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Medien und Politik: „Distanz will hergestellt sein“

Gerwald Herter, Redakteur des Deutschlandradio und ehemaliger Korrespondent für Österreich und Südosteuropa, im Gespräch mit Cornelia Karrer und Bernadette Krassay über den Unterschied zwischen ORF und ARD beziehungsweise ZDF, den deutschen Umgang mit der AfD und das Du-Wort zwischen Politikern und Journalisten.
Cornelia Karrer  •  24. Februar 2025 Volontärin      10
Der Deutschlandradio-Redakteur und ehemalige Korrespondent Gerwald Herter spricht über Medien, Politik und journalistische Distanz. (Foto: Gerwald Herter)

campus a. Wie unterscheiden sich die österreichische und die deutsche Medienlandschaft?

Gerwald Herter. So groß sind die Unterschiede gar nicht. Sie liegen wohl vor allem in der Größe der Länder und allem, was sich davon ableiten lässt. Das betrifft aus meiner Sicht vor allem die Zeitungs- und Agenturlandschaft. Außerdem hat die Privatisierung und Kommerzialisierung der elektronischen Medien in Österreich später eingesetzt. Es sind ja einige deutsche Privatfernsehsender auf dem österreichischen Markt, die da voraus gegangen sind. Aber der ORF und ihm gewogene Persönlichkeiten haben sich lange gegen eine Kommerzialisierung erfolgreich zur Wehr gesetzt.

campus a. Inwiefern unterscheidet sich der ORF von großen deutschen Medienhäusern wie ZDF und ARD?

Gerwald Herter. Der ORF ist in Österreich viel dominanter als ARD oder ZDF in Deutschland. Bei der ARD steht die föderale Struktur im Vordergrund. Auch beim ORF gibt es starke Landesfunkhäuser und Landesberichterstattung, aber die Zentrale steht im Vordergrund. Wien ist im Verhältnis zum Rest Österreichs eine sehr große Stadt und schon da ergibt sich auch eine gewisse Spannung beziehungsweise ein Ungleichgewicht. 

campus a. Würden Sie sagen, dass die Nähe von Politik und Medien in Österreich problematischer ist als in Deutschland?

Gerwald Herter. Auch das hat mit dem Größenunterschied zu tun. In Deutschland haben wir im Bereich der elektronischen Medien verschiedene größere Akteure, in Österreich gibt es vor allem den ORF. Deswegen ist die Nähe vielleicht etwas stärker. Dennoch gibt es auch eine Nähe in Deutschland, das muss man ganz klar sagen. In Aufsichtsgremien, Rundfunkräten, Verwaltungsräten und bei öffentlich-rechtlichen Fernseh- oder Radiosendern sitzen ebenfalls Vertreter politischer Parteien. Durch das Brender-Urteil hat sich das in Deutschland ein bisschen geändert, man legt seitdem mehr Wert auf Politikferne, aber zwischen Anspruch und Wirklichkeit gibt es auch in Deutschland einen gewissen Unterschied. (Mit dem „Brender-Urteil“ gemeint ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2014, die eine übermäßige staatliche Einflussnahme auf die Gremien des ZDF für verfassungswidrig erklärte. Hintergrund war die politisch motivierte Nichtverlängerung des Vertrags von Chefredakteur Nikolaus Brender. Das Urteil führte zu einer Reform des ZDF-Staatsvertrags, um die Unabhängigkeit des Senders zu stärken, Anmerkung.)

campus a. Geht Deutschland anders mit der AfD um als Österreich mit der FPÖ?

Gerwald Herter. Die FPÖ ist auch durch eine Zweiparteienherrschaft erstarkt, durch das sogenannte Proporzdenken. Ich versuche das in Deutschland immer mal wieder zu erklären. Wir denken auch intensiver darüber nach, wie wir mit gezielten Tabubrüchen beispielsweise durch Rechtspopulisten oder rechtsextreme Parteien umgehen. In Österreich ist die Situation anders. Über eine Partei, die im Parlament stark und seit langem in Landesregierungen vertreten ist, müssen die Medien einfach berichten. 

campus a. Wie hält es das Deutschlandradio mit der AfD?

Gerwald Herter. Wir interviewen auch AfD-Leute. Das ist nicht ganz selbstverständlich, aber aus unserer Sicht müssen wir uns dem stellen.

campus a. Würde es die AfD stärken, sie auszugrenzen?

Gerwald Herter. Das kommt darauf an. Wir haben in Deutschland aktuell eine Diskussion darüber, wer im Wahlkampf zu den Runden der Spitzenkandidaten kommen darf. Hier ist die Entscheidung noch relativ einfach. Bei Sachthemen, zum Beispiel bei einer Diskussion über die Zukunft des Straßenverkehrs, ist das etwas anderes. Da würde ich als Journalist eine Auswahl danach treffen, wer dazu etwas Sachkundiges beitragen kann. Da erlaube ich mir auch das Urteil, dass bei der AfD Sachkunde nicht so weit verbreitet ist wie in anderen Parteien. Deswegen würde ich eventuell niemanden von der AfD einladen. Ich gehe nicht davon aus, dass das die AfD stärkt.

campus a. Die FPÖ hat sich in Österreich ihr eigenes Medienimperium aufgebaut. Ist das eine Folge des falschen Umgangs der unabhängigen Medien mit ihr?

Gerwald Herter. Sie hätte das wohl in jedem Fall getan. Wer in sozialen Medien präsent ist und keine kritischen Fragen beantworten muss, hat sozusagen die Lufthoheit. In klassischen Medien müssen sich Politiker kritischen Fragen, Diskussion und Einwänden stellen. In den sozialen Medien lässt sich das vermeiden, was sie gerade für rechtspopulistische Parteien so attraktiv macht.

campus a. Ist die Stimmung zwischen Politik und Medien in Österreich stärker emotional aufgeladen als in Deutschland?

Gerwald Herter. Nicht generell. Es gibt im ORF Journalisten, die Politiker hart befragen und die keine private Nähe zulassen. Das lässt sich ja steuern. Ich zum Beispiel duze nur zwei Politiker und regelmäßig sind Leute enttäuscht, wenn sie mir das Du anbieten und ich ablehne. Ne, also ich bin Journalist, sage ich dann. Die betreffenden beiden Politiker kenne ich privat, der eine heißt Markus Söder und der andere Karl Lauterbach.

campus a. Meinen Sie, das geht so auch in einem kleinen Land wie Österreich?

Gerwald Herter. Distanz will hergestellt sein. Ob das auf dem Land hier in Deutschland oder in Österreich hinreichend klappt, weiß ich nicht genau. Ich kann nur das Resultat beurteilen und aus meiner Sicht gibt es gute Beispiele dafür, wie Journalisten in Österreich klar und distanziert mit Politikern umgehen. Die gibt es auch in Deutschland.

campus a. Drei Tipps, die Sie angehenden Journalist:innen geben würden?

 Gerwald Herter. Neugierig bleiben. Mut haben. Ein Journalist, der nicht mehr recherchiert, ist kein Journalist mehr.

campus a. Vielen Dank für das Interview!

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