

Felsinger plädiert selbst für Initiativen wie „Social Prescribing“ oder „Community Nursing“, die ältere Menschen aktiv in das soziale Leben einbinden. „Diese Ansätze helfen, Senioren so lange wie möglich gesund und selbstständig zu halten“, sagt er. Angesichts der diskutierten Sparmaßnahmen einer Blau-Schwarz-Regierung zeigt sich der Mediziner besorgt: „Bei den Pensionen zu kürzen, wäre in diesem Fall der falsche Ansatz.” Jedoch ist diese Sorge laut Felsinger eher Couleur-unabhängig zu verstehen. „Ganz egal welche Farben nun tatsächlich eine zukünftige Regierung bilden, Einsparungen an Einkommen und Pensionen können sich negativ auf die Lebensqualität im Alter auswirken“, sagt er.

Laut Statistik Austria wird in den kommenden 10 bis 15 Jahren mehr als ein Viertel der österreichischen Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Das stellt das Gesundheits- und Sozialsystem vor enorme Herausforderungen. Österreichs Entscheidungsträger werden selbst eines Tages Senioren. Und dann werden sie genau die Maßnahmen brauchen, die heute über 65-Jährige fordern. „Wie wir altern ist kein Schicksal, sondern auch eine Frage der Rahmenbedingungen, und die kann Österreich aktiv gestalten“, sagt Felsinger.  

Und der Wiener Grant?

Nicht nur objektive Faktoren spielen eine Rolle. Auch soziokulturelle Unterschiede beeinflussen, wie Menschen ihre Lebensqualität einschätzen. „Menschen im Westen antworten oft positiver auf Gesundheitsfragen“, erklärt Felsinger. „In Wien hingegen ist der berühmte ‚Wiener Grant‘ vielleicht mitverantwortlich für eine kritischere Selbsteinschätzung.“

Ob Vorarlberger einfach glücklicher sind oder Wiener nur mehr jammern, eines ist klar: Gesundes Altern sollte kein Luxus sein.

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